Ausbildung vor 30 Jahren und heute War früher alles besser?

Ausbildung vor 30 Jahren und heute, Bernhard Büttner, Eric John Foto: © Jan Bergrath; Montage: Grobosch

Bernhard Büttner war vor 30 Jahren noch Bäcker. Eric John hat den Beruf des Kraftfahrers ohne Umwege von der Pike auf gelernt. Jetzt sind beide Fernfahrer.

FERNFAHRER: Bernhard und Eric, warum seid ihr Lkw-Fahrer geworden?

Büttner: Nach meiner Bäckerlehre habe ich mich 1983 für vier Jahre bei der Bundeswehr verpflichtet. Ich kam nach Hammelburg zu einer Transporteinheit. Danach wollte ich nicht für tausend Mark im Monat in meinem alten Beruf arbeiten, sondern habe mich 1987 bei Pabst beworben für einen Einstiegslohn von 2.700 Mark. Bei uns in der Familie haben damals alle bei Sachs oder SKF am Band gearbeitet. Ich bin aus der Reihe getanzt. Ein Acht-Stunden-Job an der Maschine war für mich damals undenkbar. Mich hat die Selbstständigkeit gereizt. Die hatte ich vor 30 Jahren noch.

John: Mein Vater ist gelernter Maurer. Irgendwann hat er keine Arbeit mehr gefunden und dann eine Umschulung zum Lkw-Fahrer gemacht. Er kam zu Pabst, so wie Bernhard. Als kleiner Junge bin ich oft mit ihm auf Tour gewesen. Ich habe mich entschieden, den Beruf richtig zu lernen. Ich durchlief Werkstatt, Lager und Disposition und bekam auf diese Weise einen Einblick, wie die andere Seite tickt. Ich lernte die Technik kennen. Wir erfuhren die Hintergründe in der Berufsschule. Bei Verständnisproblemen konnten wir jederzeit eine Frage stellen. Ich fühle mich für den Job des Berufskraftfahrers absolut fit gemacht.

Büttner: Anders ist es heute durch das Berufskraftfahrer-Qualifikations-Gesetz auch gar nicht mehr möglich. Aber ich habe ja auch nicht einfach den Lkw-Schlüssel in die Hand gedrückt bekommen und bin losgedüst, so wie das bei manchen Firmen Usus war. Sondern ich bin erst mal ein paar Wochen als Beifahrer an Bord gegangen. Damals haben sich die wenigsten Kollegen Gedanken darüber gemacht, ob eine richtige Ausbildung notwendig ist. Es ging einfach nur darum, Geld zu verdienen. Ich habe dann nach elf Jahren den Kraftverkehrsmeister gemacht und bin heute im Betrieb einer unserer Schulungsfahrer.

John: Und zwar ein sehr guter. Ich war gleich fünf Wochen bei Bernhard dabei. Das ist sehr hilfreich, wenn man jung und unerfahren ist und so einen 40-Tonner steuern soll. Ich bin froh, dass ich diese Ausbildung so konsequent machen durfte. Ich kenne es von Kollegen aus der Berufsschule in Kulmbach. Da hieß es in einem Betrieb: Führerschein machen und sobald wie möglich mit dem Lastwagen allein auf Tour. Viele haben die Ausbildung zwar zu Ende gemacht, sind dann aber gleich weg von dieser Firma.

Büttner: Zu meiner Zeit haben nur die wenigsten Firmen ausgebildet, wir machen es jetzt seit 1997. Es ist natürlich schwieriger, wenn du nur zu einem Kollegen aufs Auto gesetzt wirst. Heute sind unsere Azubis mal auf dem Wechselbrückenzug, mal auf dem Lkw mit dem Mitnahmestapler unterwegs. Bis sie nach und nach alles drauf haben. Aber die Frage hat sich damals nicht gestellt. Wir hatten nur Wechselbrücken, 14 Lkw. Mein 312er MAN Unterflur mit Fuller-Getriebe hatte schon 1,2 Millionen Kilometer auf dem Tacho. Mein Chef hatte eine insolvente Firma gekauft, um an rote Konzessionen zu kommen. Den alten Bock könntest du heute keinem jungen Mann mehr in die Hände geben. Der würde beim ständigen Zwischengas und Zwischenkuppeln graue Haare bekommen.

John: Ich bin eigentlich froh, dass unsere Lkw Abstandsradar, Tempomat und Automatik haben.

Büttner: Ich fahre noch einen Lkw mit Handschaltung. Die Automatik stuft zum Beispiel in den Kasseler Bergen immer nur einen Gang runter. Denn Lkw haben immer noch keine Augen. Und der Fahrer muss mitdenken, sonst wird es langweilig. Gerade wenn du immer dieselbe Linie fährst. Deswegen mache ich lieber Trampverkehre.

John: Neulich habe ich im FERNFAHRER gelesen, dass es Lkw gibt, bei denen das GPS vor dem Berg den richtigen Gang auswählt. So einen hätte ich auch gern. Aber es ist schon ein gutes Gefühl, in einer Firma zu arbeiten, bei dem junge und motivierte Fahrer gesucht werden. Wenn ich mich mit anderen Kollegen über die Arbeitssituation unterhalte, höre ich immer wieder dasselbe: miese Bezahlung, mangelnde Ausstattung, schlechte technische Wartung, Stunden schrubben oder nie Pause.

FERNFAHRER: Und früher war wirklich alles besser?

Büttner: Es war entspannter, jedenfalls bei uns. Es gab noch keine Just-in-time-Verkehre. Wer eine rote Konzession hatte, hatte praktisch eine Lizenz zum Gelddrucken. Wenn früher ein Fußballspiel war, dann bin ich auf einen Autohof gefahren und habe mir das Spiel dort angesehen. Du hast damals keinen Parkplatz gefunden, weil alle Kollegen in der Kneipe gehockt sind. Und es hat keinen interessiert, ob man noch zwei, drei Stunden Lenkzeit hatte. Wenn Fußball war, war eben Fußball. Mit dem digitalen Tacho ist das sehr schwierig geworden.

John: Heute findest du auch keinen Parkplatz mehr. Dafür hocken die Fahrer alleine in ihren Kabinen und schauen Fußball auf dem Laptop. Aber du kannst auch mit dem Digi-Tacho deine Freiheit haben. Man muss halt anders mitdenken als früher.

FERNFAHRER: Wie lange musst du noch arbeiten, Bernhard?

Büttner: Bis zur Rente. Der Job macht immer noch große Freude. Manchmal langweilt er mich, weil ich doch alles kenne. Ich suche immer wieder neue Herausforderungen. Deswegen fahre ich jetzt Mitnahmestapler.

John: Ich habe noch ein paar Jahre vor mir. Und ich bin gespannt, was es bis dahin alles an technischen Neuerungen gibt. Nur die elektronische Deichsel, von der die Branche bereits spricht, wäre für mich eine Horrorvorstellung. Dann kann ich auch gleich in die Fabrik gehen und mich ans Band stellen.

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