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Wie Wandt dem Fahrermangel begegnet Nur 2,5 Prozent der Fahrer sind unter 25

Wandt Spedition MAN 25 Jahre bei Wandt links Thomas Tomaszewski, rechts Ingo Seekircher Foto: Wandt Spedition

Bei der Wandt Spedition setzt die Unternehmensführung auf erfahrene Mitarbeiter und bildet zugleich den Nachwuchs aus.

Was für ein grandioses Lob vom Chef. "Beide sind Top-Leute", sagt Gerhard Wandt, Geschäftsführer der gleichnamigen Spedition aus Braunschweig. "Sie fahren bundesweiten Güterfernverkehr, hauptsächlich Getränke und Automotive. Sie verursachen keine Schäden, beherrschen das vorausschauende Fahren, pflegen ihre Fahrzeuge und sind immer ein Vorbild für unsere anderen Fahrer, besonders für unsere Auszubildenden", sagt der Spediteur.

Das Lob gebührt seinen beiden Berufskraftfahrern Thomas Tomaszewski (45) aus dem Harz und Ingo Seekircher (42) aus Braunschweig. Und damit nicht genug: "Wie uns vonseiten der Kundschaft immer wieder bestätigt wird, haben sie ein sehr angenehmes Auftreten, gepaart mit Hilfsbereitschaft. Wir sind wirklich froh, dass wir uns damals für sie entschieden haben."

Es ist der 1. August 1992. Es ist noch nicht allzu lange her, dass die Mauer zur DDR gefallen ist. Viele Fahrer aus den neuen Bundesländern versuchen ihr Glück bei Speditionen in Westdeutschland. Eigentlich ein Füllhorn. Eines, das vielleicht nie geleert sein würde, hofften manche Unternehmer. So wie es einige wohl auch über die Bundeswehr als ewige Quelle für junge Männer mit Lkw-Führerschein der damaligen Klasse II gedacht haben. Rückblickend gesehen allerdings ein Trugschluss.

Wer sich nicht darauf verließ, war die Wandt Spedition. Bereits seit 1979 bildet sie Fahrer aus. Und daher beginnen vor genau 25 Jahren zwei junge Männer bei Wandt ihre Ausbildung zum Berufskraftfahrer: Thomas Tomaszewski und Ingo Seekircher. Sie haben, aus heutiger Sicht, die richtige Wahl getroffen, denn sie sind bei einem, wie es die IHK-Braunschweig vor drei Jahren beim 75-Jahr-Jubiläum von Wandt schreibt, "bodenständig-hanseatisch" geführten Unternehmen untergekommen.

Zu dieser Zeit wurde es in der zweiten Generation von den Brüdern Adalbert, dem amtierenden Präsidenten des Bundesverbands Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL), und dem drei Jahre jüngeren Gerhard Wandt sehr arbeitsteilig geführt. "Gerhard Wandt ist eher der Innen­minis­ter mit der täglichen operativen Verantwortung vor Ort", heißt es. "Adalbert Wandt ist der Außen­minis­ter, der die Dinge mit seinem Bruder gut abspricht, die Geschicke lenkt und die Zeit gleichzeitig für ein über das eigene Unternehmen hinausgehendes gesellschaftliches Engagement nutzt."

25 Azubis dabeigeblieben

Es war der BGL, beziehungsweise dessen Vorläuferorganisation BDF, der sich in den 1970er-Jahren erfolgreich für eine anerkannte Ausbildung für den Fahrerberuf einsetzte. Von 1974 bis 2001 dauerte die Ausbildung noch zwei Jahre, danach wurde sie, ebenfalls auf Initiative des BGL, auf drei Jahre verlängert. "Sogar unser erster Auszubildender, Bernd Rodenstein, ist heute noch bei uns", berichtet Gerhard Wandt, der sich heute mit seinem Sohn Anthony und seiner Tochter Aline in der Spedition die Verantwortung teilt. "Rückblickend haben wir in dieser Zeit rund 180 Fahrer bei uns ausgebildet. Und 25 von ihnen sind uns bis heute treu geblieben."

Bilde in der Zeit aus, dann hast du in der Not: Angesichts der demografischen Falle, in der das deutsche Transportgewerbe spürbar steckt, müsste ein altbekanntes Sprichwort eigentlich so lauten. Und die Not ist groß, denn nach Schätzungen werden künftig pro Jahr 20.000 Lkw-Fahrer aus dem Beruf ausscheiden. Diese Zahlen sind gesichert: Wie das Bundesamt für Güterverkehr (BAG) bereits 2016 in seiner turnusmäßigen Marktbeobachtung über die Arbeitsbedingungen aufzählte, liegt diese Zahl allein beim gewerblichen Güterverkehr bei etwa 13.300. Demnach gab es 2015 genau 546.459 sozialversicherungspflichtig beschäftigte Fahrer, was einen leichten Anstieg gegenüber 2013 (534.421 Fahrer) bedeutet. Im schwierigen Alter sind dabei vor allem zwei Gruppen: Die damals ermittelten 133.148 Fahrer zwischen 55 und 65 Jahren (rund 25 Prozent) und die Gruppe der U  25 – hier machten 13.766 Fahrer genau 2,5 Prozent aus.

Viele potentielle Fahrer werfen das Handtuch

Schwierig deshalb: Die Älteren werden immer weniger, falls sie ihrem Betrieb nicht noch über das Renteneintrittsalter hinaus als feste Kraft oder als Aushilfe treu bleiben. Und von den Jüngeren gibt es nicht genug. Im Bereich des Werkverkehrs ist die Altersstruktur ähnlich: Hier werden nach Berechnungen pro Jahr im Mittel ebenfalls rund 6.200 Fahrer aus dem Beruf ausscheiden.

Dem stehen die aktuellen Zahlen des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) zur Aus- und Umschulung gegenüber. Seit Einführung der Beschleunigten Grundqualifikation im Jahr 2009 stieg die Zahl der Prüfungsteilnehmer kontinuierlich von 3.067 Jahr im Jahr auf 16.463 (2016), auch die Zahl der neuen Verträge für die dreijährige Fahrerausbildung pendelte sich in den vergangenen Jahren auf mehr als 3.000 pro Jahrgang ein, um dann 2016 erstmals wieder unter diese "magische" Grenze abzusacken. Viel interessanter dabei ist aber die Tatsache, dass in den vergangenen drei Jahren nur immer rund 2.500 Nachwuchsfahrer überhaupt zur Prüfung angetreten sind und dann knapp 500 pro Jahrgang doch leider gescheitert sind. Die Quote der Prüfungsteilnehmer der Beschleunigten Grundqualifikation hat sich dagegen zwischen 83 und 85 Prozent eingependelt.

Das bedeutet in nackten Nettozahlen für 2016: Etwa 2.000 klassische BKF-Azubis und rund 13.600 Umsteiger hätten eigentlich dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen müssen, also mehr, als dort ausscheiden. Leider gibt es keine konkreten Zahlen über den realen Schwund. Also die potenziellen Fahrer, die bald wieder das Handtuch werfen und der Branche aus den unterschiedlichsten Gründen wieder den Rücken kehren. Kein Wunder, dass sich die Zahl der in Deutschland im gewerblichen Güterverkehr arbeitenden ausländischen Fahrer laut BAG von 58.383 (2014) auf 72.473 (2015) erhöht hat – mit steigender Tendenz.

Eines steht aber fest: Auszubildende bleiben dort dem Unternehmen treu, wo es aufgrund der Arbeits- und Lohnbedingungen eine generell geringe Fluktuation gibt. Bundesweit deutet es sich gerade an, dass die Ausbildungszahlen weiter sinken werden. Viele angebotene Lehrstellen für den 1. August 2017 bleiben wohl unbesetzt. Gerade U 25 ist also – jedenfalls für den klassischen Fernverkehr – ein besonders schwieriges Alter.

Mehr Freizeit für Lkw-Fahrer

  • Fahrer finden und binden – wie es geht, zeigt zum Beispiel das Unternehmen Overnight Tiefkühl-Service in Osnabrück, eine 100-prozentige Tochter von Coppenrath & Wiese. 17 junge Männer und Frauen hat Logistikleiter Gerald Honerkamp seit 2007 ausgebildet, 14 sind immer noch im Unternehmen, einer ist nach einem kurzen Gastspiel im internationalen Fernverkehr gerne wiedergekommen.
  • Wie BGL-Präsident Adalbert Wandt, der auf Veranstaltungen Unternehmer immer wieder dazu ermuntert, für den Beruf bei Ausbildungsmessen zu werben und sich für die Lerninhalte, wie im Bereich der Werkstatt, auch an Partner der Nutzfahrzeugindustrie zu wenden, sieht Logistikleiter Honerkamp gerade bei der jungen Generation ein neues Thema auf die Branche zukommen: den Wunsch nach geregelter Arbeit und vor allem Freizeit. Er ist mit den gewachsenen Strukturen in vielen Bereichen der Logistik nicht mehr kompatibel.


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