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Alternative Antriebe "E-Mobilität bietet echte Perspektiven"

Matthias Gastel, bahnpolitischer Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion Foto: STEFAN_KAMINSKI

Die Politik muss weitere Anreize setzen, um den Absatz von E-Fahrzeugen anzukurbeln. Das fordert der bahnpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Matthias Gastel. Er kann sich eine Mautbefreiung von Elektro-Lkw vorstellen.

Während E-Bikes boomen, tun sich Privatleute und Flottenbetreiber mit E-Autos noch sehr schwer. Hauptgrund dafür ist für Matthias Gastel, bahnpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, der hohe Anschaffungspreis. Gastel sieht die Bundesregierung in der Pflicht, entsprechende Anreize zu setzen, wie er im Gespräch mit trans aktuell-Redakteur Matthias Rathmann sagt.

trans aktuell: Herr Gastel, Sie sind seit einem Jahr im Bundestag und der bahnpolitische Sprecher Ihrer Partei. Wie schmeckt Ihnen die neue Tätigkeit bisher?

Gastel: Das breite Themenspektrum, in das ich mich mit viel Engagement gestürzt habe, bereitet mir Freude. Der Verkehrsausschuss ist der, in dem ich sitzen wollte. In 20 Jahren Kommunalpolitik hatte ich bereits einen verkehrspolitischen Schwerpunkt. Die Bahnpolitik ist nun mein Steckenpferd, außerdem bin ich für das spannende Thema Fernbusse zuständig, für die Nahmobilität und für den Teil des Lärmschutzes, der sich auf die Schiene bezieht.

Sie fahren zu Ihrem Wahlkreisbüro mit dem Fahrrad. Hat es einen Elektroantrieb?

Das ist ein normales Fahrrad. Doch zu Hause habe ich auch ein Pedelec. Ich nutze in erster Linie das herkömmliche Rad. Doch wenn ich zum Beispiel etwas eleganter gekleidet sein muss oder einen weiteren Weg habe, wähle ich lieber  das Fahrrad mit zusätzlichem Elektroantrieb.

Wie Ihr Beispiel zeigt, erfreut sich das E-Bike steigender Beliebtheit. Doch warum tun sich Privatleute und Firmen gleichermaßen mit dem E-Auto noch so schwer?

Dass es bei der E-Mobilität nicht so richtig vorangeht, hat sicherlich mit den abschreckend hohen Anschaffungspreisen zu tun. Es hat aber auch mit der eingeschränkten Reichweite der Akkus zu tun, wobei ich das häufig für eine Ausrede halte. Denn für die meisten Fahrten des Alltags reicht die einfach Ladung aus. Trotzdem ist die geringe Reichweite eine Schwelle. Daher muss die Entwicklung ­vorangehen. Doch damit die Entwicklung vorangeht, muss der Fahrzeugabsatz steigen. Dazu muss die Politik entsprechende Anreize setzen.

Welche könnten das sein?

Zum Beispiel ist es sinnvoll, wenn die Kommunen Parkraum vorhalten, der ausschließlich von Elektrofahrzeugen belegt werden darf. Wovon wir nichts halten, ist die Freigabe von Busspuren für E-Fahrzeuge. Die Busspuren gehören den Bussen. Sie sollen nicht durch andere Fahrzeuge blockiert werden, was zur Folge hätte, dass der ÖPNV verlangsamt wird.

Kostenlose Parkplätze für E-Autos sind ein eher softer Anreiz. Was ist mit handfesten Kaufanreizen?

Wir sind der Meinung, dass man das diskutieren sollte. Denn der hohe Anschaffungspreis ist die höchste Hürde, um auf das Elektroauto umzusteigen. Im Unterhalt sind die Fahrzeuge dagegen interessant, weil Strom deutlich günstiger als Diesel oder Benzin ist.

Doch grün sind E-Autos nur, wenn auch der Strom alternativ erzeugt wurde ...

Stimmt. Doch in Zusammenhang mit erneuerbaren Energien erwirtschaften wir immer öfter Überschüsse. Wenn es gelänge, diese Überschüsse eines Tages für Mobilitätszwecke einzusetzen, statt sie zu vergeuden, hätten wir einen Riesensprung hin zu einer umweltfreundlichen Mobilität gemacht. Insofern bietet die E-Mobilität echte Perspektiven.

Und welche Perspektiven sehen Sie im gewerblichen Bereich?

Im Verteilerverkehr sehe ich ebenfalls gute Chancen. Die kurzen Wege oder das häufige An- und Abfahren – mit der Möglichkeit, Energie zurückzugewinnen –, sind gute Argumente für reine Elektro- oder Hybridantriebe. Das Interessante ist doch, dass es zum Beispiel für das Ausfahren von Milch oder Paketen schon vor rund 100 Jahren elektrische Transportlösungen gegeben hat. In dem Bereich könnte der Elektroantrieb eine Renaissance erleben.

Müsste es auch für den E-Lkw Anreize geben, etwa in Form einer Mautbefreiung wie in der Schweiz?

Bei der Gegenüberstellung der bisherigen Lkw-Maut mit der geplanten Pkw-Maut gibt es viele Widersprüche. Einer davon ist, dass elektrisch angetriebene Pkw von der Maut befreit werden sollen, elektrisch angetriebene Lkw aber nicht. Wir brauchen auch im Schwerverkehr weitere Anreize für einen Ressourcen schonenden Transport. Dazu kann gehören, dass Elektro-Lkw von der Maut ausgenommen werden.

Sie sprechen Ungereimtheiten bei der Pkw-Maut an. Glauben Sie, dass diese in der geplanten Form umgesetzt werden kann?

Noch haben wir ja keinen Gesetzentwurf zur Pkw-Maut. Ich habe ohnehin meine Zweifel, ob wir jemals einen Gesetzentwurf sehen werden und ob dieser dann allzu lange Bestand haben wird. Selbst wenn die Pkw-Maut nicht von der EU-Kommission kassiert würde, brächte sie viel zu geringe Einnahmen. Die 600 Millionen Euro im Jahr, von denen Minister Alexander Dobrindt spricht, sind zum einen schöngerechnet und zum anderen mit einem gigantischen bürokratischen Aufwand erkauft. Übrig bliebe letztlich bestenfalls der Betrag hinter dem Komma, den man bräuchte. Erforderlich sind laut der Daehre- und Bodewig-Kommission jährlich 7,2 Milliarden Euro für den Erhalt.

Sind auch die Grünen für die Nutzerfinanzierung?

Wir Grünen stehen zur Nutzerfinanzierung. Nicht, weil wir abkassieren wollen. Sondern, weil wir sehen, dass, egal wer regiert, das Geld für die Instandhaltung der Verkehrswege nicht ausreicht. Vor allem, was die Brücken angeht, besteht erheblicher Sanierungsbedarf. Wenn diese für den Schwerverkehr gesperrt werden, heißt das schnell mal: 100 Kilometer Umwege fahren. Wenn wir das vermeiden wollen, müssen wir deutlich mehr Geld in die Hand nehmen.

Doch Sie würden eine Pkw-Maut anders umsetzen?

Definitiv. Die Grünen-Fraktion hat sich neulich das Toll-Collect-System angeschaut. Es arbeitet präzise und lässt so gut wie kein Fahrzeug durch. Das könnten wir uns durchaus als einen möglichen Ansatz vorstellen. Außerdem wäre dieses System fairer: Es würden alle bezahlen – aber jeweils nur in dem Umfang, wie sie die Verkehrswege nutzen. Das System wäre auch mit dem der Lkw-Maut kompatibel, wir bräuchten also kein Parallelsystem. Wir hätten aber einen längeren Vorlauf und müssten auch noch das eine oder andere Datenschutzthema lösen.

BAHN BENACHTEILIGT

Der bahnpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Matthias Gastel, kritisiert eine Benachteiligung der Bahn gegenüber dem Lkw. Diese Schieflage sei durch Kombination der EEG-Reform mit den neuen Sätzen für die Lkw-Maut infolge des neuen Wegekostengutachtens entstanden. "Die Mautsätze für schwere Lkw sinken, während der Transport von Gütern auf der Schiene teurer wird", bemängelt Gastel. Dadurch werde die Akzeptanz der Bahn für Gütertransporte weiter sinken. Bisher zahlten Güterbahnen im Schnitt elf Prozent EEG-Umlage, künftig sollen es 20 Prozent sein. "Wir reden hier jedes Jahr über 70 bis 80 Millionen Euro", erläutert Gastel. "Alle wollen mehr Güter auf der Schiene sehen. In der Praxis erleben wir allerdings genau das Gegenteil."

ZUR PERSON

Matthias Gastel (Bündnis 90/Die Grüne) ist seit dieser Legislaturperiode Mitglied des Deutschen Bundestags. Der gebürtige Stuttgarter vertritt dort den Wahlkreis Nürtingen/Filder. Der 43-Jährige gehört dem Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur an und ist bahnpolitischer Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion. Zuvor war der Grünen-Politiker rund 20 Jahre kommunalpolitisch aktiv. Vor seiner Wahl in den Bundestag war Gastel seit 2006 zunächst als selbstständiger Personaldienstleister und seit 2012 als selbstständiger Wirtschaftsmediator und Praxislehrer für angehende Erzieherinnen und Erzieher tätig. Der Schwabe studierte nach einer Ausbildung zum Groß- und Außenhandelskaufmann Sozialpädagogik und Betriebswirtschaftslehre. In seiner Freizeit bewegt er sich gern in der Natur, fährt Fahrrad und liest.

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