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Wöchentliche Ruhezeit Verbot ist kaum zu ahnden

Wochenende Ruhezeit Lkw-Fahrer Foto: Jan Bergrath

Deutschland hat es auch getan – und ein Verbot der Verbringung der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit im Lkw verhängt. Allerdings könnte die deutsche Regelung Probleme bei der Ahndung nach sich ziehen.

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) und die meisten deutschen Verbände wollten eigentlich eine europäische Lösung. Wie die aussieht, ist seit der Präsentation des Mobilitätspaketes von EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulc in Brüssel bekannt: Die Verbringung der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit im Lkw soll tatsächlich verboten sein, die Fahrer sollen spätestens nach drei Wochen in die Heimat zurückkehren. Ob dieser Vorschlag durch Parlament und Rat kommt, ist offen. Insider rechnen damit, dass eine Änderung der Verordnung frühestens 2019 in Kraft treten könnte.

So lange wollte der Verkehrsausschuss unter der Führung der SPD-Fraktion nicht warten und hat nun über den Deutschen Bundestag jene Ergänzung im Fahrpersonal durchgesetzt, die bei der Ahndung Probleme machen wird. Denn wie so oft macht Deutschland kompliziert, was anderswo viel einfacher gelingt. Das wird an zwei Sätzen deutlich, die das wochenlange Nomadentum vor allem von Fahrern aus Osteuropa verhindern sollen – der eine Satz ist kurz und eindeutig, der andere lang und kompliziert: "Die bei der Kontrolle erforderliche regelmäßige wöchentliche Ruhezeit wurde im Fahrzeug verbracht." So heißt es in einem Satz in einem königlichen Erlass vom November 2014 in Belgien, das die Verbringung der Ruhezeit konsequent kontrolliert.

Angezeigt werden dort Fahrer, die über mehrere Wochen unterwegs sind. Mit einem Bußgeld von 1.800 Euro belegt aber wird nur der Unternehmer. Das Verbot bezieht sich auf Artikel 8, Absatz 8 (Verbringung der Ruhezeit im Lkw), und den Artikel 10, Absatz 2 (Haftung von Verkehrsunternehmen), der VO (EG) 561/2006. Denn es ist der Unternehmer, der die Touren des Fahrers so plant, dass dieser sich nicht an die Verordnung halten kann.

Der andere Satz kommt aus Deutschland und steht in der Ergänzung zum deutschen Fahrpersonalgesetz, die am 25. Mai 2017 in Kraft getreten ist: "Im Falle von Satz 1, Nummer 2, sorgt der Unternehmer auch dann nicht dafür, dass die regelmäßige wöchentliche Ruhezeit nach Artikel 8, Absatz 6, eingehalten wird, wenn diese im Fahrzeug oder an einem Ort ohne geeignete Schlafmöglichkeit verbracht wird." Eine fast identische Formulierung gilt für den Fahrer.

Bis zu 2.300 Euro Bußgeld für den Fahrer, 8.000 Euro für den Unternehmer möglich

Das deutsche Dilemma: Der zugrunde liegende Artikel 8 (8) ist im deutschen Bußgeldkatalog zum Fahrpersonalgesetz nicht zu finden. Daher sollte in der Praxis die laufende Nummer 111 als Grundlage für das Bußgeld herangezogen werden. Sie bezieht sich allerdings auf den Artikel 6 der VO (EG) 561/2006 und damit auf die Reihenfolge, wie Fahrer ihre regelmäßigen und reduzierten Ruhezeiten nehmen können. Das hätte Bußgelder in konsequenter Auslegung des Bußgeldkataloges von bis zu 2.700 Euro für den Fahrer und bis zu 8.000 Euro für den Unternehmer bedeutet.

Dazu hat das Bundesamt für Güterverkehr (BAG) bereits Stellung bezogen: "Der Tatbestand mit der laufenden Nummer 111 kommt zur Anwendung, wenn die vorgeschriebene Ruhezeit unterschritten wird. Die jüngste Anpassung des Fahrpersonalgesetzes hingegen knüpft an das Verbringen der Ruhezeit am ‚falschen’ Ort an und qualifiziert dies als Ordnungswidrigkeit. Für eine Ahndung kann der Tatbestand mit der laufenden Nummer 111 daher nicht herangezogen werden."

Neuer Tatbestand für geringere Bußgelder erstellt

Aus diesem Grund hat die für Anpassungen des bundeseinheitlichen Tatbestandskatalogs zuständige Bund-/Länder-Arbeitsgruppe einen neuen Tatbestand erstellt, der Bußgelder in Höhe von 500 Euro (Fahrer) und 1.500 Euro (Unternehmer) vorsieht, wenn die regelmäßige wöchentliche Ruhezeit im Fahrzeug oder an einem Ort ohne geeignete Schlafmöglichkeit verbracht wird. Bis eine abschließende Abstimmung mit den zuständigen Landesbehörden und eine förmliche Anpassung des Bußgeldkatalogs erfolgt sind, sollen sich Polizei und BAG an diesen Bußgeldsätzen orientieren. Für die nächsten drei Monate wird zunächst Aufklärung der Fahrer betrieben, ohne Ahndung. Die wäre laut Matthias Pfitzenmaier, Fachanwalt für Verkehrsrecht aus Heilbronn, auch nicht wirksam: "Wenn die Ziffer 111 keine Anwendung findet und erst noch ein Bußgeldtatbestand geschaffen werden muss, kann es mangels Strafvorschrift ja zumindest bislang auch keine Strafe geben."

Der größere Knackpunkt ist aber der Zusatz mit dem "Ort ohne geeignete Schlafmöglichkeit". Das sei, so argumentiert ein Verbandsanwalt, gegen den in Artikel 103 Abs. 2 Grundgesetz verankerten Bestimmtheitsgrundsatz. Danach kann eine Tat nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. Dies gelte auch für das Ordnungswidrigkeitenrecht (BVerfGE 81, 132/135).

Wissen, was verboten ist

Artikel 103 enthält zum einen ein Rückwirkungsverbot, zum anderen ein Analogieverbot. Schließlich stellt er Anforderungen an die auch sprachliche Ausgestaltung einer Norm (Bestimmtheitsgrundsatz): Der Betroffene soll von vornherein wissen können, was konkret verboten ist, damit er in der Lage ist, sein Verhalten entsprechend einzurichten.  Daran fehle es aber bei dem Tatbestandsmerkmal der "geeigneten Schlafmöglichkeit". Das Gesetz selbst liefert keinen Anhaltspunkt, was darunter – noch oder schon – zu verstehen ist. Mit anderen Worten: Der Fahrer muss auch nicht nachweisen, wo er vorher war, er muss auch keine Hotelbelege mitführen, und er kann, wenn überhaupt, am Ende nur auf frischer Tat in seinem Lkw ertappt werden. So wie es eben in Belgien im Erlass steht. Letzten Endes wird das aber nur ein deutsches Gericht klären können.

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