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Branchentarifvertrag Tauziehen um Logistiker

Lkw und Pkw auf einer Autobahn Foto: Alev Atas/ETM

Nun ist es raus: Die achte Kammer des Arbeitsgerichts Frankfurt hat ihren Beschluss vom Januar veröffentlicht, der in den vergangenen Wochen für Unruhe gesorgt hat. Der Landesverband Thüringen des Transportgewerbes (LTV) hatte prüfen lassen, welche Gewerkschaft  für die Mitarbeiter der Rudolph Automotive Logistik, die in Leipzig Leistungen für den Automobilbauer BMW erbringen, zuständig ist. Die IG Metall, entschied das Gericht.

Nichts Ungewöhnliches, aber die Branche reagierte alarmiert: Streiten IG Metall und die Dienstleistungsvertreter Verdi um die Zuständigkeit bei den Logistikern? Müssen Firmen, die Kontraktlogistik für die Automobilindustrie anbieten, sich auf die höheren Bruttolöhne der IG Metall einstellen? Ist dann das Outsourcing-Modell noch attraktiv?

IG Metall will gute Arbeitsbedingungen für Beschäftigte

"Zunächst gehen wir davon aus, dass es sich hier um Einzelfälle handelt", teilt etwa der Arbeitgeberverband Spedition und Logistik Deutschland (ASL) mit. Nicht jeder Kontraktlogistiker betreibe industrielle Teilfertigung.

Die Erklärung der Gewerkschaft zu dem Beschluss liest sich so: Die IG Metall akzeptiere nicht, dass Arbeitgeber ihre Gewerkschaft nach Kostengesichtspunkten aussuchen und somit das Prinzip der Beschäftigung erster und zweiter Klasse durchsetzen wollen. "Ziel der IG Metall ist es, gute Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten der gesamten Wertschöpfungskette der Betriebe durchzusetzen, sodass auch für die ausgelagerten Bereiche angemessene tarifliche Standards gelten."

Im Fall von BMW in Leipzig übernehmen Mitarbeiter der Rudolph Automotive Logistik die Produktionslogistik und Lagerbewirtschaftung im Karosseriebau und im Presswerk. "Dazu gehört zum Beispiel die Bandversorgung just in time oder die Bewirtschaftung eines Losgrößenlagers", teilt Dr. Torsten Rudolph, Geschäftsführender Gesellschafter der Logistik-Gruppe, mit. Der Beschluss des Frankfurter Gerichts betrifft eben diese Niederlassung Leipzig, in der das Unternehmen knapp 200 Mitarbeiter beschäftigt. Insgesamt hat die Firma rund 2.000 Mitarbeiter.

Verdi als Leitlinie für den Haustarif

"Unser tariflicher Standard ist die Gewerkschaft Verdi entweder als Tarifpartner oder bei nicht tarifgebundenen Standorten als Leitlinie für den Haustarif", sagt Torsten Rudolph. Jetzt sollen mit der IG Metall zeitnah "die bestehenden betrieblichen Regelungen" in Leipzig in einem Tarifvertrag festgelegt werden. Ziel für die kommenden Monate sei dann, einen Tarifvertrag zu erarbeiten, der perspektivisch in ein weitergehendes Tarifmodell einmündet. Weitere Fragen dazu will das Unternehmen mit Blick auf die laufenden Verhandlungen nicht beantworten.

Die IG Metall plant aber mehr: In einem Statement erklärt die Gewerkschaft gegenüber trans aktuell, perspektivisch einen Branchentarifvertrag für Logistikunternehmen, die Aufgaben in der Automobilindustrie übernehmen, anzustreben.  Zwei Faktoren seien dabei erheblich für die Zuständigkeit der IG Metall, sagt eine Sprecherin: Zum einen, wenn Arbeitnehmer IG Metall-Mitglieder sind. Zum anderen, dass die Arbeit unmittelbar in die Wertschöpfungskette des Herstellers einfließe und die Leistungen des Logistikers somit direkt in Produktionszusammenhang stünden. Eine pauschale Zuordnung sei auf jeden Fall nicht leicht.

Gleiche Bedingungen für alle

Dass sich IG Metall und Verdi dabei in die Quere kommen, sei kein Problem. "Es gibt konstruktive Absprachen mit Verdi", sagt die Sprecherin gegenüber trans aktuell ,"es gehört zur gelebten Praxis, dass man sich in den meisten Fällen verständigt."
In einem ersten Schritt will die IG Metall zunächst mit einzelnen Unternehmen weitere Firmentarifverträge aushandeln. Zweiter Schritt sei dann mittelfristig ein Branchentarifvertrag, um vergleichbare Arbeits- und Entgeltbedingungen zu schaffen. Davon würden auch die Logistikdienstleister profitieren: "Das hat Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit, weil für alle Beteiligten dann die gleichen Bedingungen gelten." Den Auftraggebern legt die Gewerkschaftssprecherin ans Herz, dass Qualität und Innovationsfähigkeit nur mit anständigen Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten zu erreichen seien.

Alles andere als billig könnte der Zuständigkeitswechsel der Gewerkschaften für die tarifgebundenen Logistikdienstleister werden. Branchenkenner sprechen von einer Differenz von bis zu 30 Prozent zwischen den Entgelttarifverträgen von IG Metall und Verdi. Auch der ASL befürchtet dann Lohnkostensteigerungen.
 Für BMW, Auftraggeber von Rudolph in Leipzig, ist klar: Bei einer Neuausschreibung sei es Sache des Dienstleisters, ein wettbewerbsfähiges Angebot abzugeben. "Ob er mit veränderten Lohnkosten wettbewerbsfähig bleiben kann, wird sich zeigen", sagt ein Sprecher.  Allerdings gehe es bei der Vergabe von Logistikleistungen in erster Linie um die hohe Kompetenz des Partners: "Insofern ist Kontraktlogistik für uns eigentlich kein Outsourcen sondern die Nutzung der besten Kompetenz im Markt."

Verdi verneint Tauziehen

Tauziehen um die Mitarbeiter? Mitnichten, sagt die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. "Prinzipiell macht es keinen Unterschied, ob ein Logistikunternehmen mit uns oder der IG Metall zu tun hat", sagt ein Sprecher von Verdi gegenüber trans aktuell. Die Tarifwerke beider Gewerkschaften würden sich vor allem strukturell unterscheiden: Ein Tarifvergleich auf Stundenbasis ergebe, dass der Haustarif der IG Metall für Facharbeiter in der Regel etwas über dem Verdi-
Flächentarifvertrag liege – allerdings in einem Rahmen, der für die in der Regel besseren Haustarifverträge üblich sei. Für un- und angelernte Arbeitskräfte liege die IG Metall allerdings zum Teil sehr deutlich unter den Entgelten des Verdi-Tarifvertrags. Im speziellen Fall der Kontraktlogistiker, die in die Arbeit der Automobilhersteller hineinreichen oder diese substituieren, müssten die Logistiker damit rechnen, für spezielle Dienstleistungen höhere Löhne zahlen zu müssen, die sich am Lohnniveau benachbarter Branchen ausrichten.

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