Marktsegment Invasion der Kleintransporter

Transporter, Maskenball Foto: Ulrich Regenscheit (1), Montage: Jan Grobosch

Viele Transporter gleichen sich wie Zwillinge. Dennoch spielen Motoren und Marke eine Rolle beim Kauf.

Nachts sind alle Katzen grau. So wie Transporter? In kaum einem Segment gibt es so viele Kooperationen, was zu der Annahme verleitet, es gäbe dort keine Unterschiede – von den Logos auf der Kühlermaske mal abgesehen. Zum Beispiel in der Klasse von 2,8 bis 3,5 t bei Citroën, Fiat und Peugeot: Deren Modelle Jumper, Ducato und Boxer laufen im italienischen Atessa vom Band der Kooperationsgesellschaft Sevel ­(Società Europea Veicoli Leggeri). Abmessungen, Gewichte oder Ladevolumen sind gleich. Nur unter der Haube gibt es Unterschiede.

Fiat leistet sich eigene Motoren für den ­Ducato. Die 2,0 und 2,3 Liter großen Dieselmotoren gibt es nur bei Fiat. Peugeot und Citroën setzen dagegen auf 2,2 Liter große HDi-Motoren aus dem eigenen Regal. Lediglich die Oberklasse der drei Transporter läuft mit einem gemeinsamen Dreiliter von Fiat. Die Annahme von "gleichen Ersatzteilen für alle" stimmt also nicht. Die Wahl auf einen Transporter dieser drei Marken ist zumeist eine Motorenwahl.

Drillinge aus Valenciennes

Sevel besitzt eine weitere Transporterschmiede im französischen Valenciennes. Dort laufen der Citroën Jumpy, der Peugeot Expert und der Fiat Scudo vom Band. Bei diesen Zweieinhalb- bis Dreitonnern kommen durchweg HDi-Motoren von PSA zum Einsatz (1.560 und 1.997 cm³). Die Längenmaße der Autos variieren um wenige Millimeter, was an der Form der verwendeten Kühlermasken liegt.

Die Kleinsten im Bunde der italienisch-französischen Allianz heißen Citroën Nemo, Fiat Fiorino und Peugeot Bipper. Die Minivans werden allerdings nicht bei Sevel produziert, sondern als Auftragsfertigung beim türkischen Autohersteller Tofas in Bursa. Grundsätzlich baugleich, offenbaren sie Unterschiede beim Antrieb. Alle drei gibt es mit dem 75 PS starken Benziner sowie dem 1.3 HDi mit 75 PS. Der Fiorino bietet daneben noch eine stärkere Variante des Diesels mit PS. Außerdem können ihn Erdgasfans auch als CNG-Version ordern.

Eine rein deutsche Kooperation ab 3,0 t zulässigem Gesamtgewicht gibt es ebenfalls: Volkswagen Crafter und Mercedes Sprinter werden beide in den Daimler-Werken Ludwigsfelde und Düsseldorf gebaut. VW bietet für den Crafter die hauseigenen Diesel mit 2,0 und 2,5 Liter Hubraum, Mercedes für den Sprinter die 2.143 und 2.987 cm3 großen CDI-Aggregate sowie 1,8 und 3,5 Liter große Benziner. Die Kleineren von beiden gibt es auch als Erdgas- und Flüssiggasversionen. Zudem weichen die Frontpartien deutlich voneinander ab. VW setzt auf ein Design, das mit Senkrechtleuchten und breiten Grillstreben an die brasilianische Nutzfahrzeuglinie Constellation angelehnt ist. Mercedes dagegen will dem eigenen Markenauftritt mit diagonal liegenden Scheinwerfern und Pkw-ähnlichen Kühlermasken entsprechen.

Mercedes kooperiert mit Renault

Für Daimler steht ab Herbst schon das nächste Kooperationsprodukt an. Der Citan getaufte Small Van basiert auf der Plattform des Renault Kangoo und wird im gleichen Werk wie dieser gebaut (Maubeuge, Frankreich). Die endgültige Motorisierung wird wohl zur Nutzfahrzeug-IAA im September bekannt gegeben. Während für die Franzosen die Partnerschaft einem Ritterschlag in Sachen Qualitätsvertrauen gleichkommt, betont Daimler, dass der Neue ein echter Sternträger wird: "Wir haben mit dem Citan einen Mercedes-Benz entwickelt, mit allen Markenwerten. Wir bauen ihn lediglich auf der Plattform eines Partners auf", so der Chef von Mercedes-Benz Vans, Volker Mornhinweg.

Zu solchen Kooperationen zwinge das Marktsegment, wo jeder Cent zweimal zähle. Dennoch dürfe ein Mercedes Van nie ein Auto sein, "dem wir nachträglich einen Stern aufkleben", sagt er: "Sitze, Lenkung oder Fahrwerksabstimmung – das alles ist Mercedes." Zudem erhält der Citan ein eigenständiges Cockpit.

Auf derartige Unterschiede verzichten Renault, Nissan und Opel. Für Renault Master, Opel Movano und Nissan NV400 stellt Renault in Batilly das Produktionswerk. Die Motoren – durchweg 2,3 Liter Diesel – stammen ebenfalls von Renault. Beim automatisierten Sechsganggetriebe, das ursprünglich nur bei Opel und Renault vorgesehen war, zieht Nissan jetzt nach.

Renaults Ecoline als günstiger Einstieg

Einen kleinen Bonus leistet sich Renault als Urheber dieser Reihe und bietet mit der Ecoline ein einfacher ausgestattetes, günstigeres Basismodell. Gemeinsame Sache machen die drei auch in der Klasse darunter. Die Baureihen ­Renault Trafic, Opel Vivaro und Nissan Primastar sind technisch identisch. Alle haben einen Zwei-Liter-Diesel von Renault unter der Haube. Der optische Unterschied ist gerade mal bierdeckelgroß und prangt als Markenemblem auf der Front.

Doch ist dem Transporterkunden die Marke tatsächlich so wichtig, wenn die Technik sich ähnelt? Wirtschaftspsychologen sind davon überzeugt. "Emotionen sind die wahren Entscheider im Gehirn. Und die Wirkung von Marken basiert auf den Emotionen", sagt der Hirnforscher Dr. Hans-Georg Häusel von Nymphenburg Consult. Mit der Wahl einer Marke sei der Wunsch verbunden, sich deren Eigenschaften anzuheften. "Wenn sich eine Marke wie Mercedes ein Image erarbeitet hat, das auf Qualität, Zuverlässigkeit und Sicherheit basiert, sind das beste Voraussetzungen fürs Transportergeschäft." Wer als Autohersteller auch Transporter anbieten will, braucht ein gewerbetaugliches Markenimage. Bei Autobauern mit eher sportlich-luxuriösen Ambitionen könnte es schwierig werden. Mit einem Ferrari-Kastenwagen ist nach Stand der Dinge nicht zu rechnen. 

Hintergrund - Marktsegment Kleintransporter

Das Marktsegment der Kleintransporter (Small Vans) wird für die Autohersteller immer wichtiger. Was Anfang der 1990er-Jahre noch als Nischenmarkt galt, wurde im vergangenen Jahr mit europaweit fast 700.000 verkauften Einheiten zum echten Umsatzbringer. Bislang dominieren französische Hersteller diesen Markt. Der Peugeot Partner, der Citroën Berlingo und der Renault Kangoo sind in dieser Klasse die meist verkauften Modelle. Als Grund für den Aufschwung gelten die veränderten Rahmenbedingungen.

Der zunehmende Handel übers Internet führt zu kleineren Einzelsendungen und zu immer mehr Ablieferstellen. Zudem verschärfen sich europaweit die Umweltvorschriften in den Städten. Die Transporteure reagieren darauf mit der Anschaffung kleinerer Fahrzeuge.

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