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Baustein zur Verlagerung Gotthard-Basistunnel vor der Eröffnung

Foto: Alptransit

Der längste Eisenbahntunnel der Welt steht vor seiner offiziellen Eröffnung. Hans-Jörg Bertschi, Chef des gleichnamigen Chemielogistikers, spricht von einem epochalen Ereignis, wenn der Gotthard-Basistunnel am 1. Juni in Betrieb genommen wird.

Ein Superlativ ist er, der neue Tunnel durch das Gotthardmassiv. Der längste Eisenbahntunnel der Welt wird vor der Zeit vollendet, und sogar die Kosten sind im Rahmen geblieben. Die Eidgenossen haben ein Megaprojekt perfekt umgesetzt und können stolz darauf sein. Am 1. Juni wird das 57 Kilometer lange Jahrhundertbauwerk eingeweiht. Geladen ist auch viel politische Prominenz, darunter Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Frankreichs Staatspräsident Francois Hollande und Italiens Regierungschef Matteo Renzi.


Auch wenn zur Eröffnung der Personenverkehr im Fokus der Öffentlichkeit steht, hat das Bauwerk bedeutende Auswirkungen für den Güterverkehr, für den es ursprünglich konzipiert war. Die Schweizer haben das Prinzip der Verkehrsverlagerung von der Straße auf die Schiene in ihrer Verfassung verankert.
Zwar wird das Ziel von höchstens 650.000 alpenquerenden Lkw pro Jahr nicht erreicht werden, aber der Gütertransport auf der Schiene hatte hier 2015 immerhin einen Anteil von 68 Prozent. Damit stellt die Schweiz Österreich und Frankreich, aber auch andere Länder Europas in puncto Schienengüterverkehr in den Schatten.

Regelbetrieb startet am 11. Dezember

Wenn am 11. Dezember der Regelbetrieb im Tunnel startet, müssen keine großen Steigungen mehr überwunden werden, denn der höchste Punkt auf der neuen Gotthard-Achse liegt bei 550 Metern. Die Fahrzeiten verkürzen sich, die Kapazitäten werden größer, auch lange und schwere Güterzüge kommen dann mit einer Lokomotive anstelle einer doppelten oder gar dreifachen Traktion aus.


Eine Ausnahme macht die Strecke über Chiasso bis zur Fertigstellung des Ceneri-Basistunnels, dessen Inbetriebnahme für das Jahr 2020 vorgesehen ist. Die neue Strecke durch den Gotthard ist ja Teil eines Systems, zu dem außerdem noch der Lötschberg-Basistunnel gehört, der bereits 2007 eröffnet wurde.


Über die schweizerischen Nord-Süd-Achsen führt einer der wichtigsten europäischen Korridore für den Schienengüterverkehr, der Rhein-Alpen Korridor, mit einem jährlichen Frachtaufkommen von über einer Milliarde Tonnen. Die Transportbranche weiß den neuen Tunnel zu schätzen. "Die Fertigstellung des Gotthard-Basistunnels ist ein epochales Ereignis für die Schweiz", sagt Hans-Jörg Bertschi, Chef des gleichnamigen Schweizer Logistikunternehmens. Für den Kombinierten Verkehr (KV) in Europa sei dies ein großer Durchbruch. "Effizienz, Qualität, Kapazität und Zuverlässigkeit werden sich damit in den nächsten Jahren schritt­weise massiv verbessern lassen.

"Der Tunnel ist der wichtigste, aber nicht der letzte Schritt auf dem Weg zu einer Leistungssteigerung auf dem Nord-Süd-Korridor durch den Gotthard", heißt es auch vom Schweizer Kombi-Operateur Hupac. Weitere notwendige Maßnahmen seien der Ceneri-Tunnel, der Vier-Meter-Korridor, der Ausbau von Terminal-Kapazitäten sowie die Zuläufe in Deutschland und Italien. Das sieht Ralf-Charley Schultze genauso. Der Präsident der Internationalen Gesellschaft für den Kombinierten Verkehr Straße-Schiene (UIRR) hält den Tunnel für eine riesige Chance, man dürfe die verbleibenden Herausforderungen nicht aus den Augen verlieren, sagt er gegenüber trans aktuell.

Hoyer-Intermodalchef mahnt weitere Anstrengungen an

Das wird generell so gesehen. "Für sich alleine genommen bringt der Ausbau des Gotthard-Tunnels nur wenig", sagt Jürgen Matzken, Intermodal Supply Manager bei der Internationalen Fachspedi­tion Hoyer. Erst wenn die vor- und nachgelagerten Trassen auf einem gleichwertigen hohen Stand seien, werde sich langfristig ein positiver Effekt einstellen. Der Gotthard-Tunnel sei ein feines Vorzeigeprojekt. "Aber was ist mit all den anderen mangelhaften Punkten der Bahninfrastruktur, wann gibt es hier konkrete nachhaltige und zukunftsweisende Investitionen anstatt immer nur Notfallreparaturen?", fragt er.

Warten auf das Vier-Meter-Profil

Der Tunnel werde seine volle Wirkung mit dem Ausbau des Vier-Meter-Korridors bis 2020 entfalten, ist Michail Stahlhut, Vorstand von SBB Cargo International, überzeugt. Dann könnten verstärkt Sattelauflieger mit vier Meter Eckhöhe verladen werden, verlagerbar seien wohl 200.000 bis 400.000 Trailer. "Etwa 10 bis 20 Prozent der aktuellen Straßentonnage kann auf die Schiene wechseln", sagt Stahlhut. Das entspreche jährlich 15.000 Zügen. Aber bereits bei der gleichen Anzahl von Zügen könnten allein durch die Zuglänge 30 Prozent mehr Güter auf die Schiene gebracht werden. Baue man in Deutschland die Überholungsgleise auf 750 Meter aus, könne man die Zuglängen ausweiten, ohne große neue Gleise zu bauen.

Bei aller gebotenen Skepsis erwartet man bei Hoyer deutlich weniger Streckenstörungen, zum Beispiel durch Steinschläge oder Erdrutsche. Intermodal-Mann Matzken rechnet auch mit einer wesentlich höheren Zuverlässigkeit der Zugsysteme auch in Spitzenauslastungszeiten. Und dann erhofft er sich einen nachhaltigen Stopp der Preissteigerungstendenz "und eine deutliche Senkung der eigenen Prozesskosten, die heute durch eine problematische Qualität der Bahnoperateure in die Höhe getrieben werden". Der Tunnel ist ein Großprojekt – und nicht minder groß sind also auch die mit ihm verbundenen Hoffnungen.

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