Volvo VM Autonomous Erste autonom fahrende Lkw in Brasilien

Volvo VM Foto: Hausmann 7 Bilder

Volvo hat den ersten autonom fahrenden Lkw in Brasilien vorgestellt. Der Volvo VM Autonomous hilft in der Zuckerrohrernte und findet dank digitalisierter Karten, GPS-Antennen und elektrischer Lenkunterstützung allein seinen Pfad durch die Reihen.

Auf einen autonom fahrenden Lkw wie den Volvo VM Autonomous hat Paulo Meneguetti gewartet. Der Direktor der Usina de Açúcar Santa Terezinha LTDA – kurz Usacucar – in Maringa im Südwesten von Brasilien produziert auf 350.000 Hektar fruchtbarem Ackerland über 18 Millionen Tonnen Zuckerrohr im Jahr und muss dabei bis zu zwölf Prozent Ernteverluste durch Schädlinge, Klimaeinflüsse und den hohen Grad der Mechanisierung hinnehmen. Die Ausfälle kann jetzt ein teils autonom fahrender Volvo VM 270 um vier Prozent reduzieren.


Klar wird das mit Blick auf Anbau und Ernte von Zuckerrohr. Die bis zu 45 Zentimeter dicken und über drei Meter hohen Pflanzen stehen in einem Reihenabstand von zirka 90 Zentimeter und lassen sich in den tropischen Gefilden von März bis Dezember ernten. Fünf Jahre bleibt die grasartige Pflanze, aus der Usacucar vor allem Rohzucker (80 Prozent) aber auch Ethanol (20 Prozent) für die Treibstoffindustrie gewinnt, in der rotbraunen Erde, bevor sie nach etwa fünf Erntezyklen erneuert werden muss.


Da die Ernte in kurzer Zeit stattfindet, erfolgt die Arbeit rund um die Uhr an sieben Tagen in der Woche. Während das ausgewachsene Zuckerrohr maschinell geerntet wird, stehen die jungen Triebe bereits in den Startlöchern. Angesichts schlechter Sicht bei Nacht und des überall herumliegenden Pflanzenmaterials am Boden, können die Lkw-Fahrer die vorgegebenen Wege häufig nicht exakt einhalten und überfahren die Jungpflanzen mit ihren dicken Ballonräder, die sich davon meist nicht wieder erholen können.
Dieses Szenario soll der Volvo VM Autonomous verhindern. Dank digitalisiertem Kartenmaterial von den Zuckerrohrplantagen mit exakten Angaben zu den Pflanzenreihen, zwei GPS-Antennen auf dem Lkw-Dach für eine präzise Standorterkennung, elektrischer Lenkunterstützung Volvo Dynamic Steering (VDS), I-Shift und Fahrer-Schnittstelle zur Anzeige und Bedienung in der Kabine findet der VM akkurat seinen Weg zwischen den Pflanzenreihen hindurch.

Auf den Fahrer kann der Volvo nicht verzichten

Auf den Fahrer an Bord kann der autonom gelenkte Volvo aber nicht verzichten. Er muss den 270 PS starken Erntehelfer bis an den Feldrand steuern, drückt dann eine Taste auf dem Touchscreen vor der Mittelkonsole und der Dreiachser übernimmt selbsttätig und synchron zur Erntemaschine seine Fahrt übers Zuckerrohrfeld. Schnurstracks folgt der 6x4-Lkw der Bepflanzungslinie und weicht davon maximal 2,5 Zentimeter nach links oder rechts ab, so dass die mindestens 30 Zentimeter von den Lkw-Rädern entfernten Jungpflanzen nichts zu befürchten haben.


Das gilt sogar, wenn der Fahrer den Rückwärtsgang einlegt oder in der Dunkelheit ernten muss. Per Funk stimmt der VM-Fahrer mit dem Führer der Erntemaschine die Geschwindigkeit ab, setzt den Tempomaten und muss nur noch schauen, wann sein Auffangbehälter mit geschnittenem Zuckerrohr gefüllt ist. Am Ende der Feldreihe verlässt er den autonomen Modus, um wieder die Herrschaft über sein Gefährt zu übernehmen.
„Das Überfahren der nachwachsenden Jungpflanzen während der Zuckerrohrernte und das damit verbundene verdichten des Bodens zählt zu den Hauptschäden auf unseren Zuckerrohrfeldern“, gesteht Meneguetti, der eine Flotte von insgesamt 1.100 Lkw betreibt, 17.500 Beschäftigte hat und seit 30 Jahren Volvo-Kunde ist. Der Schaden liege sogar noch höher als der durch Unwetter und Schädlinge. Mit der neu entwickelten Technik des autonom gesteuerten Volvo VM hofft er, die Produktivität im Betrieb entscheidend verbessern zu können.

Ein Jahr Entwicklungszeit für den Volvo VM Autonomous

Den Volvo VM Autonomous haben 16 Ingenieure von Volvo Trucks and Buses Latin America, 5 Techniker aus Schweden und 4 Mitarbeiter der Usacucar-Zuckerrohrfabrik gemeinsam im Zeitraum von gut einem Jahr entwickelt und auf die Räder gestellt. Dabei haben sie sich weitgehend auf Komponenten aus dem vorhandenen Baukasten der Volvo Gruppe bedient. So stammt beispielsweise der große Touchscreen zur Anzeige und Steuerung des Selbstfahrmodus von der Volvo-Baumaschinensparte.


Für die genaue Positionsbestimmung des Lkw auf der digitalen Karte sorgen die beiden GPS-Antennen auf dem Fahrerhausdach sowie zwei hochempfindliche Gyroskope zur Identifizierung von Neigung und Richtungsänderung des Lkw. Bei den GPS-Antennen handelt es sich um einen GNSS-Empfänger (Global Navigation Satellite System) mit hoher Messgenauigkeit und um ein so genanntes RTK-Lenksystem (Real Time Kinematics), das mit Korrektursignalen ebenfalls die Positionsgenauigkeit erhöht. Sämtliche Daten werden vom Bordcomputer aufgenommen und dort weiterverarbeitet.
Den VM für den lateinamerikanischen Markt hat Volvo erstmals 2003 in Brasilien vorgestellt und 2011 das jüngste Update verpasst. Der im Volvo-Werk Curitiba vom Band laufenden Lkw ist als Sattelzugmaschine und Fahrgestell in verschiedenen Achskombinationen wie 4x2, 6x2, 6x4, 8x2 und 8x4 zu haben. Für den Antrieb sorgen moderne 7,2-Liter-MWM-Motoren (D7F) mit 213, 270 und 330 PS, die die Euro 5-Abgasnorm erfüllen. Sie geben ihre Kraft an ein manuelles 6-, 9- oder 14-Gang-Getriebe oder an die Volvo I-Shift weiter. Der VM eignet sich für Gesamtzuggewichte von 25 bis 63 Tonnen.


In autonom fahrender Variante gibt es den Volvo VM vorerst noch nicht zu kaufen. Zwar funktioniere das Fahrzeug bereits wie gewünscht, doch bleibe noch viel Feinschliff im Rahmen von Testeinsätzen und unter realen Bedingungen zu leisten, bevor der Lkw in Serie gehen kann. Damit sei nicht vor 2018 zu rechnen. Allein Paulo Meneguetti in Maringa würde bis zu 400 autonome Volvo VM bei anstehender Erneuerung seiner Flotte anschaffen, sofern die Banken mitspielen und ihm Kredite dafür gewähren. Angesichts der immer noch währenden ökonomischen Krise im Land sei das aber längst nicht sicher.

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