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Berhard Simon im Gespräch Mitarbeiter richtig integrieren

Foto: Dachser, Christian Weber

Dachser-Chef Bernhard Simon ist viel auf Reisen. Er berichtet, was er dabei von anderen Menschen und Kulturen lernt und wie er dieses Wissen für die Integration und den Zusammenhalt der Mitarbeiter in Deutschland nutzt.

Logistikdienstleister profitieren von ihrer internationalen Ausrichtung. Das macht sie auch als Arbeitgeber interessant. "Wir sind ein Pool für Mitarbeiter, die ihre Kontakte und Erfahrungen ins Ausland bei uns einbringen und nutzen", berichtet der Chief Executive Officer (CEO) von Dachser,  Bernhard Simon. Im Gespräch mit trans aktuell-Redakteur Matthias Rathmann sagt er, wie sein Unternehmen diese Potenziale nutzt und wie die Integration von Mitarbeitern aus verschiedenen Kulturkreisen gelingt.

trans aktuell: Herr Simon, Dachser betreibt weltweit 437 eigene Niederlassungen. Haben Sie schon alle besucht?

Simon: Nein, und das lässt sich in der Praxis auch nicht bewerkstelligen. Aber die Wesentlichen kenne ich schon.  Etwa im Drei-Jahres-Rhythmus habe ich die Möglichkeit, diese Niederlassungen zu besuchen und die ganz besondere Nähe zu den Mitarbeitern dort auch immer wieder zu erleben.

Wie oft sind Sie auf Reisen – jeden zweiten Tag?

Wahrscheinlich noch häufiger, eher an zwei von drei Tagen.

Heute Asien, morgen Amerika: Wie bereiten Sie sich auf den Kontakt mit den jeweiligen Kulturen und Nationalitäten vor? Ist der Auslands-Knigge immer im Handgepäck?

So ähnlich. Ich habe zu Hause entsprechende Literatur – aber weniger Knigge-mäßige, sondern eher landesspezifische. Sie dient dazu, mir ein Bild zu machen, wie die Menschen dort leben, was ihnen wichtig ist, wie die kulturellen Kontexte sind, wie sie uns sehen, wie sie mit anderen Kulturen umgehen und mit anderen Ländern vernetzt sind. Dieses Wissen hilft mir, schnell ins Gespräch zu kommen. Manchmal ist der Gastgeber sogar überrascht, weil ich ihm eine Frage zu seinem Land stelle, die er so noch gar nicht gesehen hatte. Oft ist man ja in Selbstverständlichkeiten so eingebunden, dass man das Besondere nicht mehr wahrnimmt.

Welches war bei diesen Reisen Ihr größter Fauxpas im Umgang mit Menschen aus anderen Kulturkreisen?

Fangen wir so an: Was mir immer begegnet ist, ist eine besondere Gastfreundschaft. Vor diesem Hintergrund wird man seinem Gastgeber auch immer freundlich begegnen. Gefragt ist Sensibilität, forsches Auftreten ist fehl am Platz. Im Lauf der Jahre lernt man, sein Verhalten so zu verändern, dass es passt. Den einen oder anderen Fauxpas gab es mit Sicherheit. Nur habe ich ihn wahrscheinlich nicht so richtig mitbekommen.

Nun hat jedes Land seine eigenen Besonderheiten. Welche davon würden Sie gerne nach Deutschland mitnehmen?

Was ich schon heute regelmäßig nach Deutschland mitnehmen kann, ist das Verständnis, wie man miteinander umgeht und wie menschliche Beziehungen funktionieren. Wenn man denkt, man weiß schon alles, erkennt man, dass man eigentlich erst am Anfang steht, wenn es darum geht, Dinge wirklich zu verstehen. Und um die Dinge zu verstehen, muss man zuhören können.

Fällt Ihnen das schwer?

Im Gegenteil, ich nehme gerne die Rolle des Zuhörers ein und stelle Fragen – nur dann kann ich den anderen richtig wahrnehmen. Ich kann in diesem interkulturellen Kontext nie mit einem Rezeptwissen andere Menschen erschließen, nie andere erfassen, wenn ich nicht in allererster Linie bereit bin, zuzuhören und ehrliches Interesse bekunde.

Und wenn sich Ihr Gegenüber nicht öffnen möchte?

Ich überlege mir in der Vorbereitung geeignete Fragen, um mit diesen dem anderen zu signalisieren: Du bist wertvoll, teile Dich mir mit, damit ich die notwendigen Zusammenhänge verstehen kann.

Das interkulturelle Verständnis dürfte auch wichtig sein für den Umgang mit Ihren Mitarbeitern in Deutschland. Wie viele von ihnen haben einen ausländischen Pass?

Ungefähr zwölf Prozent. Die Wahrheit dürfte aber deutlich höher liegen, denn es gibt viele Mitarbeiter, die zwei Pässe besitzen. Gerade die Speditions- und Logistikbranche ist sehr international aufgestellt, weshalb die hohe Zahl an ausländischen Mitarbeitern nicht überrascht. Wir sind ein Pool für Mitarbeiter, die ihre Kontakte und Erfahrungen ins Ausland bei uns einbringen und nutzen.

Welches sind die besonderen Herausforderungen, wenn es darum geht, diese Mitarbeiter mit ihren jeweiligen Hintergründen zu integrieren?

Ich weiß gar nicht, ob es hier wirklich eine Herausforderung gibt. Es gibt eine Dachser-Kultur, und das ist eine Kultur, in der alle Menschen, die zu Dachser kommen – egal welcher Herkunft –, sich wohlfühlen, aber auch die Verpflichtung haben, sich auf andere einzustellen. Wenn jemand für Dachser arbeitet, weiß er auch, dass er die Toleranz und das Interesse für seine Person bekommt. Wenn man sich um andere Menschen, kümmert, schaut, wie sie sich am Arbeitsplatz fühlen, miteinander umgehen und wie sie sich im Team bewegen, führt das zur Integration.

Wie häufig gibt es Sprachprobleme, zum Beispiel bei jungen Migranten, die eine Ausbildung absolvieren?

Solche Probleme gibt es vermehrt. Hier braucht es unser Engagement, diese jungen Menschen beim Bewältigen der Hausaufgaben und des Lernstoffes zu unterstützen, damit sie die Schule und die Ausbildung packen.

Sollten Unternehmen vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels insgesamt viel stärker auf Migranten zugehen?

Das ist etwas, das wir schon seit Jahren als eine der Akquisitions-Möglichkeiten tun. Wir arbeiten natürlich mit lokalen Instituten zusammen. Und wir werden auch als Arbeitgeber immer wieder angesprochen, inwieweit wir entsprechende Praktika anbieten. Ich warne nur davor zu sagen: Das ist das Rezept gegen den Facharbeitermangel. Wir sind dann besonders gut, wenn wir die vielfältigsten Zugangsmöglichkeiten zum Arbeitsmarkt nutzen.

Müssen Familienunternehmen insgesamt noch offener werden, wenn es um das Ansprechen von Migranten geht?

Da sehe ich keinen Unterschied zwischen Familienunternehmen und anderen Unternehmen. Es hängt an den Ausbildern beziehungsweise deren Chefs, inwieweit sie in einer offenen Gesellschaft aufgeschlossen sind, die entsprechende Qualifizierung zu leisten. Das Thema Qualifizierung gilt übrigens für alle – ob mit oder ohne Migrationshintergrund. Das Problem ist immer, dass Wissen fehlt. Als Arbeitgeber muss ich dieses Wissen aufbereiten und offen zugänglich machen, dass diejenigen, die für mich arbeiten, es auch nutzen wollen. Nur dann können sie für uns auch einen vernünftigen Job machen.

Unabhängig davon, wer dann zu Ihnen stößt und Teil der Dachser-Familie wird – welches sind die Grundwerte, die Sie in jedem Fall vermitteln wollen?

Der neue Mitarbeiter muss leistungsbereit sein, zu seinen Kollegen und zu dem Unternehmen stehen, für das er sich entschieden hat. Wenn er bei Dachser für Gelb-Blau arbeitet, muss er wissen: Er ist ein Teil davon und gefordert, Dachser den Pulsschlag zu geben, den wir spüren wollen. Denn wer für Dachser arbeitet, macht nicht irgendeinen Job. Mit diesem Engagement wird er offene Türen vorfinden, durch die Türen muss er schon selbst durchgehen.

Das heißt, Sie fordern auch Eigeninitiative ein?

Ja, Eigeninitiative ist uns wichtig. Unternehmertum meinen wir nicht nur, es muss auch gelebt werden. Wichtig ist darüber hinaus die Toleranz, mit anderen umzugehen. Offenheit und Integrität liegen uns am Herzen: Man muss sagen, was man meint und nicht versprechen, was man nicht halten kann. Es muss jedem bewusst sein: Die Leistung, die ich innerhalb des Netzwerks erbringe, ist wichtig und die Vorstufe dafür, dass auch die nächste Ebene einen guten Job machen kann. Es kommt darauf an, im Netz zu denken. Wir sagen dazu: integrative Verantwortung zu tragen.

Teilweise sind das auch Werte, die bereits Ihrem Großvater, Firmengründer Thomas Dachser, wichtig waren. Meinen Sie, er würde das Unternehmen heute wiedererkennen? Wurde es in seinem Geist weiterentwickelt?

Er würde das Unternehmen, wenn er es von außen sieht, mit Sicherheit nicht mehr erkennen. Es gab vor 85 Jahren auch noch kein Gelb und Blau. Wenn er jedoch mit den Menschen sprechen könnte, würde er sofort merken, dass der Keim fortbesteht, den er in das Unternehmen eingepflanzt hat.



Zur Person

Bernhard Simon lenkt seit dem vergangenen Jahr als Chief Executive Officer (CEO) und zuvor seit 2005 als Sprecher der Geschäftsführung die Geschicke des Logistikdienstleisters Dachser mit Zentrale in Kempten. Er repräsentiert als Enkel von Firmengründer Thomas Dachser die dritte Generation der Unternehmerfamilie. Simon absolvierte nach dem Abitur bei Dachser eine Ausbildung zum Speditionskaufmann und studierte anschließend Betriebswirtschaft an der Friedrich-Alexander-Universität in Nürnberg. Danach absolvierte der Diplom-Kaufmann ein Programm für Führungskräfte in Harvard/USA, ehe er ins Unternehmen zurückkehrte.


Reaktion auf Flüchtlingsdrama


Dachser-Chef Bernhard Simon fordert angesichts der gewaltigen Flüchtlingsströme nach Europa und der immer neuen Tragödien auf dem Mittelmeer ein Umdenken bei der Einwanderungspolitik. "Wenn man weiß, dass Deutschland zu einem der wichtigsten Einwanderungsländer weltweit geworden ist, ist die Zeit gekommen, sich wirklich ehrlich darauf zu besinnen", betont er. "Ein Einwanderungsland braucht Gesetze, um mit diesen Zuwanderungsströmen auch gut umgehen zu können und sich nicht den wahren Zusammenhängen zu verschließen."

Bei der Flüchtlingsfrage müssten die EU-Mitgliedsländer viel enger und entschlossener zusammenarbeiten. "Das Hin- und Herschieben von Verantwortung kommt nicht den Ansprüchen gleich, die sich die Europäische Union selbst gegeben hat", kritisiert Simon. Die Unternehmen aus der Logistikbranche könnten nur bedingt bei diesem Thema helfen. "Das Thema Flüchtlinge ist ein menschliches Drama , das gesellschaftlich und politisch gelöst werden muss. Es ist kein Thema, das eine Lösung durch die Wirtschaft erfahren kann."

Ihre Hände in den Schoß legen sollten Unternehmer aber wiederum auch nicht. Der Dachser-Chef sieht Logistikdienstleister gefordert, durch entsprechende Sicherheitsvorkehrungen dem Schleusertum in den Herkunftsländern entgegenzutreten. Hierzulande wiederum könne man jungen Flüchtlingen bei der Integration helfen. "Wenn Menschen sich ihre Zukunft in Deutschland erhoffen, hier eine Heimat gefunden haben und über die entsprechenden Berechtigungen verfügen, heißen wir sie gerne bei uns willkommen", sagt er.

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