Aus- und Weiterbildung Praxistraining lohnt sich

Bergrath, Fahrer, Lkw, Weiterbildung Foto: Marcello Euler

Das Profitraining von Mercedes-Benz zum wirtschaftlichen Fahren ist eine tolle Sache, die Ergebnisse am Ende eines lehrreichen Tages sind immer verblüffend. Wie gut, dass jetzt das Bundesverkehrsministerium den praktischen Teil der gesetzlichen Weiterbildung fördern will.

Ich fahre nun seit über 30 Jahren Lkw, die längste Zeit als Student in den 1980er Jahren. Quer durch Europa. Auch heute noch steige ich regelmäßig in einen modernen Lastzug, meist bei Fahrzeugtests oder wenn mich bei einer Reportage ein Profi mal ans Steuer lässt. Und natürlich habe ich in der ersten Periode des Berufskraftfahrer-Qualifikations-Gesetzes, das 2009 in Kraft trat, Schulungen in allen vorgeschriebenen Kenntnisbereichen absolviert, darunter das "Modul" wirtschaftliches Fahren für 50 Euro in der Jugendherberge Bochum bei einem Discount-Anbieter. Sieben Stunden haben wir uns reine Theorie angehört, unterlegt von Filmen über das Profitraining von Mercedes-Benz. Ich glaube nicht, dass bei mir wirklich etwas hängengeblieben ist. Als ich einen Teilnehmer gefragt habe, was er denn von dem Kurs mitgenommen hat, sagte er wortwörtlich "einen Block und einen Kugelschreiber."

Spaß beim wirklichen Profitraining

Nun hat sich für mich tatsächlich eine Chance ergeben. Eigentlich wollte ich nur die beiden Gewinner unseres ersten Fahrerwettbewerbs "Vater und Sohn", Peter und Marcello Euler, bei ihrem Profitraining in Wörth begleiten – mehr dazu im FERNFAHRER 7/2016. Dann wurde plötzlich ein Platz frei, also durfte ich selber am Training teilnehmen. Kurz gesagt: Es war eine meiner besten Erfahrungen, die ich beim Thema Aus- und Weiterbildung je gemacht habe.

Gute Werte in der Eingangsrunde

Der auf 40 Tonnen ausgeladene Sattelzug liegt gut auf der Straße, als ich unter Beobachtung von Profitrainer Friedrich Thunsdorff, genannt Toni, aus dem Werk herausfahre und nach meinem eigenen Fahrstil die 28 Kilometer lange Runde über die B 9, durch ein paar Dörfer und verdammt enge Kreisverkehre absolvieren darf. Was ich aus der Theorie noch in Erinnerung habe: Möglichst viel rollen lassen, Schwung ausnutzen, jedes Anfahren kostet Sprit. Es klappt ganz gut, nach 33 Minuten bin ich zurück und habe auf der Strecke 10,4 Liter verbraucht, was einem Durchschnitt von 37,14 Litern auf 100 km entspricht. Toni ist ganz zufrieden.

Bessere Werte in der Ausgangsrunde

Nach dem Frühstück gibt es gut verständliche, spannend aufbereitete Theorie über das Thema Wirtschaftlichkeit und Fahrzeugtechnik, danach zeigt Toni in der Demonstrationsrunde, was er drauf hat. Gut, er kennt die Strecke, er fährt sie fast jeden Tag, aber auch er ist nicht vor plötzlichen Stopps gefeit. Er ist über eine Minute schneller unterwegs und verbraucht nur knapp neun Liter auf der Runde. Eine Herausforderung.
Auf meiner Ausgangsrunde nach Mittag darf ich nun alle seine Tipps unter seiner Anleitung umsetzen: Beim Anfahren mit Vollgas den Lkw auf die jeweilige Höchstgeschwindigkeit bringen, dann mit sehr leichtem Gasfuß oder, noch besser, mit Tempomat die Geschwindigkeit halten und rechtzeitig in den Eco-Roll Modus umschalten, also Fuß vom Gas und rollen lassen. Es ist wirklich erstaunlich, wie weit ein Lkw rollt.

Jeder Lkw hat heute ein Navi und wenn das Navi sagt, in 200 Metern im Kreisverkehr die dritte Ausfahrt nehmen, dann kann ich, das habe ich gelernt, schon getrost den Fuß vom Gas nehmen. Eine Gruppe Radfahrer sorgt just dafür, dass ich bremsen muss, sonst hätte ich den Kreisverkehr locker mit auslaufendem Schwung genommen. Macht leider 0,2 Liter Diesel mehr. Und dann ist da noch die Rentnerin im Ort, die sich nicht entscheiden kann. Nochmal 0,2 Liter. Ja, da bin ich jetzt kleinlich. Denn am Ende der Runde ist klar: Ich bin mit 32,3 Minuten schneller unterwegs – und habe dabei nur 9,4 Liter verbraucht, das sind 33,57 Liter/100 km. Theoretisch hätte ich die neun Liter sogar geknackt. Wie auch immer: Für meinen Arbeitgeber wäre das eine erhebliche Einsparung. Die ganze Truppe der Teilnehmer kommt an diesem Tag auf eine Einsparung von zehn Prozent. Wenn das kein Argument ist.

Neue Förderrichtlinie zur Weiterbildung 2016 tritt in Kraft

Passend dazu wurde jetzt die Richtlinie des Bundesverkehrsministeriums über die "Förderung der Weiterbildung in Unternehmen des Güterkraftverkehrs mit schweren Nutfahrzeugen" im Bundesanzeiger veröffentlicht und tritt am 2. Mai 2016 in Kraft. Damit können die Unternehmen ab dem 2. Mai Förderanträge für Weiterbildungsmaßnahmen einreichen.

Wichtigste Änderungen im Vergleich zu 2015 sind:

  • Analog zur Mautpflichtgrenze wurde die Gewichtsgrenze für die Zuwendungsberechtigung auf 7,5 Tonnen gesenkt.
  • Praktische Übungen, beispielsweise zur Ladungssicherung und zum kraftstoffsparenden Fahren, sind nun förderfähig.
  • Kleine Unternehmen bekommen ab der neuen Förderperiode 70 Prozent, mittlere Unternehmen 60 Prozent und Großunternehmen 50 Prozent der zuwendungsfähigen Kosten gefördert. Bisher wurde zwischen kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) nicht differenziert. KMU sind Unternehmen, die weniger als 250 Personen beschäftigen und die entweder einen Jahresumsatz von höchstens 50 Millionen Euro erzielen oder deren Jahresbilanzsumme sich auf höchstens 43 Millionen Euro beläuft. Innerhalb der KMU sind kleine Unternehmen solche, die weniger als 50 Personen beschäftigen und deren Jahresumsatz beziehungsweise Jahresbilanz 10 Millionen Euro nicht übersteigt. Mit der Neuregelung wird der nach EU-Recht mögliche Förderrahmen voll ausgeschöpft. 

Anträge über das Bundesamt für Güterverkehr

Zwar können Anträge nur noch elektronisch über das Bundesamt für Güterverkehr (BAG) gestellt werden. Das heißt aber auch: Nahezu alle Frachtführer in Deutschland können ihren Fahrern endlich auch praktische Kurse ermöglichen. Denn, und das habe ich in meiner Recherche zum Schwerpunkthema Fahrermangel im FERNFAHRER Heft 6, das am 9. Mai erscheint, aus sehr vielen Gesprächen mit Unternehmern aber auch Fahrern herausgehört: Das Wissensniveau nach den ersten fünf Jahren der neuen Weiterbildung könnte unterschiedlicher nicht sein. Von einer Blockadehaltung spricht ein Kollege, von Fahrern, die heute keine Probezeit überstehen, weil sie die Regeln der Lenk- und Ruhezeiten immer noch nicht genau kennen, ein Chef. So bleibt zu hoffen, dass es in dieser zweiten Periode am Ende bessere Ergebnisse gibt – es bleiben immerhin noch vier Jahre Zeit. Ich persönlich kann nach einem Tag bei Mercedes-Benz nur sagen: Praxis lohnt sich. 

Ergängzung: Auf Grund von aufkommenden Fragen betone ich noch einmal, dass nicht die seit 2009 vorgeschriebene gesetzliche Weiterbildung, also die sogenannte Modulschulung, grundsätzlich gefördert wird sondern nur der praktische Anteil der Schulung. Denn der ist nicht gesetzlich vorgeschrieben. Das ist ein Kniff des BMVI, damit überhaupt eine teilweise Förderung möglich ist, nachdem die EU-Kommission die grundsätzliche Förderung nicht mehr erlaubt hatte. Das führt dann in letzter Konsequenz, je nach Antrag, doch wieder zu einer prozentualen Föderung der Module. Für die beiden Förderprogramme Ausbildung und Weiterbildung stehen für 2016 insgesamt 125 Millionen Euro bereit.
Ausführliche Informationen gibt es auf der Internetseite:
http://www.bmvi.de/Weiterbildung.

Download Förderrichtlinien für die Weiterbildung (PDF, 0,19 MByte) Kostenlos
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