VDL Futura-Baureihe Wendemeister namens FHD2-106

Fahrbericht Reisebus VDL Futura Foto: Thorsten Wagner 11 Bilder

Mit einem kurzen Clubbus und der Kurzversion des Doppeldeckers rundet VDL die Modellpalette der Futura-Baureihe ab.

Standardisierung lautet das Zauberwort der modernen Industrie und damit auch im Busbereich: Module, Baukästen, Standardlängen sind die Zutaten für den modernen, kostenoptimierten Reisebus. Auf dem Weg dahin haben viele Hersteller die kurzen, wendigeren Doppeldecker oder auch den Clubbus unter zwölf Meter Länge vergessen und in vielen Fällen sogar eingestellt. Von den deutschen Herstellern liefern lediglich Setra und Mercedes Kurzversionen ihrer Eindecker – wobei der Mercedes Tourismo K eher den preiswerten Einstieg ins Segment und der Setra S 511 HD dessen oberes Ende markieren. Wer hier mehr Auswahl in mittlerer Preislage sucht, der muss sich in Belgien oder Spanien umsehen – und jetzt auch wieder in Holland.

VDL verkürzt die erfolgreiche Futura-Baureihe, die sich seit 2010 schon rund 2.500-mal verkauft hat, auf das clubbustaugliche Maß von 10,6 Metern. Die Busse des Eindhovener Herstellers zeichnen sich seit jeher durch eine hohe Flexibilität innerhalb der Baureihen aus. So realisierten die Ingenieure den neuen Kurzen auf der Plattform des Zwölf-Meter-Wagens. Sie kürzten dessen Radstand auf 5.005 Millimeter und kappten weitere 500 Millimeter am vorderen Überhang.

Kleiner Wendekreis, viele Sitze

Ein Eingriff, dem jedoch der optionale Zusatztank zum Opfer fiel; die Serienlösung fasst 400 Liter Diesel. Das Ergebnis der Sägearbeiten ist ein properer Clubbus mit ansehnlichen Proportionen. Der Wendekreis von 17,3 Metern ist nochmals kleiner als der des Wettbewerbers Setra S 511 HD und somit mehr als alpentauglich. Die ersten Probefahrten fanden denn auch in der Nähe des Vierwaldstätter Sees statt, wo der kleinste Futura seine große Wendigkeit beweisen konnte. Auch die Sitzplatz-Kapazität ist konkurrenzfähig. Maximal 45 Sitze aus eigener Produktion passen in den Clubbus; bei einer Fünf-Sterne-Bestuhlung sind es immer noch 36 Sitze (vier Sterne: 40 Sitze). Nach Aussage des Herstellers sind das vier Sitze mehr als beim nächstbesten Wettbewerber. Tatsächlich bietet der Tourismo K höchstens 41 Sitze, der Setra 43 in Verbindung mit einer Mitteltür und 41 mit Heckeinstieg. Womit ein kleiner, aber feiner Nachteil des neuen Holländers ins Auge sticht: Ein Heckeinstieg ist aufgrund des Packagings im Motorraum derzeit nicht machbar; eine Hecktoilette ist dagegen zu bekommen.

Setra indes hatte 2015 das Heckmodul der Comfort-Class-Zweiachser in Mitteldecker- und Hochdecker-Ausführung ohne Aufpreis und als einfache Sonderausstattung spendiert. Der Vorteil: ein um rund zwei Kubikmeter vergrößerter Kofferraum gegenüber der Variante mit Mitteleinstieg – maximal also bis zu 7,5 statt 5,3 Kubikmeter. Beim VDL sind es im Standard nur 5,8 Kubikmeter. Das gilt allerdings nur, wenn man die Staufächer über der Hinterachse mitrechnet, die durch eine Klappe zugänglich sind. Bei vier Sternen ergeben sich so für den VDL 145 Kubikzentimeter Stauraum pro Fahrgast. Der Setra mit Heckeinstieg verfügt über 220 Kubikzentimeter Stauvolumen pro Passagier und 147 Kubikzentimeter im Falle des Mitteleinstiegs. Ein für Zwölf-Meter-Wagen gängiger Wert von mehr als 200 Kubikzentimetern ist also nur mit dem "Hecktrick" erreichbar.

Müdigkeitswarner mit Dreifachwarnung

Trickreich ist bisweilen auch das Fahrverhalten von Clubbussen. Aufgrund des kurzen Radstandes und der vergleichsweise geringen Masse neigt der Vorderwagen dieser "Winzlinge" zum Nicken und zu einer merklichen Nervosität im Geradeauslauf. Zwar hatten die VDL-Strategen den beiden Testwagen eine gerüttelte Tonne Gewicht auf die Vorderachse gepackt, was dem Nicken des Vorderwagens deutlich entgegenwirkt, aber kaum Einfluss auf den Geradeauslauf hat. Und obwohl VDL – wie auch Setra – keine adaptiven Dämpfer verbaut, sondern lediglich der Vorderachse einen zusätzlichen Stabilisator spendiert, liegt der Wagen vergleichsweise ruhig auf der Straße. Auch ließen sich keinerlei Fehlauslösungen des ACC registrieren, das sich wie auch die anderen Sicherheitssysteme gut abgestimmt zeigte. Neu im VDL-Angebot ist ein optionaler Müdigkeitswarner mit Dreifachwarnung: optisch, akustisch und haptisch. VDL hat in Sachen Sicherheit also seine Hausaufgaben gemacht.

Auch beim Antrieb kann man den Niederländern gute Arbeit bescheinigen. Der VDL-Kunde hat die Qual der Wahl zwischen zwei Leistungsstufen des DAF-Motors MX-11. Er bekommt ihn entweder mit 370 PS und 1.600 Newtonmeter maximalem Drehmoment oder mit satten 440 PS und 2.100 Newtonmetern. Die schwächere Ausführung kann neben dem serienmäßigen Sechsgang-Schaltgetriebe mit der ZF AS-Tronic oder dem Sechsgang-Ecolife-Getriebe ausgerüstet werden. Der Wandlerautomat ist indes für den 440-PS-Motor nicht zu haben. Beide Leistungsstufen bieten eine zusätzliche Motorbremse, die gerade in den Bergen sehr willkommen ist.

Entspannung im Innenraum

Wobei zumindest beim Einsatz des Clubbusses in anspruchsvoller Topografie die Qual der Wahl nicht allzu groß werden dürfte. Das zeigt die Performance der beiden Testfahrzeuge bei einer Ersteigung des bis zu 1.600 Meter hohen Rigi-Bergmassivs in den Glarner Alpen. Auch ohne schwere Beladung tut sich die schwächere Leistungsstufe beim Aufstieg recht schwer. Die Schaltzeiten der zwölfstufigen AS-Tronic in Kombination mit dem stärkeren Motor sind gerade im Berg noch etwas verbesserungsfähig. Dennoch ist das kraftvollere Aggregat eindeutig die bessere Wahl. Ein vorausschauend agierender Tempomat, wie er bei den großen Wettbewerbern schon Standard ist, hält erst mit der Traxon-Getriebegeneration von ZF in zwei Jahren Einzug. Preislich unterscheidet sich der bestmöglich ausgestattete 440-PS-Wagen mit 275.000 Euro nur um rund 10.000 Euro vom schwächeren Pendant und mindestens 30.000 Euro vom Premiumprodukt aus dem Hause Setra.

Im Innenraum des kurzen Futura ist weitgehende Entspannung angesagt, sei es auf den mittleren Class-300- oder den luxuriösen Class-500-Sitzen mit verstellbaren Kopfstützen. Die Ergonomie und die Sicht für den Fahrer selbst sind sehr gut, nicht zuletzt dank der optionalen Bi-LED-Scheinwerfer nebst Abbiegelicht. Das funktional und schlicht gehaltene Cockpit bietet alle Bedienelemente am rechten Platz, besonders die große Konsole unter dem Fahrerfenster ist ebenso vorbildlich wie das große Fach rechts neben dem Fahrer. Lediglich der Hebel für den Federspeicher ist etwas beengt untergebracht. Der eingefleischte Futura-Fahrer findet sich auch im Kurzen augenblicklich zurecht, besonders wegen der vielen Gleichteile zu den übrigen Modellen der Baureihe. Denn ohne derartige Standardisierung ist gerade in der Nische der Clubbusse kein Staat zu machen. Dieser jüngste Vertreter ist auf jeden Fall eine Bereicherung für das kleine, aber feine Segment.

Großes Finale für die Futura-Baureihe

Einen Überraschungscoup landeten die Holländer 2015 mit dem Doppeldecker FDD2, der vollständig überarbeitet und an das moderne Futura-Design angepasst wurde. Der Sitzplatzriese, der in Klasse-zwei-Version bis zu 96 Plätze bietet, ist allerdings auch 14,14 Meter lang und wartet mit einem beachtlichen Wendekreis von 24,3 Metern auf. Für viele Einsatzzwecke ist ein solcher Riese kaum zu nutzen. Zudem wird es im 9,3 Kubikmeter großen Kofferraum schnell eng für das Gepäck der meist mehr als 70 Fahrgäste. Als einer der wenigen Hersteller schiebt VDL daher nun eine Kurzversion hinterher, die annähernd den gleichen Kofferraum (8,8 Kubikmeter), jedoch kompakte Maße von 13,08 Meter Länge, 6,19 Meter Radstand und einen fast drei Meter kleineren Wendekreis (21,45 Meter) bietet.

Besonders gefällt die moderne Innenraumgestaltung mit optimierter Stehhöhe sowie die gute Sicht für den Fahrer. Leider ist der Wagen nur unwesentlich preiswerter als sein langer Bruder. Der Einstiegspreis sollte bei rund 420.000 Euro liegen. Das erste Fahrzeug wurde an den jungen Unternehmer Roland Zemp mit Standorten im schweizerischen Rain und Rothenburg geliefert, der einen fast reinrassigen VDL-Fuhrpark in Vollausstattung betreibt. "Es wurde höchste Zeit für uns, einen Doppeldecker zu bekommen", erläutert der dynamische Unternehmer, der bereits mit 22 Jahren ins Busgeschäft einstieg. Die Jungferntour mit dem Fahrzeug fand an seinem 40. Geburtstag statt und war gleich dreifach überbucht.

Technische Daten
VDL Futura FHD2 FHD2-106
Motorbauart Reihenmotor
Außenlänge 10.605 mm
Außenhöhe 3.700 mm
Zul. Gesamtgewicht 19.500 kg
Sitzplätze 36-45/+1+1
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lastauto omnibus 03 / 2017
13. Februar 2017
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