70 Jahre Freightliner Nimm´s leicht

70 Jahre Freightliner, Das Modell 600 Foto: Freightliner 5 Bilder

Hervorgegangen aus einem Transportunternehmen, gehört Freightliner heute zum Daimler-Konzern. Als Teil von Daimler Trucks of North America betreibt der Hersteller ganz andere Geschäfte als noch zur Gründerzeit vor 70 Jahren.

Pioniergeist wird großgeschrieben in Ame­rika. Gibt es den Lkw der Träume nicht, dann legt man eben selbst Hand an. So verfuhr zumindest der junge Trucker Leland James, der bereits 1929 das Transportunternehmen Consolidated Freight Lines gegründet hatte. Ihm stand der Sinn nach Neuem, denn er war auf Nutzlast aus. Ein Fageol (1916 gegründeter kalifornischer Lkw-Hersteller, später von Peterbilt übernommen) des Baujahrs 1930 mit Sechszylindermotor von Cummins hatte die Ehre, von nun an wegweisend zu wirken. Rund 20 solcher Lkw entstanden von 1937 bis 1939.

Ganze Gruppe von Ingenieuren bastelten an Prototypen

Diese Erstlinge waren für James’ Geschmack aber immer noch zu schwer. So kam es, dass er ab 1939 gleich eine ganze Gruppe von Ingenieuren an Prototypen basteln ließ. Zehn Pilotmodelle waren ab August 1940 aufgelegt, die den etablierten Herstellern zeigen sollten, was ein kurz bauender COE (Cab Over Engine) taugt. Ein Name für die neuen Lkw war schnell gefunden. Freight-Liner prangte bereits im Dezember 1940 erstmals auf einem der Alu-Kühlergrills, ab Sommer 1941 schrieb sich die Marke dann – ohne Bindestrich – Freightliner. Der offizielle Start als Lkw-Hersteller datiert schließlich auf 1942. Im Zweiten Weltkrieg aber beschlagnahmten die Behörden schon bald sämtliches Aluminium der Fabrik im Staat Utah. Aus Mangel an Material und Arbeitern musste Freightliner die Pforten im Jahr 1944 gar schließen.

Der Neustart nach dem Krieg fand in Portland an der Ostküste statt. Zwei Basismodelle produzierte White-Freightliner zu Beginn der 50er-Jahre: zum einen den WF-42 als zweiachsige Sattelzugmaschine, der zwei 24-Fuß-Trailer ziehen konnte und dabei innerhalb des im Westen zumeist auf 60 Fuß beschränkten Längenlimits blieb. Zum anderen den dreiachsigen Pritschenwagen WF-64, der in der Regel einen 22 Fuß langen Aufbau bekam und einen 28-Fuß-Deichselanhänger im Schlepp hatte.

In den 60er-Jahren erreichte Freightliner dreistelligen Produktionszahlen

Die Werbung führte ins Feld, dass dem Frächter damit rund 1.300 Kilogramm mehr Nutzlast zur Verfügung stünden als mit Standard-Lkw. Die Verkäufe erreichten 1952 insgesamt 251 Einheiten. Dreistellige Produktionszahlen erreichte Freightliner dann aber erst in den 60er-Jahren. Da begann das Geschäft zu brummen, weil die Nachfrage nach nutzlaststarken und besonders kurz bauenden Lkw stark zunahm. Der erste ­offizielle Hauber des Hauses – Freightliner Long Conventional genannt – feierte in den 70ern seinen Einstand.  Das böse Erwachen kam 1975, als extrem hohe Zinsen, beachtliche Inflation und der Schock der Ölkrise das Ihre dazu beitrugen, die Verkaufszahlen um erschreckende 67 Prozent in den Keller sausen zu lassen.

Bis dahin war das Unternehmen bei Service und Vertrieb eng an den US-Hersteller White gebunden. Jetzt stellte es sich vollkommen auf eigene Füße. Die wirtschaftliche Lage aber verschlechterte sich zusehends. Im Jahr 1981 stieg schließlich Daimler-Benz bei Freightliner ein (siehe Kasten). Europäisches Know-how zeigte sich bei Freightliner zuerst im Design, bei dem das Sindelfinger Designteam mit Hand anlegte. Frischen wirtschaftlichen Wind brachte dann die Verabschiedung des U.S. Surface Transportation Assistance Act zu Beginn des Jahres 1983, der die Deregulierung des Transportmarkts vorantrieb. Es gab dann einen tief greifenden Modellwechsel sowohl bei Haubern als auch bei Frontlenkern. Freightliner florierte. Just zum 50. Geburtstag des Unternehmens anno 1992 hatte sich Freightliner als Nummer eins bei den Schweren etabliert hatte.

Der aerodynamisch optimierte Hauber der Cascadia-Reihe

Heute bedient Freightliner den Flottenmarkt in der schweren Klasse mit den aerodynamisch optimierten Haubern der Cascadia-Reihe und ist bei leichteren Kalibern aktiv bis hinab in die Klasse 4 (rund 6,4 Tonnen Gesamtgewicht). Für die amerikanischen Owner Driver mit rustikalerem Geschmack hält Freightliner die etwas klassischer ausgeführte Coronado-Reihe parat, die aber keinen leichten Stand hat. Denn noch kantiger treten die traditionellen Hauber des Schwesterunternehmens Western Star an, das ebenfalls zum Daimler-Verbund gehört.

Vor allem via Freightliner treibt Daimler Trucks of America dieser Tage die Abkehr vom herkömmlichen amerikanischen Komponenten-Truck voran. Zu 95 Prozent wird der Cascadia heute schon mit Motoren von Detroit Diesel ausgeliefert (seit 2000 ganz zum Konzern gehörig). Um noch mehr Komponenten – vor allem Getriebe und Achsen –  aus dem eigenen Baukasten unterzubringen, hat Daimler dort jüngst die Marke Detroit aus der Taufe gehoben.

Sie soll weitere Skaleneffekte bringen. Ganz wie Leland James einst mit Freightliner geht‘s  jetzt ein weiteres Mal an Pioniertaten, wenn auch europäisch angehaucht. "Wir werden der erste Hersteller im Nafta-Raum sein", kündigte Daimler-Trucks-Boss Andreas Renschler kürzlich auf der Mid American Truck Show an, "der in seinen Fahrzeugen den kompletten Antriebsstrang aus eigener Produktion anbietet."

Irrungen und Wirrungen

Freightliner schloss Mitte des Jahres 1978 ein Abkommen mit Volvo, um leichtere Lkw der Klassen 6 und 7, aber auch schwere Schweden aus der Klasse 8 in Amerika anbieten zu können. Doch ging die White Motor Corporation bald bankrott und daraufhin in den Besitz von Volvo über. Im Gegenzug hatte Daimler-Benz nun aber Interesse an Freightliner bekundet. Mit der Marke Mercedes war Daimler-Benz als "Mercedes-Benz of North Amerika" bereits seit 1965 in den Klassen 3 bis 7 in der Neuen Welt vertreten. Die schweren Lkw von Freightliner (also Klasse 8) boten sich als ideale Ergänzung an. Am 5. Mai 1981 kündigten die beiden Unternehmen dann an, dass die Daimler-Benz AG das Unternehmen Freightliner für 260 Millionen Dollar übernehmen werde. Einer der entscheidenden Schritte zur heutigen Globalität war damit getan.

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