Autohaus Wilhelm Jesinger Partikelfilterreinigung in Eigenregie

Jesinger, Partikelfilter, Rußfilter, Werkstatt Foto: Thomas Küppers

Mit der Abgasnorm Euro 6 wird der Partikelfilter unumgänglich. Servicebetriebe müssen sich spätestens jetzt damit befassen, wie Filter sachgemäß und kundenfreundlich gereinigt werden. Das Autohaus Wilhelm Jesinger setzt dazu auf eine eigene Anlage.

Noch zwei Schrauben, dann ist die Blende des Schalldämpfers am Mercedes Actros 1832 gelöst. Kfz-Mechaniker Bosith Khem, Mitarbeiter des Mercedes-Servicebetriebs Wilhelm Jesinger in Esslingen, legt den Schlagschrauber weg und nimmt Blende und Endrohre von der Abgasbox ab. Schon der Blick von vorn verrät, dass der Rußpartikelfilter voll beladen ist. Aber das geschulte Auge Khems erkennt auch, dass der Filter intakt ist. Zeit für eine Reinigung.

Seit 2009 beschäftigt sich das Team von Jesinger mit Partikelfiltern – zunächst mit deren Nachrüstung, seit 2011 auch mit deren Reinigung. „Seit ­Einführung der Abgasnorm Euro 5 können wir den Partikelfilter nicht mehr außer Acht lassen“, erklärt Frank Schnierle, Mitglied der Geschäftsleitung. "Wir waren aber nicht glücklich mit dem Service der Filterhersteller", erklärt er. Bis zu einer Woche habe es gedauert, bis das Bauteil gereinigt zurückgekommen sei.

Kurze Reaktionszeiten dank Eigeninitiative

Auch Fragen bei der Qualitätssicherung hätten ihn beschäftigt. "Das alles ist im Transportgewerbe nicht zumutbar", sagt Schnierle. Zudem seien auch die Kosten für die Reinigung zu hoch gewesen. "Wir haben uns fast nicht getraut, unseren Kunden die Rechnung zu präsentieren", erläutert Großkundenbetreuer Dominik Höfer. Mindestens 1.000 Euro seien es gewesen sowie durchschnittlich vier Tage Standzeit fürs Fahrzeug. "Das hat uns dazu bewogen, uns nach besseren Lösungen umzuschauen", erzählt Schnierle. Das Autohaus Jesinger nahm die Geschicke in die eigene Hand. Beim Filterhersteller Baumot, der zugleich Reinigungsanlagen fertigt, ist die Jesinger-Mannschaft schließlich fündig geworden.
 
"Mit dem Ofen erreichen wir fast 100 Prozent Leistung eines Neufilters", argumentiert Serviceleiter Arne Maier. Die eigene Anlage ermöglicht dem Servicebetrieb zudem, die Filterreinigung in nur einem Tag zum Preis von 399 Euro ohne Ein- und Ausbau anzubieten. Letzteres könne je nach Einbauposition stark variieren und rangiere zwischen 850 bis 1.000 Euro. Mit der Investition, laut Schnierle um die 35.000 Euro, setzt das Autohaus, das zugleich Truck-Works-Standort ist, auch das One-Stop-Shopping-Konzept konsequent um.
 
"Wir haben uns knapp ein Jahr auf diesen Arbeitsprozess vorbereitet", erklärt Höfer. Den Unterschied machen ihm zufolge die Anheizkurven, die sich von Hersteller zu Hersteller unterscheiden. Der Filter darf keinen Spannungsriss bekommen und schon gar nicht der teure Monolith. Zu den Vorbereitungen zählt auch die Ausbildung eines Reinigungsspezialisten. Es braucht Erfahrung, um anhand der Asche beurteilen zu können, wann der Reinigungsprozess abgeschlossen ist. Bei Jesinger ist das Holger Kolb.

Rußfilterreinigung ist mühsame Handarbeit

Khem zieht den Filtereinsatz aus Filter, Vorfilter und Halterung aus der Box. Nun muss der Mechaniker noch den Hauptfilter aus der Halterung befreien. Eine Arbeit, die oft mühsam von der Hand geht.

Die Schrauben des Haltebandes sitzen im Spritzwasserbereich, gammeln, rosten fest, dehnen sich im heißen Abgasstrom immer wieder aus, ermüden und reißen ab. Dann hilft nur noch die Flex. Es kreischt, Funken fliegen, dann löst sich auch die letzte Verbindung am Stahlhalteband. Der Ausbau der Filtereinheit dauert zwei bis drei Stunden.

Khem wuchtet den 20 bis 25 Kilo schweren Partikelfilter auf den Rollwagen. Damit geht es ins Lager. Lagerleiter Karl-Heinz Ruck schießt Fotos vom Filter. Der Zustand vor und nach der Reinigung wird dokumentiert und den Kunden zur Verfügung gestellt. "In zwei Jahren gab es noch keine Reklamation", sagt Höfer.

Filterreinigung: Freibrennen dauert bis zu 18 Stunden

Stammkunde Storopack, zu dessen Flotte der Actros 1832 zählt, will möglichst keine Standzeit und hohe Flexibilität. Deswegen wird der volle Filter gegen ein bereits gereinigtes Produkt aus dem Lager getauscht. Die Standzeit beträgt in diesem Fall nur so lange, wie Ein- und Ausbau dauern.

Andere Kunden legen dagegen Wert darauf, den eigenen Filter zurückzubekommen. Wer den eigenen Filter zurückhaben möchte, der muss mit längerer Standzeit kalkulieren. Allein das Freibrennen im Backofen dauert zwischen 12 und 18 Stunden.
 
"Wir achten darauf, dass wir während der Standzeit andere Arbeiten ausführen", erklärt Höfer. Fällt die Filterreinigung ungeplant an, dann ist das nicht möglich. Daher sollten sich Besitzer von Nutzfahrzeugen mit Rußpartikelfiltern nicht erst melden, wenn die Wartungslampe rot leuchtet.

Staubige Angelegenheit

Die Vielfalt an Tauschfiltern ist groß. Die Werkstatt hält aus Kostengründen nicht alle Typen vor. Bevor der Filter des Actros bis zum nächsten Tausch eingelagert wird, geht es in den Ofen – die verrußte Seite nach unten. Für Khem heißt es Staubmaske, Arbeitshandschuhe und Brandschutzkleidung anlegen.
 
Deckel zu und warten. Auf 550 Grad erhitzt sich das Gerät. Spätestens nach 18 Stunden ist die Oxidation des Rußes im Filter abgeschlossen. Jetzt hat der Filter wieder eine weiße Farbe. Der abgebrannte Ruß  liegt auf dem Ofenboden.

Nun muss der Filter noch ausgeblasen werden. Dazu setzt Khem das Bauteil in die Reinigungsmaschine. Eine Düse bläst die letzten Gipsnadeln mit sechs bar Druck aus. 30 bis 45 Minuten dauert das. Khem hat unterdessen den Tauschfilter beim Mercedes montiert.

Geschäft mit Filtern wird zunehmen

Mit Einführung der Abgasnorm Euro 6 zu Beginn dieses Jahres kommt kein neuer Lkw mehr und auch kein Bus ohne Partikelfilter aus. Für Schnierle steht damit fest, dass das Geschäft mit den Filtern deutlich zunehmen wird. Aber erst dann, wenn auch die längsten Wartungsintervalle erreicht sind, die im Fernverkehr bei 300.000 Kilometern liegen.

Noch verzeichnet Schnierle 80 bis 100 Reinigungsaufträge pro Jahr, davon 60 Prozent für Partnerbetriebe. Das reicht noch nicht, um die Anlage auszulasten. Daher bietet das Autohaus Jesinger die Dienstleistung auch anderen Servicebetrieben an. Jesinger ist zudem Vertriebs- und Servicepartner der Filterhersteller Baumot, HJS, Puri-Tech und Twintec.
 
Kurzfristig will Frank Schnierle das Geschäft mit den Partikelfiltern auf 200 Reinigungen verdoppeln. Ob es bis dahin allerdings immer noch Bosith Khem ist, der die Filter aus- und einbaut, steht nicht fest. Er hat sich entschlossen, neben der Arbeit als Kfz-Mechaniker ein Studium des Maschinenbaus zu absolvieren, und steht nach eigenem Bekunden kurz vor dem Abschluss.

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