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BGL nimmt Lkw-Kartell ins Visier Financialrights klagt auf Schadenersatz

Lkw und Pkw auf einer Autobahn Foto: Alev Atas/ETM

Letzter Aufruf für Schadenersatz aus dem Lkw-Kartell - zumindest für Forderungen für vor 2002 gekaufte Lkw. Denn bis Jahresende wollen der BGL und seine Partner im Rahmen eines Abtretungsmodells die Schadenersatzansprüche geltend machen.
 

Sie ergeben sich aus den Preisabsprachen, die die Lkw-Hersteller MAN, Renault/Volvo, DAF, Daimler  und Iveco in den Jahren 1997 bis 2011 für Nutzfahrzeuge ab sechs Tonnen getroffen haben. Die EU-Kommission hatte vergangenes Jahr den Herstellern dafür ein Rekord-Bußgeld von 2,9 Milliarden Euro aufgebrummt - mit Ausnahme von MAN, das eine Kronzeugenregelung in Anspruch nahm. Wer in diesen Jahren ein entsprechendes Fahrzeug von den Herstellern gekauft hat, hat unter Umständen Anspruch auf Schadenersatz.

Es ist kein schneller Gewinn, aber wer kann schon auf Geld verzichten, selbst wenn es etwas länger dauert? Dieser Argumentation können sich wohl auch diejenigen nicht entziehen, die im Rahmen des Lkw-Kartells immer noch keine Anstrengungen für eine Schadenersatz-Klage unternommen haben. Der Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) und seine Partner werben auf der Plattform ­truck-­damages.­com/­de dafür, gemeinsam die Scha­den­ersatz-Forderungen zu stellen.

Sie ergeben sich aus den Preisabsprachen, die die Lkw-Hersteller MAN, Renault/Volvo, DAF, Daimler und Iveco in den Jahren 1997 bis 2011 getroffen haben (siehe Kasten). Von den angestrebten 100.000 Fahrzeugen aus Deutschland vertritt das Konsortium bereits 40.000, plus 50.000 aus dem europäischen Ausland. Darunter sind neben Transportunternehmen und Speditionen auch Kommunen und kommunale Firmen, Handwerksbetriebe und Unternehmen aus der Industrie mit eigenem Fuhrpark – eben alle, die in den betreffenden Jahren ein entsprechendes Fahrzeug von den Herstellern gekauft haben. 

BGL hat sich für ein Abtretungsmodell entschieden

Um vor allem den kleinen und mittelständischen Unternehmen zu helfen, habe sich der BGL für das Abtretungsmodell entschieden, sagt Hauptgeschäftsführer Prof. Dirk Engelhardt. Zusammen mit den am Verfahren beteiligten Unternehmen bilde der BGL auch einen Lenkungsausschuss.

Federführend ist aber der Rechtsdienstleister Financialright Claims. "Wir wollen beide Seiten auf Augenhöhe bringen – den kleinen Unternehmer mit dem großen, internationalen Lkw-Hersteller", sagt Dr. Sven Bode von Financialright. Das Unternehmen betreibt die Plattform und koordiniert IT-gestützt die Klage – in Zusammenarbeit mit der Rechtsanwaltskanzlei Hausfeld, die die juristische Seite abdeckt, und dem US-Prozesskostenfinanzierer Burford Capital. Der, so berichtet Bode, stelle die finanziellen Mittel bereit, die im Rahmen einer Schadenersatzklage anfallen: Anwaltskosten, Gutachter- und Gerichtskosten, Auslagen, falls die Klage scheitern sollte.

Der Deal: Die betroffenen Unternehmen treten nach deutschem Recht ihre Ansprüche gegen die Lkw-Hersteller an den Dienstleister Financialright ab. Der trägt das finanzielle Risiko und erhält nur bei Erfolg eine Provision in Höhe von 28 Prozent (BGL-Mitglieder) beziehungsweise 30 Prozent (Nichtmitglieder).

Kostenrisiko der Klage hält sich für Spediteure in Grenzen

Spediteur Hubertus Kobernuß aus Uelzen ist einer der Unternehmer, der seine Forderung bereits abgetreten hat. Die Vorteile gegenüber anderen Modellen sieht er etwa darin, dass die Unternehmen nicht in Vorleistung treten und kaum ein Kostenrisiko haben – „die Unternehmen unseres Gewerbes müssen ihre Liquidität anderswo einsetzen“ als in einem zumeist langwierigen Schaden­ersatz-Prozess, sagt Kobernuß.

Für den Unternehmer ist es zudem wichtig, dass im Rahmen einer Klage „das angenehme, kollegiale Klima mit den Fahrzeugherstellern“ nicht beschädigt werde. „Aber wenn die EU feststellt, dass uns Unternehmen ein Schaden entstanden ist, haben wir einen Rechtsanspruch auf Scha­den­ersatz.“ Zudem habe der BGL „eine Gruppe von kompetenten Fachleuten“ zusammengetrommelt – etwa auch auf Gutachterseite.

Den Preisaufschlag ermitteln

Denn Dreh- und Angelpunkt einer jeden Schadenersatzklage ist das wettbewerbsökonomische Gutachten, das Financialright bereits in Auftrag gegeben hat und an dem der Ökonomieprofessor Roman Inderst als Gutachter beteiligt ist. Sein Job ist, herauszufinden, welchen Preisaufschlag die Käufer zu viel zahlen mussten. Dieser Job ist komplex, handelt es sich doch um zig Modelle mit unterschiedlichen Spezifikationen und unterschiedlichen Baujahren. Eine besondere Herausforderung für die Gutachter ist überdies, zu bewerten, ob die Preisaufschläge in dem Rahmen der Einführung einer neuen Euro-Norm gerechtfertigt waren. „Das ist ein lang anhal­ten­des, hartes Kartellverfahren mit vielfältigen Absprachen“, so Inderst.

Daher gelte, eine ausreichende Datenbasis zu schaffen, um eine gute Analyse zu erstellen. Um es den Unternehmen aber so einfach wie möglich zu machen, so viele Daten wir möglich anzugeben, gibt es ein Spreadsheet, das sich wie eine Excel-Tabelle befüllen lässt.
Laut Dr. Alex Petrasincu von der Kanzlei Hausfeld Recht­san­wäl­te LLP stehen bereits zum Jahresende die ersten Verjährungsfristen für Ansprüche für vor 2002 gekaufte Fahrzeuge an. Daher sollten sich betroffene Firmen, die den Weg der Abtretung gehen wollen, bis spätestens Ende September registrieren.

Konservative Schätzung: Zehn Prozent vom Kaufpreis sind drin

Selbst bei ganz konservativen Schätzungen sei pro Fahrzeug eine Summe aus Schaden und Zins in Höhe von zehn Prozent des Kaufpreises beziehungsweise der Leasingrate möglich, sagt Rechtsanwalt Petrasincu. Und wie BGL-Hauptgeschäftsführer Prof. Dirk Engelhardt betont, lohnt es sich daher für Unternehmer, „in den Keller zu steigen”, um die alten Kaufunterlagen zu sichten.

Das Lkw-Kartell

  • Europäische Lkw-Hersteller sollen sich ab 1997 und bis 2011 im europäischen Wirtschaftsraum zusammen an einem Kartell beteiligt haben
  • Die ersten Jahre soll es der EU-Kommission zufolge einen Austausch über Brutto-Listenpreise, zum Teil auch über Nettopreise gegeben haben, zudem wurde die Einführung neuer EU-Abgasnormen sowie die Weitergabe von Kosten dafür an die Kunden abgestimmt
  • Beteiligt waren anfangs die Konzernzentralen und ab 2002 auch die deutschen Tochtergesellschaften, ab 2004 dann nur noch die deutschen Töchter
  • Als Folge hat die EU-Kommission das Kartellverfahren mit einem Bußgeld von insgesamt drei Milliarden Euro abgeschlossen
  • Betroffen sind von der Kartellstrafe die Unternehmen ­Daimler und Volvo/Renault. Iveco und DAF haben ihre Kartell­beteiligung zugegeben und einem Vergleich zugestimmt; MAN muss nach der Kronzeugenregelung kein Bußgeld zahlen, das Verfahren gegen Scania dauert an
  • Die Fahrzeughersteller geben die Absprachen zu, verneinen jedoch, dass den Käufern dadurch ein Schaden entstanden ist
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