Arbeitsbedingungen GLS am Pranger

Günter Wallraff, Augustine Frimpong, GLS Foto: RTL

Branchenverbände reagieren auf Günter Wallraffs Reportage mit harscher Kritik an der Unternehmenspolitik der Kep-Unternehmen.

Die von Günter Wallraff veröffentlichte Reportage sorgt bei Verbänden der Kurier-, Express- und Postdienste (Kep) für wenig Verwunderung. "Seit langem hat es System, dass Subunternehmer von den großen Paketdiensten massiv unter Druck gesetzt und Preise gedrückt werden", sagt die Vorsitzende des Bundesverbands der Transportunternehmen (BVT), Dagmar Wäscher. Der Preisverfall führe zu einem ruinösen Wettbewerb, der auf den Schultern der kleinen Subunternehmer ausgetragen werde. Die großen Unternehmen der Branche müssten damit beginnen, die Bedingungen für Subunternehmer zu verändern, fordert Wäscher. In den Veröffentlichungen Wallraffs sieht die BVT-Vorsitzende einen wichtigen Schritt, um das Meinungsklima zu Gunsten der Subunternehmen zu verändern.

BdKEP fordert Gütesiegel

Auch der Bundesverband der Kurier-Express-Post-Dienste (BdKEP) spricht sich für bessere Rahmenbedingungen aus. Hermes, DHL, DPD und GLS sind laut BdKEP Firmen, die ihr unternehmerisches Risiko auf Subunternehmen und Scheinselbstständige abwälzen und dabei ihren eigenen Erfolg maximieren. Das sei ein Problem, das nicht nur die KEP-Branche betreffe, sondern auch andere Bereiche, in denen große Konzerne agieren. Eine mögliche Abhilfe gegen prekäre Arbeitsverhältnisse bei Zustellern sieht der BdKEP in einem Gütesiegel. Das sogenannte Fair KEP-Siegel soll die Konzerne der Branche zur Einhaltung von Mindeststandards verpflichten, um das Fahrpersonal vor Arbeitsbedingungen zu schützen, wie sie Wallraff in seiner Reportage beschreibt.

GLS: Wallraffs Berichte sind einseitig

Auf die Anschuldigungen in Wallraffs Artikel reagierten die Geschäftsführer von GLS-Deutschland, Klaus Conrad und Saadi Al-Soudani, mit Bedauern. Die Berichterstattung Wallraffs sei einseitig. GLS verpflichte seine Transportunternehmen dazu, Fahrer in rechtskonformen, sozialversicherungspflichtigen Anstellungsverhältnissen zu beschäftigen. Dabei unterstütze das Unternehmen die regelmäßigen Kontrollen der zuständigen Behörden wegen möglicher Verstöße gegen geltendes Recht. GLS lege Wert auf eine partnerschaftliche Zusammenarbeit mit den Transportunternehmen, erklären die beiden Geschäftsführer und wenden sich damit gegen Wallraffs Kritik.

Der Journalist hatte sich für seine Reportage inkognito bei einem Subunternehmer von GLS anstellen lassen und mehrere Wochen als Zusteller gearbeitet. Dabei kam es laut Wallraff zu massiven Verletzungen des Arbeitszeitgesetzes. Einer seiner Zustellkollegen spricht von 70 Stunden Wochenarbeitszeit. Auch regelmäßige Verstöße gegen die Lenk- und Ruhezeiten erlebte Wallraff während seiner Recherche.

Dabei machten Fahrer aus Zeitdruck falsche Angaben im Kontrollblatt, um die gesetzlich vorgeschriebenen Pausen nach 4,5 Stunden Fahrzeit zu umgehen. Aus Zeitdruck müssen die Fahrer laut Wallraff auch Geschwindigkeitsbegrenzungen ignorieren. Anders seien die langen Touren innerhalb eines Arbeitstags nicht zu schaffen, äußerte Wallraffs Kollege Andy Fischer während einer Tour.

Wallraff: Heftige Strafen setzen Fahrer unter Druck

Der Druck auf die Fahrer entsteht laut Wallraff – neben der Menge an auszuliefernder Ware – durch eine Bußgeldregelung, die GLS Subunternehmen auferlegt. So koste eine verspätete Paketauslieferung beispielsweise 25 Euro. Fehlt die Unterschrift des Empfängers, zahlt der Fahrer 77 Euro, und 100 Euro kostet ein nicht abgeschlossener Transporter während der Zustellung – empfindliche Strafen bei einem Stundenlohn, den die Fahrer auf vier bis fünf Euro je Stunde beziffern.

Schwer wiegt die Anklage, die Wallraff gegen GLS erhebt, durch die Erkenntnisse aus einem verdeckt geführten Bewerbungsgespräch für eine Führungsposition in dem KEP-Konzern. Das Management des Paketdienstleisters wisse vom Umgang mit den Subunternehmen und die Risiken beim Transport würden bewusst auf die kleinen Unternehmen abgewälzt, erklärt Wallraff. Auch die Arbeitszeitverletzungen seien GLS bekannt. Zwölf Stunden tägliche Arbeit seien die Kalkulationsgrundlage für Angebote, die GLS bei Subunternehmen einholt. Kein Wunder also, dass diese Reportage Verbände auf den Plan ruft.

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