MAN TGX 18.440 XLX Typisch MAN

MAN TGX 18440 XLX Foto: Jacek Bilski 19 Bilder

Einige Tricks und einige Kompromisse ­waren für Euro 6 nötig, um den Verbrauch des MAN TGX 18.440 XLX auf Euro-5-Niveau zu ­halten. Ansonsten zeigte sich der 18.440 als typischer MAN: leicht, komfortabel, sauber verarbeitet und mit vielen praktischen Details.

Efficient Line – so steht es in großen Lettern auf den Türen des MAN TGX 18.440 XLX. "Efficient" bezieht sich natürlich nicht nur auf den Kraftstoffverbrauch, sondern auch auf die Nutzlast und die insgesamt geringen Kosten pro gefahrene Kilometer. Doch ist der Verbrauch aktuell beherrschendes Thema. Angeheizt von kontinuierlich steigenden Dieselpreisen, der Diskussion um CO2 und kommenden Verbrauchsvorschriften.

Generell gilt: Die aufwendige Euro-6-Abgasreinigung samt Abgasrückführung und Partikelfilter verursacht systembedingt einen gewissen Mehrverbrauch, der an anderer Stelle wieder kompensiert werden muss. Mercedes etwa bekam das Problem mit langen Achsen, verbesserter Aerodynamik, intelligent geregelten Nebenaggregaten, optimierter Antriebstechnik und einem insgesamt neuen Fahrzeug bestens in den Griff. Der Hersteller schob wenig später den adaptiven Tempomaten nach, der nochmals für ein paar Prozent Verbrauchseinsparung gut ist.

Weiterentwicklung der Antriebstechnik ins Stocken geraten

MAN hingegen musste den gesäuberten Motor in ein bestehendes Fahrzeugkonzept integrieren und steht zudem vor dem Problem, dass die Weiterentwicklung der Antriebstechnik ins Stocken geraten ist. Denn im kommenden Produktionsverbund von MAN, Scania und VW müssen erst mal Entscheidungen gefällt werden, wer denn welche Komponenten liefert und erhält.

Innerhalb dieses eingeschränkten Wirkungsbereichs gelang es trotzdem, den Verbrauch in den Griff zu bekommen. Kurz: Der 440er gab sich auf der lastauto omnibus-Testrunde mit 35,9 l/100 km zufrieden, was exakt dem MAN-Versprechen entspricht, dass Euro 6 nicht mehr verbraucht als Euro 5.

Mehrverbrauch gegenüber Mercedes Actros 1843

Bei genauer Analyse der Verbrauchswerte fällt schnell auf, dass der Mehrverbrauch (ein guter Liter) gegenüber dem aktuellen Mercedes Actros 1843 gleichermaßen bei schwieriger wie bei leichter Topografie anfällt. Gemessen am äußeren Schliff der Actros-Kabine lässt der MAN die besonders gute Aerodynamik bei hohem Tempo (Teillastverbauch) vermissen, auf anspruchsvoller Strecke hingegen fehlt ein System wie der adaptive Tempomat, das auch bei einem wenig engagierten Fahrer gute Werte zaubert. Der Volllastverbrauch liegt ein paar Prozent über dem Actros-Wert.

Um einen Verbrauch auf Euro-5-Niveau zu erreichen, sind beim MAN TGX einige Kunstgriffe nötig. Am Motor beispielsweise, der auf ein zweistufiges Aufladesystem setzt, um mit vertretbarem Kraftstoffeinsatz eine gute Fahrdynamik zu ermöglichen. Und mehr noch an der Antriebstechnik insgesamt, die ziemlich kompromisslos auf niedrigste Drehzahlen ausgelegt ist. Doch so richtig miteinander harmonieren will das alles nicht.

AS-Tronic bei Steigungen mit Problemen

Da ist zum einen die Schaltstrategie der Tipmatic, alias AS-Tronic. Am besten beherrscht sie noch die Übung „Hochschalten am Auslauf einer Steigung“. Beim Abwärtsschalten in einer Steigung wartet sie viel zu lange, lässt den Motor regelmäßig bis fast 1.000 U/min fallen, steigt bei 1.250 bis 1.300 U/min wieder ein, was ­kurze Zeit später zur nächsten Schaltung führt. Etwas früher zu schalten würde so manches Mal den zweiten Eingriff unnötig machen. Von einem beherzten Abwärtsschalten von 12 auf 10, wenn der zehnte Gang dann nötig ist, würden Tempo und Verbrauch zudem gleichermaßen profitieren.

Da ist zum anderen das gemächliche Tempo beim Schalten. Sehr komfortbetont geht die AS-Tronic ans Werk, die Schaltungen sind kaum zu spüren. Freilich fällt die Geschwindigkeit des MAN dabei um drei, vier oder fünf km/h – das entspricht immerhin dem Gegenwert eines ordentlichen Schluck Diesels, der bei jeder Schaltung in einer Steigung verloren geht.

Eco-Roll-Funktion wie bei DAF fehlt dem MAN TGX

Dass die AS-Tronic schneller als im MAN schalten kann, zeigt sie im neuen DAF XF. Dort gibt es auch die sogenannte Eco-Roll-Funktion – den Freilauf zum Rollen. Warum nicht bei MAN? Mit der Weiterentwicklung der Antriebstechnik kann es also durchaus sein, dass bald Scania-Getriebe in MAN-Lkw arbeiten und die Zusammenarbeit mit ZF einschläft. Da ist ebenso die zum Effizienz-Paket gehörende Begrenzung auf 85 km/h, die sich auch mit dem Gaspedal nicht überfahren lässt. Mit Blick auf den Verbrauch ist dies sicher richtig, mit Blick auf die Länge eventueller Überholvorgänge aber nicht.

Wie schwer sich der an sich kräftige und immerhin 12,4 Liter große D26-Sechszylinder mit diesem Getriebe und der Schaltstrategie tut, zeigt auch die Anzahl der steigungsbedingten Schaltungen – sogar einige mehr als im Mercedes Actros 1843, der im mittleren Drehzahlbereich deutlich weniger Leistung bietet. Auch das Tempo bleibt auf der Strecke. Marginal schneller als der ohnehin schon etwas langsame Mercedes Actros lief der MAN über die Runde.

MAN TGX ist unauffällig und komfortabel

Abgesehen von der schusseligen Schaltstrategie – anders lässt es sich kaum ausdrücken – erledigt der MAN TGX seine Arbeit unauffällig und komfortabel. Vom Motor ist, wenn er nicht gerade ganz hart arbeiten muss, so gut wie nichts zu hören, störende Windgeräusche gibt es fast keine. Auch der neue ZF-Intarder namens Eco läuft leiser als zuvor. Die Fahrerhausfederung findet den richtigen Weg zwischen Komfort und Seitenneigung. Einzig die Einblattfederung an der Vorderachse spricht nicht ganz so fein an wie ihr zweilagiges Pendant.

Aufgeräumter Innenraum

Bestens aufgeräumt geht es im Innenraum zu. Sachlich, nüchtern, schörkellos präsentiert sich das Design, der Motortunnel ragt nur 110 Millimeter ins Fahrerhaus, kein wuchtiger Armaturenträger steht im Weg, Stauräume innen gibt es reichlich, offene Ablagen – nicht alle vom Fahrersitz aus erreichbar – ebenfalls, große Außenstauräume sind selbstverständlich. All dies sind sicher Gründe dafür, dass die Fan-Gemeinde der MAN-Fahrer so viele Mitglieder hat.

Allerdings ist die Bedienung teilweise genauso in die Jahre gekommen wie die große, stabile Kühlbox, die auch als Aufstiegshilfe zur oberen Liege dienen soll, aber fast immer im Weg steht. Zum Thema Bedienung: Um etwa die Stufe 4 des Retarders zu aktivieren, muss der Fahrer vier Mal am Hebel an der Lenksäule ziehen. Gut, dass der Retarder wenigstens nach einem Tritt auf das Gaspedal abschaltet. Und dann gibt es da noch die Klaviatur rechts vom Lenkrad mit rund 20 gleich großen und manchmal kryptisch beschrifteten Kippschaltern – gut, dass die nur selten gebraucht werden. Noch zwei weitere Schwachstellen fallen auf. Die Ziffern in Tacho und Drehzahlmesser (etwa für Außentemperatur oder Kilometerzähler) sind schlecht zu erkennen und das wuchtige Spiegelgehäuse samt direkt danebenstehender A-Säule schränkt das Sichtfeld nach rechts vorne gewaltig ein.

MAN hat Leergewicht der Zugmaschinen nach unten gedrückt

Trefflich hingegen hat es MAN in den vergangenen Jahren verstanden, das Leergewicht der Zugmaschinen nach unten zu drücken. Auch wenn mit Euro 6 einige Zentner dazugekommen sind, ist ein MAN, ob als TGX oder erst recht als TGS,  im Umfeld der Konkurrenz immer noch recht leicht. Nur 7.350 Kilogramm sind es in lastauto­omnibus-Spezifikation. Ein vergleichbarer Mercedes Actros 1843 mit 10,7 Liter kleinem Sechszylinder kommt auf 7.500, ein Actros 1845 mit großem Sechszylinder auf mehr als 7.700 Kilogramm.

Hat der MAN jetzt die Bezeichnung Efficient Line verdient oder nicht? Er hat sie verdient. Beim Verbrauch fallen im Vergleich zu den Spitzenwerten des neuen Actros zwar zwei bis drei Prozent höhere Kosten an, doch alle anderen bisher gefahrenen Euro-6-Lastzüge liegen auf oder über dem MAN-Niveau und die übrigen Werte stimmen beim MAN TGX freundlich: ­hohe Nutzlast, insgesamt niedrige Kilometerkosten, geringe Pannenanfälligkeit. Klar, der große MAN ist ein ausgereiftes Fahrzeug, das – auch zur Freude der Werkstätten – längst nicht so komplex ausfällt wie ein neuer Volvo FH oder Mercedes Actros.

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