VDL Futura FHD2-139/460 Reisen ohne Handicap

VDL Futura FHD2-139/460, Move, Together Foto: © Karl-Heinz Augustin 10 Bilder

Der lange VDL Futura FHD2-139/460 ist überraschend beweglich. Er tritt mit Handicap-Ausstattung an.

Flink dreht der 14 Meter lange Hochdecker bei der Fotofahrt in einem Zug auf der Wendeplatte. Schlängelt sich beim Test auf der Landstraßenetappe verblüffend beweglich durch enge Orte. Zieht behände durch die Kreisverkehre entlang der Bundesstraße, windet sich auf der Bergstrecke gekonnt um zwei Haarnadelkurven. Stellen sich viele Omnibusriesen abseits der Autobahn etwas tapsig an, so entpuppt sich der lange Futura als überraschend gelenkig. Überlänge muss kein Handicap sein.

60 Grad Einschlag und mitlenkendes Heck

Das kurveninnere Rad der Vorderachse steht beim Futura voll eingeschlagen mit 60  Grad fast quer, die gelenkte dritte Achse mit großem Radstand arbeitet kräftig mit – Vorsicht, Heck schwenkt aus. Wenn’s ganz eng wird, lässt der Rangiermodus des Getriebes nur Anfahr- und Rückwärtsgang mit Kriechtempo zu. Je drei Spiegel links und rechts bieten perfekte Sicht. 14 Meter Länge – ganz normal. Und wirtschaftlicher als der beliebte 13-Meter-Dreiachser: Bei gleichem technischem Aufwand gibt’s mehr Sitze und Gepäckraum.

Der lange Futura ist gleichzeitig ein Hingucker: Geschlitzte Scheinwerfer und Rückleuchten verleihen ihm Individualität. Diffusor-Optik hinten und die dunkle Blende vorne im Stoßfänger gießen einen Spritzer Sportlichkeit ins Erscheinungsbild. Der wohlgeformte Rücken wirkt muskulös. Eine schwarze Blende verlängert die altbekannte gewölbte Windschutzscheibe nach unten, verkehrt die frühere Merkel-Optik mit heruntergezogenen Mundwinkeln in ein optimistisches Erscheinungsbild.

Praktische Lösungen

VDL-Entwickler schätzen pragmatische Lösungen. Die Scheinwerfer schwenken mit einem schnellen Handgriff zum Lampenwechsel auf. Die Frontklappe des Reserverads ist gleichzeitig Plattform zum Scheibenputzen. Bug und Heck bestehen aus zähem, unverwüstlichem Kunststoff. Getankt wird links wie rechts, neben dem Einfüllstutzen ist Platz für Handschuhe und Lappen. Über den Hinterachsen warten flache, aber großflächige Staufächer auf Getränkepaletten und Vorräte. So wird man Fahrers Liebling.

Indes müssen sich Busfahrer im dreifarbigen Futura-Cockpit umstellen, die Aufteilung verlässt gewohnte Pfade. Beginnend mit dem Zündschloss versammeln sich nahezu alle fürs Fahren notwendigen Bedienelemente linker Hand, auch das schlecht sichtbare Bedientableau der Klimatisierung. Rechts in der Mittelkonsole reihen sich Taster für Türen und Innenbeleuchtung auf.

Modernes Cockpit erst ab 2014

Die Instrumente sind übersichtlich, das Lenkrad wirkt altbacken – erst der Jahrgang 2014 wird zusammen mit Euro-6-Motoren eine Lenkradtastatur und moderne Sicherheitstechnik wie Abstandsregler erhalten. Lenkstockhebel und Schalter stammen aus dem Großserienregal. Die Bewegungsfreiheit ist üppig, aber stämmige Fahrer beschweren sich über die Engstelle vorbei am Schalthebel und dessen Konsole. Ablagen sind im direkten Umfeld dünn gesät – viele flache Fächer, aber weder voluminöse Behälter noch Platz für Papiere. Gut ist die Sicht dank der Spiegel und der seitlich gewölbten Frontscheibe. Weil sich das Cockpit aufwölbt, muss unmittelbar vor dem Bus der Außenspiegel helfen. Bei den Sonnenblenden haben die Entwickler mitgedacht – das Teil auf der Beifahrerseite stoppt beim Hinunterfahren exakt oberhalb des Hauptspiegels.

Am Begleiterplatz hat VDL jüngst Hand angelegt: Der Sitz ist einige Zentimeter höher angeordnet, die Sitzfläche steht schräg. Trotzdem sitzt man wie Häschen in der Grube. Positiv fällt der große Fußraum auf.

Kräftiger Daf-Motor

Der Futura-Lenker gebietet über einen ansehnlichen Antrieb. Der kraftvolle DAF MX zeigt straffe Muskeln, hat viel Kraft im Hauptfahrbereich, tritt dort wuchtig an. Der Klang ähnelt einem Donnergrollen, man hört und spürt die Kraft – je nach Last gibt es im Heck leichte Vibrationen, die Geräuschkulisse liegt etwas hoch. Auch vorne rauscht der Wind ums Gebälk.

Das vollautomatisierte Zwölfganggetriebe ZF AS-Tronic ist bestens bekannt und hier gut abgestimmt: Zuverlässig greift sich das Getriebe zum Anfahren den dritten Gang, arbeitet sich mit Sprüngen von zwei Gängen hinauf bis Stufe neun, um dann Gang für Gang nachzulegen. Die Schaltungen erfolgen sanft, die Schaltpausen indes fallen lang aus. Dazu wählt das Getriebe trotz des bärenstarken Motors abseits der Autobahn nicht immer den niedrigsten möglichen Gang. Die Technik lässt den Diesel gern im mittleren Drehzahlbereich ackern. Das verhagelt dem von Hause aus sehr sparsamen Dreiachser zusammen mit dem Übergewicht eines Lifts einen Bestwert im Verbrauch. Auf der Autobahn dagegen schlendert er bei 100 Sachen mit 1.200 Touren lässig dahin, schluckt verblüffend wenig Kraftstoff. Angemessen ist der Treibstoffvorrat von 500 Litern. Im Bauch des Testwagens gluckerten 860 Liter – mit Zusatzbehälter erinnert der Futura an einen Tankwagen mit Sitzplätzen.

Schlichter Innenraum

Fahrgäste erklimmen den Futura über relativ hohe Stufen – typischer Nachteil eines Reisebusses ohne Podeste. Die Treppe mündet nach einer Schwenkbewegung in einer Plattform. Als Haltegriffe dienen gebogene Stahlrohre, im Winter etwas handkalt. Die Trennwände zu den Sitzreihen sind mit Kunststoff beschichtet, die Tischkanten der ersten Reihe etwas scharfkantig – der Futura verbirgt nicht seinen schlichten Charakter.

Die Passagiere räkeln sich in straff gepolsterten und langstreckentauglichen Sitzen der türkischen Marke Brusa. Der untere Teil der Lehne stützt den Rücken körpergerecht ab, oben gibt es Bewegungsfreiheit. Beim Zurücklehnen schwenkt das Sitzkissen ein wenig nach vorn, ruhende Fahrgäste rutschen nicht aus dem Sitz. Die hellen seitlichen Blenden sind arg schmutzempfindlich, ein dunklerer Farbton wäre robuster. Wegen der recht hohen Gürtellinie empfehlen sich wandseitige Armlehnen.

Pragmatische Ausstattung

Bei der Ausstattung setzt VDL auf Stoff im Sichtbereich und bevorzugt eine Handvoll definierter Farbwelten mit abgestimmten Tönen. Das passt zum weitgehend vorkonfektionierten Bus. Die Decke gestaltet VDL hell, das weitet den Raum. Die Service-Sets über den Köpfen der Passagiere sind eher schlicht, die hellen LED-Leseleuchten effektiv. Nebenan fallen die Gepäckablagen eher knapp aus. Zu den Vorzügen des Futura zählt die indirekte Beleuchtung in den Handläufen. Die Lampen leuchten die Innendecke an, das ist ebenso dezent wie effektvoll.

Der ebene Boden ist Diskussionsthema. 1,92 Meter Stehhöhe sind wenig, auch ist das Aufstehen beschwerlicher als bei Mittelgang mit Podesten. Zu den Vorzügen zählt die variable Ausstattung, beim Testwagen dokumentiert mit Lift im Heck und Platz für bis zu 15 Rollstühlen auf einem Schienensystem sowie Hecktoilette. Der Begriff des Reisens ohne Handicap erhält hier besondere Bedeutung. Der Lift plus Zusatzbatterien sowie der große Treibstoffvorrat kratzen an der Gewichtsbilanz des Testwagens. Wer darauf verzichtet, spart gegenüber dem Testwagen weit mehr als eine halbe Tonne und damit auch Sprit – VDL-Busse sind von Hause aus Leichtgewichte

Poltriges Fahrwerk

Ein wenig gespart hat VDL auch an der Feinabstimmung des Fahrwerks. Die Vorderachse ist bei längeren Bodenwellen komfortbetont, poltert indes auf kurzen Unebenheiten und lässt Querfugen spüren. Über den Hinterachsen sitzt es sich straff, hier reagiert der Futura unwirsch auf ungepflegte Straßen. Ursache ist unter anderem die starre dritte Achse. Fahrgäste sind vorn besser untergebracht. Dort freut sich der Fahrer über eine zielsichere Lenkung. Sie findet den richtigen Kompromiss aus Leichtgängigkeit, Straffheit und Rückstellmoment. Der Retarder agiert etwas schlapp, aber die Fußbremse ist bestens dosierbar. Nicht zuletzt profitiert der 14 Meter lange Bus von einem unbeirrbaren Geradeauslauf.

Und von einem günstigen Kurs: Den dreiachsigen Hochdecker liefert VDL bereits für rund 285.000 Euro. Da erschließt sich der Verzicht auf manche Feinheiten: Die dritte Achse ist nicht elektrohydraulisch gelenkt, die Ausstattung mit starren Videomonitoren, zwei Lichtmaschinen und vier Unterflur-Gebläseheizgeräten eher einfach gehalten. Kein Handicap für kostenbewusste Käufer.

Meinung

Einfacher Inhalt in frischer Verpackung, überschaubarer Preis, fahrer- und servicefreundliche Konstruktion – das Konzept des VDL Futura der aktuellen Generation. Das passt in Zeiten, in denen die Ausschläge extremer werden und in denen die Mittelklasse verliert. Viel Kapazität zum günstigen Preis ist das eine Plus des Futura, Flexibilität für besondere Einrichtungen dank des ebenen Fußbodens das andere. Zum Gesamtpaket gehören einige Abstriche im Detail – der Futura ist mehr ein Fall für Rechner als für Feingeister.

Download VDL Futura FHD2-139/460 Technische Daten (PDF, 0,17 MByte) Kostenlos
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