ZF Services-Chef Helmut Ernst im Gespräch Rollende IP-Adresse

Foto: ZF-Services

Helmut Ernst, Vorsitzender der Geschäftsleitung von ZF Services, über die Bedeutung der Digitalisierung für den Aftersales-Bereich.

Der Zusammenschluss der Aftermarket-Einheiten von ZF und TRW dürfte aktuell eine der größten Herausforderung für das Unternehmen sein, oder?

Es ist eine Herausforderung, aber nicht die größte. Die Kundenstruktur wie auch das Produktportfolio ergänzen sich in den meisten Fällen. Da es wenige Überlappungen gibt, wachsen wir also nicht in einer Konkurrenzsituation zusammen, sondern die beiden Bereiche ergänzen sich perfekt.

Was ist dann für ZF Aftermarket die größte Herausforderung?

Hier sind zwei Aufgabenfelder zu nennen. Das sind zum einen die Änderungen, die sich im Markt insgesamt ergeben, sowie zum anderen die Digitalisierung der Branche. Sie wird völlig neue Wartungsstrukturen mit sich bringen. Es ändert sich beispielsweise, wer an welcher Stelle über eine Wartungsarbeit entscheidet.

Und inwiefern wird die Digitalisierung das Geschäft von ZF Services verändern?

Die Einführung des automatischen Notrufsystems eCall, das im März 2018 zur Pflicht in neuen Pkw und leichten Nutzfahrzeugen wird, hat diesen Prozess maßgeblich angestoßen. Künftig haben alle diese Fahrzeuge Telematik-Funktionalitäten mit an Bord. Die Hersteller können über dieses System beispielsweise auch Wartungsbedarfe eines Fahrzeugs ermitteln. An dieser Schnittstelle hat der Aftermarket insgesamt und damit auch wir als Aftermarket-Organisation eines großen Zulieferers starkes Interesse: Hier darf es keine Monopolisierung der Wartungsarbeiten zugunsten des jeweiligen Fahrzeugherstellers geben.

Präventive Diagnose inklusive automatisierter Ersatzteilbestellung und Werkstattbuchung werden möglich. Welche Produkte wollen Sie über die Telematik anbieten?

Aktuell umfasst die Angebotspalette Speziallösungen für Bus und Nutzfahrzeuge, wie Flottenmanagement, Online-Diagnose, Softwareupdate over the Air, Logistikmanagementkonzepte und vieles mehr. Dabei handelt es sich zum einen um allgemein angebotene Anwendungen, aber auch um Lösung exklusiv für die jeweiligen Kunden. Im B-to-B-Bereich sind vorbeugende Wartungsprozesse mit gekoppelter Teilebereitstellung bereits vereinzelt im Einsatz. Das wird mehr und mehr nachgefragt werden, da es ein Wettbewerbsvorteil ist, den sich kein Spediteur auf Dauer entgehen lassen wird. Das wird aber den Reparaturprozess nicht grundsätzlich verändern, da mit Blick auf Total Cost of Ownership im professionellen Bereich schon immer auf optimierte Prozesse geachtet wurde.

Diese Herausforderung gilt es auch für schwere Nutzfahrzeuge zu lösen – hier sind Telematiksysteme, die eine Vielzahl von Fahrzeugdaten nutzen, ohnehin schon weit verbreitet.Diese Fahrzeuge sind tatsächlich heute schon nahezu alle vernetzt. Damit sind Fahrzeugzustand, Wartungsbedarf, Verbrauch und mehr bekannt – aber auch welche Ladung an Bord ist, wer Versender und Empfänger ist. Das Fahrzeug ist damit eine rollende IP-Adresse und in permanentem Zugriff. Der Flottenbetreiber kann Logistik und Fahrzeugbetrieb daher optimal aufeinander abstimmen. Steht beispielsweise zu einer bestimmten Zeit eine Wartung an, lässt er das Fahrzeug dann warten, wenn es sich ohnehin in der Nähe der bevorzugten Werkstatt befindet.

Das ist sicherlich auch der Grund, warum der Telematikbereich Openmatics nun Teil von ZF Aftermarket wird?

Genau. Openmatics wurde einst gestartet, um in Bussen ein WLAN-System bereitzustellen. Es folgte sehr schnell der Auf- und Ausbau der Flottenmanagement-Funktionalität. Nun gehen wir in den Lkw-Bereich, um dort Flotten- und Logistikmanagement anzubieten. Neu ist jetzt, dass wir einen "Bluetooth-Low-Energy-Daten-Receiver" bereitstellen. Bisherige Sensoren haben nur stumpf eine Nummer abgegeben, der Logistik-Tag dagegen ist in der Lage, Daten wie die Temperatur eines Ladeguts während der gesamten Logistikkette bereitzustellen. In der Vergangenheit musste man erst in die Kiste schauen, um beispielsweise zu wissen, ob die Ladung angetaut ist. Das ist nun nicht mehr nötig.

Es ist davon auszugehen, dass die Fahrzeughersteller ihre eigenen Telematiksysteme schützen werden und nicht alle Fahrzeugdaten preisgeben. Wie können sich die Systeme dritter Anbieter wie Openmatics behaupten?

Der Markt ist ziemlich groß. Noch hält kein Unternehmen derart große Marktanteile, dass man von einer Sättigung sprechen könnte.

Und dennoch werden die OEMs nicht alle verfügbaren Daten preisgeben. Anders formuliert: Wem gehören die Daten der rollenden IP-Adresse?

Es gibt nur noch wenige Ein-Marken-Fuhrparks. Daher gibt es einen großen Bedarf für offene Telematiksysteme, die noch dazu nicht herstellergebunden sind. Der Betreiber einer gemischten Flotte benötigt eine einheitliche Telematiklösung, die mit allen Marken kommunizieren kann. Wir haben zudem Zugriff auf eine ausreichende Menge an Daten. Und wenn Lkw bislang noch überhaupt nicht mit einem Telematiksystem ausgerüstet sind, so lassen sie sich mit unserer Lösung nachrüsten.

Sind Sie zufrieden mit der Menge an Daten, die Openmatics zur Verfügung steht?

Wir sind nie zufrieden. Aber der Spatz in der Hand ist besser als die Taube auf dem Dach. Es ist besser, mit dem vorhandenen Datenbestand von vielleicht 90 Prozent anzufangen, als nach einer 110-prozentigen Lösung zu streben, aber deswegen womöglich zu spät in den Markt zu gehen. Und selbst die großen Fahrzeugmarken haben uns starkes Interesse an unserer Logistiklösung signalisiert.

Nach den Vorteilen für Fahrzeugbetreiber – welche können Servicemitarbeiter durch die Digitalisierung genießen?

Im ersten Schritt reichen der Werkstatt ein Internetzugang und eine Cloud-basierte Lösung. Dort liegen sämtliche Informationen für die Werkstatt bereit, sobald sie sich für den Dienst freischalten lässt. Sie sieht dann beispielsweise die Standorte der von ihr betreuten Lkw, den Zustand der Fahrzeuge, und aus der Ferne lassen sich Fehler detektieren. Der Schulungsaufwand ist gering, um sich diesen Nutzen zu erschließen.

Wie zufrieden sind Sie mit dem Gemeinschaftsunternehmen Alltrucks, das ZF mit Bosch und Knorr-Bremse als Werkstattkonzept betreibt?

Zugegeben, der Start war etwas verhalten. Gerade in den vergangenen zwölf Monaten hat Alltrucks aber deutlich Fahrt aufgenommen. Die Gesellschafter werden Alltrucks in die Zukunft führen, darin sind wir uns einig. Wir überlegen aktuell, wie wir das Konzept noch attraktiver machen können, damit wir noch mehr qualifizierte Partner gewinnen.

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