Bernhard Schmitz im Gespräch Abwarten bei Euro 6

Bernhard Schmitz, Lt. Ford Transporter Foto: Thomas Küppers

Trotz schlecht laufender Geschäfte in Südeuropa sieht Bernhard Schmitz positive Tendenzen in den Märkten. Welche, erklärt der Chef der Ford-Nutzfahrzeugsparte im Redaktionsgespräch mit trans aktuell.

Die Nutzfahrzeugsparte von Ford stellt sich neu auf. Mit dem Ford Transit Custom ist das Unternehmen bereits auf deutschen Straßen unterwegs. In Kürze folgen der Transit Courier am unteren Ende der Lieferwagen-Gewichtsklassen und der Transit als Wettbewerber für die Sprinter-Klasse. Im Redaktionsgespräch mit trans aktuell spricht der Chef von Ford-Nutzfahrzeuge über seine Erwartungen an die neuen Baureihen und ein stabiles Geschäft mit den aktuellen Modellen.

trans aktuell: Herr Schmitz, wie schätzen Sie die wirtschaftliche Lage von Ford ein?

Schmitz: Für Europa rechnen wir – bezogen auf das Gesamtjahr – aufgrund verschiedener Faktoren mit einem Verlust von etwa zwei Milliarden Dollar. Im vergangenen Jahr haben wir für Europa einen Verlust von über 1,7 Milliarden Dollar ausgewiesen. Wir rechnen damit, aufgrund neuer Fahrzeugmodelle und einer allmählichen Erholung der traditionellen europäischen Märkte, 2015 in Europa wieder in die Profitabilität zurückzukehren.

… und wie läuft es speziell im Nutzfahrzeugbereich?

Die Situation im Nutzfahrzeuggeschäft ist insgesamt sehr positiv. Wir haben natürlich Märkte in Europa, die immer noch rückläufig sind. Aber was unsere Marktanteile angeht und den Erfolg der neuen Modelle, stellen wir in fast allen Märkten eine positive Tendenz fest. Trotz des derzeit harten Geschäfts in Südeuropa sind unsere Erträge im Nutzfahrzeuggeschäft relativ stabil.

Wie viel Freude bereitet Ihnen dabei der deutsche Markt?

Wenn man sich das erste Quartal ansieht, stellt man immense Verschiebungen im Markt fest. Die Industrie in Deutschland liegt 17 Prozent unter Vorjahr, aber die Segmente haben sich sehr unterschiedlich entwickelt. Am schlechtesten – mit einem Minus von 25 Prozent – lief es bei den leichten Nutzfahrzeugen, also bei der Klasse unterhalb einer Tonne. Das Segment der mittleren Nutzfahrzeuge ist das stabilste mit einem Minus von elf Prozent. Ford hat sich in diesem Umfeld behauptet und den Marktanteil im Vergleich zum Vorjahr in etwa gehalten. Noch besser sieht es für uns bei einem Blick auf die Auftragseingänge aus: Während das Segment unter sechs Tonnen, bezogen auf die Gesamtindustrie, insgesamt unter Vorjahr liegt, konnte Ford gegen den Trend um rund 30 Prozent zulegen. Und das bedeutet, dass wir im Auftragsbestand erheblich über dem Vorjahr liegen. Unsere Produktoffensive, das heißt die komplette Erneuerung und Erweiterung unseres Angebots, trägt Früchte. Wir sind daher durchaus zufrieden.

Sie sprechen Ihre neuen Produkte an. Wie ist denn der Transit Custom angelaufen?

Wir haben seit Februar dieses Jahres die volle Verfügbarkeit der Transit Custom-Fahrzeuge und seither in Deutschland ungefähr 1.100 Einheiten im Monat verkauft, was ich als einen sehr guten Start bezeichnen würde – zumal wenn man bedenkt, dass wir den "alten" Transit noch bis November voll weiterbauen und uns somit sozusagen Konkurrenz im eigenen Stall machen.

Sie haben den alten Transit quasi aufgeteilt in zwei Gewichtsklassen. Was erwarten Sie jeweils für einen Marktanteil mit den Fahrzeugen?

Es geht uns nicht allein um Marktanteile, weil wir den neuen, großen Transit weltweit verkaufen werden und den Ein-Tonner, also den Transit Custom, in nahezu allen Märkten außerhalb den USA anbieten, sondern vor allem um Stückzahlen. Was den Marktanteil in Deutschland betrifft, rechnen wir – bezogen auf beide Modellreihen zusammen – mit einer Steigerung um 40 Prozent. Dies würde bedeuten, dass dann beide Gewichtsklassen ungefähr den gleichen Marktanteil haben werden.

Sie haben gesagt, dass es sich beim Eintonner um das beste Fahrzeug seiner Klasse handle. Spielen Sie laut den ersten Rückmeldungen in der Liga von T5 und Vito?

Ja, wir spielen absolut in der gleichen Liga. Wir sehen im gewerblichen Bereich, dass wir Kunden insbesondere von Mercedes abziehen, die mit den entsprechenden Produkten aus unterschiedlichen Gründen nicht zufrieden sind.

Ist der neue Transit auf den Gewerbewochen schon in allen Aufbauvarianten verfügbar?

Bislang bieten wir den neuen Transit Custom mit flachem Dach und in zwei Radständen an. Auch die Branchen-Modelle, also die Fahrzeuge, die wir am besten verkaufen, sind schon verfügbar. Spezielle Lösungen, wie zum Beispiel Aufbauten für Glaser, sind derzeit in Vorbereitung. Dies ist übrigens auch der Hauptgrund, warum wir in dieser Übergangsphase noch den bisherigen Transit weiter bauen. Ich muss aber sagen, dass die Gewerbewochen auch in Kombination mit dem neuen Transit Custom sehr gut funktionieren. Wir haben allein im Rahmen unserer vergangenen Gewerbewochen im März insgesamt 4.600 Auftragseingänge verzeichnet.

Thema CO2: Haben Sie bei Ford interne Reduktionsziele für den Flottenausstoß?

Natürlich. Aber die wollen wir nicht kommunizieren. Die technische Herausforderung ist jetzt erst einmal, im Zuge der Einführung von Euro 6 den Kraftstoffverbrauch unserer Fahrzeuge nicht zu erhöhen.

Wann kommt Euro 6 bei Ford und wie setzen Sie das Thema um?

Wir kommen mit Euro 6-Fahrzeugen erst zu dem Zeitpunkt auf den Markt, an dem es Pflicht wird. Bei der Umstellung von Euro 4 auf Euro 5 war es für uns ein Wettbewerbsvorteil, dass wir bis zum Schluss noch Euro 4-Fahrzeuge anbieten konnten, denn die Kunden wollten bewährte Technologie nutzen, solange es geht. Wenn Euro 6 kommt, werden wir es mithilfe der SCR-Technologie umsetzen, auch bei den kleinen Nutzfahrzeugen.

Wie sieht es im Bereich alternative Antriebe bei Ford aus?

In den nächsten zwei bis drei Jahren werden wir keine Erdgasfahrzeuge in unserem Nutzfahrzeugprogramm haben. Wir sind aber am Thema dran. Bei der Elektromobilität können wir derzeit im Nutzfahrzeugbereich keine Lösungen anbieten, wobei wir aber auch nicht glauben, dass es für rein batterieelektrisch angetriebene Nutzfahrzeuge in absehbarer Zeit einen nennenswerten Markt geben wird.

Ist emissionsfreier Verkehr bis 2050 im Sinne der EU-Kommission für Sie dennoch eine realistische Vision?

Wir haben schon beim Ziel der Bundesregierung, bis 2020 eine Million Elektrofahrzeuge auf deutsche Straßen zu bringen, gesehen, dass hier das Kundenverhalten nicht berücksichtigt wurde. Dieses Ziel ist aus meiner Sicht nicht viel mehr als eine Absichtserklärung. Solche politischen Aussagen lassen sich nur dann in die Praxis umsetzen, wenn es dafür ein attraktives Geschäftsmodell gibt.

Wie könnte das aussehen?

Alles hängt stark von den gesetzlichen Rahmenbedingungen ab. Wenn zum Beispiel Innenstädte nur noch für Null-Emissionsautos zugänglich sind, würde die Nachfrage nach Elektrofahrzeugen vermutlich sprunghaft ansteigen.

Sie haben in Ihren Fahrzeugen eine Eco-Taste verbaut, die zum einen Start-/Stopp regelt, aber auch das Tempo des Fahrzeugs wahlweise auf 115 km/h begrenzt. Wie kommt diese Funktion bei den Kunden an?

Offen gesagt: Vielen Kunden sagt die Eco-Funktion so nicht wirklich zu. Zudem gab es für den Fahrer keine Rückmeldung, dass das Fahrzeug die 115 km/h-Begrenzung erreicht hat. Daher haben wir reagiert. Start/Stopp ist künftig nicht mehr serienmäßig und wenn es verbaut ist, dann ohne die Eco-Taste.

Sie haben einiges im Bereich Fahrerassistenzsysteme getan. Wohin geht die Reise da noch?

Wir arbeiten beispielsweise an einem Seitenwind-Assistenten. Dies ist ein hochrelevantes System mit einem wirklichen Mehrwert für den Kunden. Abgesehen davon haben wir mit dem neuen Transit Custom ja schon eine ganze Menge an nützlichen Fahrer-Assistenzsystemen im Programm. Wir müssen jetzt abwarten, wie stark die Assistenzsysteme von den gewerblichen Kunden nachgefragt werden und wie sich das Ganze für uns rechnet.

Im Cockpit des neuen Transits finden sich viele Ähnlichkeiten mit der Ford-Pkw-Welt. Wie viel Pkw steckt in ihren Nutzfahrzeugen?

Wir arbeiten im Gesamtkonzern mit großer Konsequenz daran, Systeme und Technologien möglichst im Pkw- und im Nutzfahrzeugbereich zu nutzen, also Synergien zu erschließen. Alles, was sich im Pkw-Bereich bewährt hat und sich auch im Nutzfahrzeug sinnvoll verwenden lässt, kommt da auch rein. Die Vernetzung der Ingenieurs-Teams beider Welten ist heute deutlich stärker, als noch vor fünf Jahren. Deshalb ist es heute auch wesentlich einfacher, beispielsweise ein Pkw-Cockpit für den Nutzfahrzeugbereich zu adaptieren.

Sie haben noch einiges in der Pipeline. Wann geht’s los mit den großen und kleinen Brüdern des Transit Custom?

Zum Jahresende liefern wir sowohl den Transit Custom mit Hochdach als auch die ersten Fahrzeuge der Ford Connect-Baureihe aus. Voraussichtlich im 2. Quartal 2014 kommen dann der große Ford Transit und die Ford Courier-Baureihe hinzu.

 

 

Zur Person

Bernhard Schmitz leitet seit 2007 die Nutzfahrzeugsparte bei Ford. Der 54-Jährige begann 1988 als Trainee beim Fahrzeugbauer. Nach verschiedenen Positionen in Marketing und Vertrieb übernahm Schmitz – vor seiner Ernennung zum Nutzfahrzeugchef – die Marketing-Bereiche Kommunikation, Kundendialog und Handelsmarketing.
 

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