"Fahren am Limit" – die reißerische Stern-TV-Reportage (17. Juli auf RTL) stieß vielen Lkw-Fahrern sauer auf.
Vor ein paar Monaten zeigte das ZDF eine sachlich-kritische Dokumentation über den Stress, den Lkw-Fahrer unter dem vorherrschenden wirtschaftlichen Druck in der Transportbranche erleben müssen. Unter dem Titel "Fahren am Limit" ist das Thema am 17. Juli bei RTL im Privatfernsehen angekommen. "812 Tote durch übermüdete Lkw-Fahrer im Jahr 2012" heißt es gleich zu Beginn des reißerischen Beitrags bei Stern TV am Beispiel von nur zwei Unfällen am Stauende auf der A 4 bei Köln. Dabei sagt gerade die Autobahnpolizei Köln, dass sie nur in seltenen Fällen bei Lkw-Unfällen einen Verstoß gegen die Sozialvorschriften feststellt. Aber Schuld, so vermittelt es die plakative Botschaft, sind wieder einmal allein die übermüdeten und ausgebeuteten Lkw-Fahrer, die sich unter dem Druck ihrer Chefs und der Disponenten nicht an die Lenk- und Ruhezeiten halten können.
Über solche Fälle berichtet auch FERNFAHRER immer wieder nach Prüfung der Fakten. Bei RTL erzählt eine Fahrerin, wie sie ihren Chef selbst angezeigt habe, weil sie nicht ständig gegen Gesetze verstoßen wollte. Ein TV-Team begleitet einen Fahrer aus Sachsen-Anhalt im Kampf um die Minuten auf seinem Rundlauf zwischen Spanien, Deutschland und Belgien. So weit, so realistisch und sicher nicht zu bestreiten.
Gewerkschaft ohne Namen
Dann tritt Willy Schnieders auf, laut eigener Internetseite hauptamtlicher Bundesvorsitzender der Kraftfahrergewerkschaft (KFG), die, "anders als die Großgewerkschaften, Missstände in der Branche aufdecken will". Im Film heißt sie nur "Gewerkschaft", was allerdings nicht weiter erklärt wird. Dass Schnieders bei seiner – laut Insidern im Jahr 2011 gefilmten – nachgestellten Fahrt ohne Gurt am Steuer sitzt, kann man noch als Fahrlässigkeit im Drehstress durchgehen lassen.
Erschreckend ist, was er in die Kamera sagt, nachdem er zu Recht den Druck der Industrie beklagt: dass er nämlich die Fahrerkarte aus dem Tacho zieht, wenn er den Lkw be- und entlädt und damit vorgibt, Pause zu machen. Um dann nach neun Stunden Arbeit wieder eine Gefahr für die Pkw auf der Autobahn zu sein. Missbrauch von Fahrerkarten ist eine Straftat. Kein Wort allerdings der Aufklärung, auch nicht im Studio-Gespräch mit Moderator Steffen Hallaschka, wo Schnieders die Möglichkeit auslässt, den Filmbeitrag zu relativieren und klarzustellen, dass sich die Mehrheit der Fahrer inzwischen weitgehend an die Fahrpersonalverordnung hält. Beim Pakt mit dem privaten TV-Sender hat Schnieders der Branche, die ein riesiges Imageproblem hat, einen Bärendienst erwiesen. Auch weil seine Rolle als schwarzes Schaf nur gespielt war.