Scania Streamline Alles eine Frage des Programms

Scania Streamline Foto: Scania 7 Bilder

Im Scania Streamline hat der Fahrer die Wahl: sparsam und langsam, normal und vorausschauend oder so schnell wie möglich. Vier Fahrprogramme machen es möglich.

Es fühlt sich an, als fehle dem Motor die nötige Portion Mumm, als wolle er einfach keine Leistung liefern. Doch hinter diesem Tun steckt Kalkül. Denn so sparsam wie möglich soll der Scania Streamline über die Steigungen ziehen. Dieses drehmomentbetonte und leistungsverweigernde Tun ist dem neuen Economy-Programm so eigen wie dem Autoschlosser sein Blaumann.

Elektronik macht die Fuhre träge

Gleich um zwölf Prozent lässt das Economy-Fahrprogramm die Geschwindigkeit unter den eingestellten Wert des vorausschauenden Tempomaten sinken. Die Geschwindigkeit fällt also von Tempo 85 auf knapp Tempo 75, wenn es dem Programm sinnvoll erscheint. Und schon gar nicht kommt die hinterlegte Software auf die Idee, vor einer Steigung zu beschleunigen, um ordentlich Schwung mit in den Anstieg zu nehmen.

Diese Strategie führt dazu, dass sich  der 40-Tonner mit einer fühlbaren Lethargie durch die südschwedische Topografie bewegt, die erst mal gewöhnungsbedürftig ist. Auch der niedrigen Geräuschkulisse wegen, welche die niedrigen Drehzahlen nun mal mitbringt. Wenig Geräusch, so lässt sich das Gefühl des Fahrers täuschen, suggeriert auch wenig Tempo – ein Zusammenhang, der aber nur teilweise stimmt. Interne Messungen der hauseigenen Flotte, die zwischen den Werken in Södertälje (Schweden) und Zwolle (Holland) pendelt, dokumentieren 13 Minuten Zeitverlust zum Standard-Fahrprogramm. Auf rund 1.300 Kilometer Strecke. Die Kraftstoffersparnis: bis zu zwei Prozent. Und je deftiger die Topografie, so versprechen es die Schweden, desto größer der Vorteil beim Verbrauch. Was sie nicht sagen: Je extremer die Topografie, desto höher ist auch der Zeitverlust, weil Economy mehr mit der Bewegungsenergie des Lastzugs spielt, als dem Fahrer mitunter lieb ist.

Elektronik und Aerodynamik im Spar-Verbund

Dieselsparen geht derzeit schließlich über alles. Das ist der Grund für das Economy-Programm, den vorausschauenden Tempomaten (bei Scania "Active Prediction" genannt), die optimierte Antriebstechnik und Streamline. Schon 1991 tauchte der Begriff Stream (strömen, fließen) bei Scania auf. Damals ging es fast ausschließlich um fließende Linien und verbesserte Aerodynamik. Heute geht es um alles, was Einsparungen beim Verbrauch verspricht. Immerhin acht Prozent sollen möglich sein.

Streamline bezieht sich dabei auf die langen G- und R-Fahrerhäuser, die ab Werk mit allen aerodynamischen Zutaten ausgerüstet werden und darüber hinaus über eine Reihe von Extras verfügen, die von jetzt an fester Bestandteil des serienmäßigen Lieferumfangs sind. Dazu zählt die Schaltautomatik Opticruise genauso wie Active Prediction oder auch andere Zutaten, die mit dem Verbrauch herzlich wenig zu tun haben, aber das Leben erleichtern. Beispielsweise eine Zentralverriegelung, H7-Hauptscheinwerfer oder die bis auf 900 Millimeter Breite (nur im R-Fahrerhaus) ausziehbare untere Liege. Erfreulich in diesem Zusammenhang: Im Gegensatz zu anderen Herstellern, die die Sonnenblende dem guten Verbrauch opfern, hat Scania dieses durchaus sinnvolle Stück Kunststoff aerodynamisch optimiert und lässt es am Fahrzeug. Und wer möchte, der kann auch Luxussitze von Recaro ordern.

Maximal 490 PS

Verpackt ist das alles hinter einer neuen Front, die dem Streamline ein etwas anderes Gesicht als zuvor gibt. Kaum auffällig zeigen sich die weicheren Fahrerhauskonturen, richtig markant erscheinen die neuen Hauptscheinwerfer und Einfassungen für LED-Blinker und Tagfahrlicht. Neue H7-Leuchten oder alte H4? Scania lässt den Kunden die Wahl, also auch jenen, die die weicheren Übergänge von H4 bevorzugen. Klarer Fall: Auch Xenon-Licht ist lieferbar.

410, 450 und 490 PS (302, 331, 360 kW) leisten die DC13 genannten und 12,7 großen Euro-6-Sechszylinder mittlerweile. Ganz bemerkenswert: Die 410-PS-Ausführung kommt ohne Abgasrückführung aus und soll,  bei etwas erhöhtem Adblue-Verbrauch als bei Euro 6 üblich,  drei Prozent weniger Diesel brauchen als der 400 PS starke Vorgänger. Mit einem starren Turbolader (statt der verstellbaren Lader in den höheren Leistungsstufen) verfolgt diese Leistungsstufe des DC13 das Thema "Keep it simple" konsequent weiter. Mit 2.150 Nm im Bereich von 1.000 bis 1.300 U/min entpuppt sich dieser Motor schnell als kräftiger Geselle, dem allenfalls das Economy-Programm die Vehemenz nehmen kann. Fast 400 PS, also fast die komplette Nennleistung, liegen schon bei 1.300 U/min an. Mit dieser Charakteristik bewegt sich ein R410 oder G410 auch mit 40 Tonnen erstaunlich zügig. Der Wunsch nach mehr Leistung kommt auf den hügeligen Pisten in Südschweden jedenfalls nicht auf.

Längerer Hub und mehr Drehmoment

Nochmals deutlich kräftiger gehen die beiden stärkeren Versionen an die Arbeit, die den Lastzug gleichfalls souveräner bewegen, 
als es die Typenbezeichnungen vermuten lassen. Denn trotz zehn zusätzlich eingeschenkter PS (450 statt 440 und 490 statt 480) gehören die nochmals etwas höheren Drehmomentmaxima von 2.350 und 2.550 Nm immer noch in eine jeweils höhere Leistungsklasse. Oder anders: Bei sämtlichen Versionen des DC13, der mit einem extralangen Hub von 160 Millimetern aufwartet,  handelt es sich um drehmomentoptimierte und in der Nennleistung beschnittene Motoren. Das wird sicher auch für die 370-PS-Variante gelten, die Scania im Laufe dieses Jahres nachschieben wird. Wer bisher mit einem 400er und 440er nur selten mit Volllast unterwegs war, der sollte laut Scania zu dieser Leistungsstufe greifen, damit der Motor häufiger mit höherer Last arbeitet. Damit bleibt die Abgastemperatur auf höherem Niveau, die Abgasnachbehandlung läuft mit weniger Kraftstoff ab.

Gemeinsamer Nenner aller in Schweden gefahrenen Versionen waren die Streamline-Zutaten sowie die lange Achsübersetzung von 2,59 zu 1 in Kombination mit 70er-Bereifung. Das entspricht knapp 1.200 U/min bei 85 km/h. Hinzu addierten sich die konsequente Ausrüstung mit Active Prediction sowie Opticruise mit drei Schaltprogrammen. Deren vier sind insgesamt lieferbar: "Economy", "Standard", "Power" und "Offroad". Drei davon kann der Käufer ordern und beliebig kombinieren. Für den Kipper etwa "Standard", "Power" und "Offroad". Für den Fernverkehr auf schwieriger Topografie "Standard", "Economy" und "Power". Mit Blick auf Opticruise bleibt es dabei, dass Scania sowohl die vollautomatische Ausführung als auch die Version mit Kupplungspedal (zum Anfahren und Anhalten) liefert.

Spritspar-Modi wirken sich auch auf den Fahrer aus

Das unterschiedliche Tun der Programme ist deutlich spürbar und die Spanne der Empfindungen hinter dem Lenkrad reicht von Lethargie bis Vehemenz. Im Power-Modus macht die Steuerelektronik richtig Dampf, schaltet Active Prediction ab, nutzt die hohen Leistungen und schaltet, wenn nötig, äußerst zügig abwärts. "Standard" heißt so etwas wie normale vorausschauende Fahrweise, ist ein durchaus guter Kompromiss aus Fahrdynamik sowie Verbrauch und lässt in Kombination mit Active Prediction nur relativ kleine Abweichungen (sechs Prozent nach unten, vier Prozent nach oben) vom vorgegebenen Marschtempo zu. Bei der Präsentation von Active Prediction vor anderthalb Jahren betrug die Abweichung nach unten noch acht Prozent. 

Zwölf Prozent nach unten sind es – wie gesagt – im Economy-Programm. Während der Fahrt lässt sich trefflich von Programm zu Programm umschalten, sodass der Fahrer jederzeit in die Schaltstrategie eingreifen kann, den einen Berg nimmt er mit "Economy", den nächsten etwas zügiger mit der Standard-Methode. Und geht es um die letzten Reserven, etwa bei einem Überholmanöver in einer Steigung, dann kurz auf "Power" und vorbei. Am besten funktioniert das erweiterte Know-how von Opticruise zusammen mit Active Prediction, die grundsätzlichen Fahrstrategien arbeiten aber auch ohne den vorausschauenden Tempomaten.

Sparen auch abseits der Straße

Für den Offroad-Modus gilt: Der Name ist Programm und steht für eine Software, die im schweren Gelände zu Hause ist, aber auch für andere Transporte (etwa Holz) taugt. Generell schaltet "Offroad" schneller, versucht mit möglichst wenig Zugkraftunterbrechungen auszukommen und nutzt, auch wenn es nicht immer ganz wirtschaftlich ist, den kompletten fahrbaren Drehzahlbereich. Traktion geht vor.

Zu diesen vier Schaltprogrammen von Opticruise gesellt sich jetzt  eine "Basic" genannte Variante mit eingeschränkten Eingriffsmöglichkeiten für den Fahrer. "Basic" arbeitet mit Active Prediction (oder dem Vorgänger Ecocruise), muss ohne Kick-down auskommen und begrenzt das maximale Tempo auf 80 oder 85 km/h. Manuelle Eingriffe ins Schaltgeschehen sind nur bis Tempo 50 möglich. Kombinieren lässt sich "Basic" mit den Fahrprogrammen "Standard" und "Economy". Die Opticruise-Bedienung ist an dem bekannten Lenksäulenhebel zusammengefasst. Dazu zählen auch die Aktivierung des Manövrier-Modus und die Wahl der Fahrprogramme. Welches jeweils aktiviert ist, zeigt das Display.

Zweite Euro-6-Generation

Im Zusammenhang mit dem 12,7 Liter großen DC13-Motor spricht Scania bereits von der zweiten Generation von Euro-6-Motoren. Sie arbeiten mit verbessertem Motormanagement und erleichterter Atmung. Hinzu addiert sich ein abschaltbarer Luftpresser mit pneumatisch betätigter Kupplung. Feinarbeit gab’s auch am übrigen Triebstrang: Ein neuer, einfach übersetzter Achseinsatz (R885) soll bei schweren Einsätzen den Verzicht auf Außenplaneten möglich machen. Die Übersetzungen reichen in sechs Stufen von 2,87 bis 4,30 zu 1.

Hinzu kommen optimiere Getriebe mit geringer Ölfüllung und geringeren Panschverlusten, die den Verbrauch marginal senken. Dabei handelt es sich um die bekannten Zwölfgang-Varianten GRS 895 und GRS 905, die jetzt zudem  auch höheren Eingangsdrehmomenten und den Kräften (2.700 Nm) des 520 PS (382 kW) starken V8-Motors standhalten.

Alles in allem sollen die DC13-Motoren der zweiten Generation um zwei bis drei Prozent sparsamer laufen. Den Rest zur versprochenen achtprozentigen Ersparnis tragen Economy-Programm, verbesserte Aerodynamik und Active Prediction bei.

Im Topmodell zählt Power statt Economy

Ganz neu im Scania sind vier Zwölf-Volt-Batterien. Jeweils zwei sind hintereinandergeschaltet, passen – von Ausnahmen abgesehen – in die übliche Batteriebox und teilen sich die Aufgaben. Zwei sogenannte AGM-Batterien (optimierte Blei-Akkus), wie sie aus Pkw mit Start-Stopp-Systemen bekannt sind, versorgen ausschließlich den Anlasser. Alle übrigen Stromverbraucher speisen zwei Gelbatterien.

Ein Ritt auf der Kanonenkugel, also eine Tour mit einem 730 PS starken Euro-6-Motor, war bei der Stippvisite in Schweden nicht möglich. Euro 6 und V8 sind bisher "nur" mit 520 und 580 PS respektive 2.700 und 2.950 Nm zu bekommen. Die Abgasreinigung setzt prinzipiell auf die gleichen Komponenten wie bei den 450 und 490 PS starken Sechszylindern der Baureihe DC13. Allerdings fällt die "Chemiefabrik" rechts am Rahmen deutlich voluminöser aus: 650 Millimeter misst der umgebaute Schalldämpfer hinter dem Sechszylinder-Motor, fast ein Meter ist es beim V8. 

Ganz zum Schluss gab es allerdings trotzdem noch die Gelegenheit, einen Scania R730 zu fahren. Zwar handelte es sich dabei noch um die alte Version in Euro 5, dafür aber mit gut 100 Tonnen an der Sattelkupplung. Und ganz ohne Economy-Programm. Denn bei solchen Gewichten geht es ausschließlich um Power.

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