StreetScooter im Fahrbericht Das Werkzeug für die letzte Meile

Streetscooter Foto: Knut Zimmer 7 Bilder

Der StreetScooter ist ein funktionierendes Beispiel für emissionsfreie Mobilität auf der letzten Meile. Wir hatten Gelegenheit zu einer Testfahrt mit der Variante Work inklusive Kastenaufbau.

Der Hype um StreetScooter kennt kaum Grenzen. Der Elektrotransporter der Tochter von Deutsche Post DHL Group (DPDHL) steht wie kein anderes Nutzfahrzeug für den geglückten Wechsel hin zur emissionsfreien Mobilität auf der letzten Meile. Tatsächlich: Die Augen mögen manchem Automobilisten übergehen, fährt er in der Gegend rund um Aachen auf der Autobahn. Dort begegnet er dann mit hoher Zuverlässigkeit mindestens ein, zwei Autotransportern, die vollgepackt mit gelben Elektrotransportern vom Werk Aachen aus unterwegs sind und die Saubermänner zu ihren künftigen Einsatzorten zu bringen. Dabei ist die Post selbst ihr größter Kunde. So will sie die komplette Zustellflotte durch E-Lieferwagen ersetzen. 

Start als Hochschulprojekt

Den Grundstein für die Erfolgsgeschichte legte 2010 ein Team der RWTH Aachen. Die Aufgabenstellung: Ein robuster Transporter sollte für kleines Geld auf die Achsen gestellt werden. Gleichzeitig dämmerte es er Deutschen Post, dass sie die CO2-Emissionen der 50.000 Fahrzeuge zählenden Flotte senken muss. Das ging effektiv nur mit einem rein elektrischen Antriebsstrang. Hinzu kam eine Grundsatzentscheidung: Das Fahrzeug soll über ein Bottom-up-Fahrzeugdesign verfügen, also auf einer Konstruktion aufsetzen, die den Bedürfnissen des Zustellfahrers gerecht wird. Daraus resultierte ein Zustellfahrzeug, das seinen Zweck zu 100 Prozent erfüllt, dabei beinahe unverwüstlich ist, lokal emissionsfrei fährt und auch noch verhältnismäßig preiswert ist. 

Baukastensystem

Möglich macht das ein Baukastensystem, das kaum Varianten und Optionen zulässt, aber doch die wichtigsten Ecktypen ermöglicht – nämlich Fahrzeuge mit zwei Radständen sowie in drei Gewichtsklassen. Zur Wahl stehen zudem Batteriepacks mit Kapazitäten von 22 bis 44 kWh. Ihnen entsprechen laut StreetScooter Reichweiten von 80 bis 200 Kilometer – im realen Fahrbetrieb gemessen. Seit knapp drei Monaten kommen nun neben der gelben Post auch Dritte in den Genuss der Elektrofahrzeuge. 35.950 Euro abzüglich 4.000 Euro Umweltprämie kostet sie der Einstieg in die emissionsfreie Mobilität. Dafür gibt es das Basismodell Work Box. Die knapp doppelt so große Variante Work L Box (8 Kubikmeter Volumen, 960 Kilo Zuladung) kostet 7.000 Euro mehr. 

Varianten für KEP und Handwerk

Im Fokus des StreetScooter-Vertriebs stehen neben KEP-Dienstleistern kommunale Betriebe und auch Handwerker. Für diese unterschiedlichen Aufgabenbereiche reicht es nicht aus, nur einen Kofferaufbau vorzuhalten. Pritschen- und Servicewagen stehen daher nun ebenfalls zur Wahl – zu sehen jüngst auf der Messe Nufam in den Farben Post-Gelb, Kommunal-Orange oder Neutral-Weiß. Wer selbst aufbauen mag, kann auch blanke das Standard- und L-Fahrgestell beziehen. Zuletzt folgte auf den L noch die Variante XL. Sie entsteht künftig in Zusammenarbeit mit Ford. Der Kölner Automobilhersteller liefert für das XL-Modell das Fahrgestell des Transit zu. 

Einfache Machart

Im Vergleich zu den konventionell angetriebenen Transportern der arrivierten Fahrzeugbauer klingt die Variantenvielfalt ernüchternd. Doch der StreetScooter erfüllt seinen Zweck, wie eine erste Ausfahrt rund um das Karlsruher Messegelände zeigt. Freilich: Große Emotionen weckt das Fahrzeug nicht. Das Design – außen wie innen – weckt Erinnerungen an längst verblichene automobile Zeiten. Nichts für Schöngeister! Der Fahrertür fällt eben nicht mit einem gedämpften Plopp ins Schloss, sondern mit einem rustikalen Bätsch. Fangbänder gibt es an der Tür keine, dafür massive Scharniere, denn die Tür ist auf eine Millionen Öffnungen ausgelegt. Zwischen Karosse und Tür passt locker eine flache Hand. Schöngeister mögen sich mit Grausen abwenden, doch was interessiert einen Kurierfahrer schon das Spaltmaß des Arbeitsgeräts? Augenfeindlich sind auch die nicht verblendeten Verschraubungen von Verkleidungen und Rammschutz. Aber sie lassen sich so in kürzester Zeit und für kleines Geld tauschen – genau das, was für KEP-Fuhrparks zählt.

Wenig Komfort

Der Fahrersitz ohne Seitenwangen gewährt nicht viel Komfort. Aber Zustellfahrer müssen eben viel ein- und aussteigen. Die meiste Zeit flitzen sie im Freien rum, weswegen sich StreetScooter auch gleich die Klimaanlage geschenkt hat. Wegen der vielen Türöffnungen wäre deren Arbeit ohnehin vergebens. Und außerdem kostet der Transporter ohne deutlich weniger und der Nebenverbraucher kann die Akkus nicht belasten. Im Inneren des Fahrzeugs gibt es als Annehmlichkeiten einzig ein paar Staufächer für Papierkram und Taschen für Becher oder Flaschen. Das Pausenbrot findet auch irgendwo einen Platz.
Angesichts dieser Armut an Ausstattung wundert man sich fast schon, dass es einen Beifahrersitz gibt und tatsächlich auch elektrische Fensterheber. Eine elektrische Heizung gibt es auch. Und dann findet sich doch noch ein Hauch von automobiler Zukunft: nämlich ein Touch-Display in der Mittelkonsole, worüber sich Navi und Radio bedienen lassen.
Der Blick des Fahrers konzentriert sich somit aufs Wesentliche: Das digitale Zentraldisplay, das Aufschluss über Tempo und Batterieladung gibt. Flugs den Schlüssel gedreht. Natürlich passiert erstmal nichts, denn kein Verbrennungsmotor erwacht hier zum Leben. Einfach Schaltstufe D wählen (der Fahrer hat noch die Wahl zwischen Eco- und Standardfahrmodus), Fahrpedal durchtreten und schon huscht der Streetscooter los. Der Durchzug ist E-Fahrzeug-typisch; schnell ist in der City Reisegeschwindigkeit erreicht. Es geht auch ein wenig mehr. Bei 85 km/h ist allerdings Schluss. Wozu auch mehr? Alle paar Meter lauert ohnehin ein Stopp. Raus, ran an den Aufbau, der mit einem ebenen Ladeboden in bequemer Griffhöhe aufwartet, Lieferung greifen und beim Kunden abgeben.

Fazit: Ein Werkzeug, das seinen Zweck erfüllt

Am Ende des Arbeitstages stellt man den Scooter einfach ab, steckt das Ladekabel ein – und marschiert nach Hause. Bis zum nächsten Arbeitstag weint der Fahrer dem StreetScooter bestimmt keine Träne nach. Der E-Lieferwagen ist schließlich nicht mehr, aber auch nicht weniger als ein Werkzeug, das seinen Zweck erfüllt.

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