Vergleichstest Scania R480 Euro 5 und Euro 6

Braucht Euro 6 tatsächlich nicht mehr Diesel als Euro 5? 
Diese spannende Frage beantworten zwei quasi identische Scania R480 
in einem exklusiven Vergleichstest. Mit erstaunlichen Ergebnissen.

Irgendwann später einmal werden sich Lkw-Kenner vielleicht streiten, ob Scania oder Mercedes der Erste in Sachen Euro 6 war. Fest steht: Mercedes hatte bei der Premiere zwei Wochen Vorsprung gegenüber Scania, die Schweden aber waren mit Euro 6 als Erste bei den Kunden. Und sind jetzt als erster Hersteller bei einer Zeitschrift angetreten, um das bei der Präsentation abgegebene  Versprechen einzulösen, dass ein Scania mit Euro-6-Motor im direkten Vergleich nicht mehr Diesel schluckt als ein Scania mit Euro-5-Motor.

Mercedes spricht von weniger Verbrauch bei Euro 6

Tatsächlich ging lange die Sorge um, dass Euro 6 unweigerlich zu einem Mehrverbrauch führen würde. Doch je näher der Termin der gesetzlichen Einführung rückte, desto mehr veränderte sich die Stimmung. Von Mehrverbrauch war plötzlich keine Rede mehr. Mercedes spricht sogar von einem Minderverbrauch in der Größenordnung von drei Prozent, hat dies bisher aber nur mit eigenen Messungen auf überwiegend flachen Strecken bestätigt.

Testfahrzeuge gibt Mercedes noch nicht heraus. Wohl aber Scania. So reisten Mitte Februar zwei nahezu identische Sattelzugmaschinen aus Schweden zum Vergleichstest nach Deutschland an. Die wenigen markanten Unterschiede der beiden R480LA: einer mit Euro-5-, einer mit Euro-6-Motor, der eine (Euro 5) gut 200 Kilogramm leichter, der andere (Euro 6) fast 12.000 Euro teurer. Ansonsten gab es – der Vergleichbarkeit wegen – keine Unterschiede: gleiches Fahrerhaus, gleiche Leistung, gleiches Drehmoment, gleiches Getriebe, gleiche Achsübersetzung …

Test: Schlechtes Wetter bedeutete höheren Verbrauch

Einfach definiert war die Aufgabe der beiden Zugmaschinen. Beide mussten einen überwiegend bergigen Testparcours zweimal umrunden. Nach der ersten Runde wechselten die Fahrer hinter dem Lenkrad und die Auflieger auf der Sattelkupplung, um auch die letzten kleinen Ungenauigkeiten beim Messen von Verbrauch und Fahrleistung auszuschließen. Nicht ganz mitspielen bei dem von langer Hand geplanten Test wollte das Wetter mit Schneeregen, Wind und tiefen Temperaturen. Das änderte zwar nichts an der Messgenauigkeit, trieb die Verbrauchswerte beider Zugmaschinen aber kräftig nach oben – bis in die Gegend von 40 L/100 km.  Üblich auf dieser Strecke sind 37 bis 38 L/100 km.


Ausgerüstet mit hochauflösenden Verbrauchsmessgeräten ging es bei Temperaturen deutlich unter null Grad auf Tour. Mit kurzem Abstand rollten die beiden Scania vom Autohof Ramstein auf die A 6 und dann auf die A 62 in Richtung Hunsrück. Schon die ersten leichten Anstiege belegten, dass Leistung und Kraftentfaltung der beiden Schweden so gut wie identisch waren. Denn der kurze Abstand beim Start veränderte sich kaum und blieb auf der ganzen Messstrecke  konstant.

Am Ende trennten nur wenige Sekunden die beiden R480. Ein Durchschnittstempo von 83,5 km/h erreichte der Scania Euro 6, ein Zehntel km/h langsamer (83,4 km/h) kam der Euro 5 ins Ziel. Einzige Auffälligkeit: Beim Runterschalten in deftigen Steigungen und beim Herausbeschleunigen (Hochschalten) geht der Euro-6-Motor etwas zaghafter ans Werk und verliert jeweils ein paar Sekunden. Auf der zehn Kilometer langen Steigung (fünf Prozent) vom Moseltal-Dreieck in Richtung Hunsrück addiert sich dies auf rund 20 Sekunden. Auf nicht ganz so steilen Anstiegen (bis knapp drei Prozent), die beide R480 ohne Schaltung meistern, macht der Euro- 6-Motor jeweils ein paar Sekunden gut. Bei der Motorcharakteristik gibt es also marginale Abweichungen, die sich aber nur mit einer Stoppuhr festmachen lassen. Der Fahrer selbst merkt keinen Unterschied.

R480 Euro 6 verbraucht zwei Prozent weniger

Überraschung dann an der Tankstelle: 159,36 Liter fließen in den Tank des roten Scania Euro 6, fast drei Liter mehr (162,68 Liter) in den Tank des silbernen Euro 5, was auf die Strecke umgerechnet 39,73 beziehungsweise 40,57 L/100 ergibt. Rund zwei Prozent weniger Dieselverbrauch also für den R480 Euro 6. Hinzu kommen im Fall Euro 6 aber 1,33 L  Adblue/100 km. Der Euro-5-Motor kommt, weil er ausschließlich auf eine Abgasrückführung setzt, ohne diesen Zuschlag aus. Weil der Preis für Adblue an der Zapfsäule derzeit ein Drittel vom Diesel beträgt, ergibt sich bei den Verbrauchskosten dennoch ein kleiner Vorteil von 40 Cent pro 100 Kilometer für den Euro-6-Motor.

Demgegenüber steht freilich ein Mehrpreis von knapp 12.000 Euro – ein Tribut an die enormen Entwicklungskosten und die aufwendige „Hardware“ für Euro 6. Denn im Fall Scania Euro 6 kommen zum Einsatz: ein Turbolader mit variabler Geometrie, eine einstufige Abgasrückführung und ein System zur Abgasnachbehandlung, das aus einem Oxidationskatalysator, einem Partikelfilter, zwei SCR-Katalysatoren und zwei Ammoniak-Schlupfkatalysatoren besteht. Die komplette Abgasnachbehandlung hat ihren Platz in einem sogenannten integrierten Schalldämpfer rechts hinter dem Fahrerhaus. Daran gemessen beschränkt sich die Abgasreinigung des Euro-5-Motors auf nur wenige Zutaten: ein variabler Lader und eine zweistufige Abgasrückführung. Die übrige Motortechnik der beiden Sechszylinder unterscheidet sich nur wenig. Das Mehr an Technik des Euro-6-Motors und das zusätzliche Adblue-Reservoir zehren allerdings an der Nutzlast – rund 200 Kilogramm beträgt die Differenz zu Gunsten des Scania Euro 5. Dieser Zuschlag beim Leergewicht trifft aber auch alle anderen Hersteller. Und so zählt der Scania nach wie vor zu den recht leichten Lkw.

Reduzierte Verbrauchskosten und ein höherer Restwert

Noch steht nicht fest, ob und wie sich der Mehrpreis für Euro 6 rechnen kann. Die schon genannten 12.000 Euro ergeben beispielsweise zusätzliche Kilometerkosten von zwei Cent, wenn man eine Laufleistung von 600.000 Kilometern zugrunde legt. Hinzu kommt ziemlich sicher ein etwas höherer Wartungsaufwand – beispielsweise für die Reinigung des Partikelfilters. Demgegenüber stehen beim Scania Euro 6 marginal reduzierte Verbrauchskosten und ein höherer Restwert. Der ergibt sich zum einen aus dem höheren Kaufpreis und zum anderen daraus, dass die Nachfrage nach Euro-5-Lkw in einigen Jahren deutlich abklingen wird, was den Restwert reduziert. Nach 600.000 Kilometer und vier Jahren Laufzeit, also im Jahr 2016, wird der Restwert eines Euro-6-Lkw deutlich über einem Euro-5-Lkw liegen. Im Fall der beiden Scania R480 mit Kaufpreisen von 93.000 respektive 105.000 Euro dürfte die Differenz mindestens 5.000, vielleicht sogar 7.000 Euro betragen.

Die Antwort auf die Frage, ob sich der Kauf eines Euro-6-Lkw schon jetzt lohnt, hängt vor allem davon ab, wie sich die Mautsysteme in Europa entwickeln werden. In Österreich gilt für einen Lastzug mit vier und mehr Achsen seit Anfang 2012 ein Vorteil von rund einem Cent pro Kilometer gegenüber EEV und gut vier Cent gegenüber Euro 4/5. Die Schweiz plant einen zehnprozentigen Nachlass für Euro 6 bei der Schwerverkehrsabgabe, in anderen Ländern ist noch keine Entscheidung gefallen. In Deutschland gibt es derzeit einen Zuschuss von 2.200 Euro pro Lkw und einen Vorschlag für geänderte Mautklassen von VDA und BGL mit einem zeitlich begrenzten Vorteil von vier Cent pro Kilometer für Euro 6 (drei Jahre stehen zur Diskussion).  Aus all dem lässt sich schließen, dass die Entscheidung pro Euro 5 momentan noch sinnvoll ist, wenn die Nutzungsdauer drei, vier Jahre nicht übersteigt. Sollte sich aber kurzfristig bei der Maut in Deutschland etwas ändern (das könnte spätestens im Jahr 2013 passieren), dann dürfte Euro 6 schon jetzt die erste Wahl sein.

Euro 6 rechnet sich nach zwei Jahren

Ein Vorteil von vier Cent pro Kilometer addiert sich bei 125.000 Kilometern pro Jahr auf immerhin 5.000 Euro, bei 150.000 auf 6.000 Euro. Damit rechnet sich der Euro-6-Zuschlag beim Kauf in etwa zwei Jahren – eine allgemein akzeptierte Amortisationsdauer. Klarer Fall aber auch: Die Kilometerkosten steigen. Bei Euro 5 durch höheren Mautgebühren und Einbußen beim Restwert, bei Euro 6 durch höhere Investitionen.

Erfreulich ist immerhin, dass der befürchtete Verbrauchsanstieg von Euro-6-Motoren zumindest bei Scania (und voraussichtlich auch bei Mercedes) ausbleiben wird. Alle anderen Hersteller halten sich mit der Vorstellung von Euro-6-Motoren und Verbrauchsangaben derzeit noch zurück. Sie werden aber zu schnellem Handeln gezwungen sein, sollten große Absatzmärkte und wichtige Transitländer wie Frankreich oder Deutschland in die bestehenden Mautsysteme eingreifen.

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Harry Binhammer, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Harry Binhammer Fachanwalt für Arbeitsrecht
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