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Wöchentliche Ruhezeiten Hohe Strafen bei Verstößen

HOhe-strafen-bergrath Foto: Jan Bergrath

Juristisch betrachtet, ist das neue deutsche Verbot, die regelmäßige wöchentliche Ruhezeit im Lkw zu verbringen, eine Fiktion. Die hohen Strafen sind allerdings sehr real.

Das Verbot ist klar: "Im Falle von Satz 1, Nummer 2, sorgt der Unternehmer auch dann nicht dafür, dass die regelmäßige wöchentliche Ruhezeit nach Artikel 8, Absatz 6, eingehalten wird, wenn diese im Fahrzeug oder an einem Ort ohne geeignete Schlafmöglichkeit verbracht wird." So steht es im Änderungsgesetz zum deutschen Fahrpersonalgesetz, das der Deutsche Bundesrat am 31. März 2017 beschlossen hat. Sobald es im Bundesanzeiger veröffentlich ist, tritt es in Kraft. Also frühestens im Mai, spätestens im Juni. Dann dürfen auch in Deutschland BAG und Polizei kontrollieren, was in Belgien bereits seit 2014 möglich ist. Mögliche Probleme bei der Auslegung des Gesetzes behandelt der Blog "Getrennte Welten". Das neue Gesetz sei juristisch gesehen eine Fiktion, erklärt der Fachanwalt für Verkehrsrecht, Matthias Pfitzenmaier.

Eine juristische Fiktion ist es beispielsweise, wenn eine gelbe Ampel im Sinne des Gesetzes als rot gilt. Dann ist sie rot, obwohl sie eigentlich gelb ist. "Es geht dann nicht mehr um inhaltliche Dinge", sagt Pfitzenmaier. "Hier ist also der Aufenthalt im Lkw während der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit laut des neuen Gesetzes keine frei verfügbare Zeit und daher eben auch keine Ruhezeit."

Berechnung der Bußgeldhöhe ist umstritten

Das Problem dabei: Während Belgien einen Straftatbestand geschaffen hat, der den Unternehmer verpflichtet, eine Strafe von 1.800 Euro bei einem Verstoß gegen die regelmäßige wöchentliche Ruhezeit zu bezahlen, wird dieser Verstoß in Deutschland als Ordnungswidrigkeit geahndet, bei der sowohl Fahrer als auch Unternehmer bestraft werden. der deutsche Gesetzgeber hat sich nämlich dafür entschieden, den Bußgeldtatbestand in Art. 8, Abs. 6, der VO (EG) 561/2006 anzusiedeln. Dort ist geregelt, dass der Fahrer in zwei jeweils aufeinanderfolgenden Wochen eine regelmäßige Ruhezeit von 45 Stunden zu nehmen hat. "Verbringt der Fahrer diese Ruhezeit im Lkw oder ohne eine geeignete Schlafmöglichkeit, dann wird diese bußgeldrechtlich so bewertet, als würde der Fahrer in dieser Zeit fahren, beladen oder eine andere Tätigkeit ausüben."

Andere Experten halten hierbei die Beweisführung für schwierig. Denn sollte der Fahrer seine Fahrerkarte am Wochenende im Lkw lassen, wären bei einer späteren Kontrolle 45 Stunden Ruhezeit dokumentiert. Das werden wohl die Gerichte klären müssen. Bei der bestrafung greift vorerst die laufende Nummer 111 aus dem Bußgeldkatalog zum Fahrpersonalrecht. Strittig ist auch die Berechnung der Bußgeldhöhe. "Meines Erachtens ist die gesamte Zeit, die sich der Fahrer im oder am Lkw aufhält, nicht als Ruhezeit zu bewerten", sagt Pfitzenmaier. Das würde dazu führen, dass bei Unterschreiten der Mindestdauer von einer bis zu neun Stunden je angefangener Stunde 30 Euro für den Fahrer anfallen. Bei Unterschreiten von mehr als neun Stunden sind für den Fahrer pro angefangener Stunde 60 Euro fällig. Unternehmer sind ab der ersten Stunde mit 90 Euro pro angefangener Stunde dabei und bei Unterschreiten von mehr als neun Stunden mit jeweils 180 Euro.

Nachweisbarkeit ist schwierig

Im schlimmsten Fall müsste der Fahrer also mit einem Bußgeld von 2.430 Euro rechnen, wenn er das gesamte Wochenende auf dem Parkplatz im Fahrzeug verbringt, der Unternehmer mit 7.290 Euro. "Ob der Tatbestand nur für die 21 Stunden angewendet wird, die über der verkürzten Wochenendruhezeit liegen, ist offen", sagt der Anwalt. Die Nachweisbarkeit ist schwierig. "Hat der Fahrer seine Pause im digitalen Tacho dokumentiert, dann fällt im Nachhinein der Verstoß gegen die neuen Bußgeldvorschriften nicht auf. Hier könnte eine effektive Kontrolle im Nachhinein nur dann erfolgen, wenn die Verpflichtung des Fahrers oder des Unternehmers bestünde, die jeweilige Übernachtung oder das Verbringen der Ruhezeit zu dokumentieren. Das ist von Gesetzes wegen bislang nicht vorgesehen."

Dieser Artikel stammt aus diesem Heft
FF 06 Titel
FERNFAHRER 06 / 2017
2. Mai 2017
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FERNFAHRER 06 / 2017
2. Mai 2017
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