Scania P280 Der schwere Leichte

Scania P280 Foto: Karl-Heinz Augustin 12 Bilder

Im Segment der Solo-Lkw mit 18 Tonnen spielt der Scania P280 eine außergewöhnliche Rolle: Er kann und will die Abstammung vom schweren Lkw nicht leugnen.

Er steht im Schatten seines großen Bruders R und bekommt zudem immer mehr Konkurrenz vom Scania G: Die Rede ist von jenen  Scania, die ein P in der Typenbezeichnung tragen. P steht bei Scania für ein sehr tief montiertes Fahrerhaus mit nur rund 1.100 Millimeter Einstiegshöhe, aber auch für einen Motortunnel, der fast einen halben Meter in die Kabine ragt.  P steht allerdings auch für ein eingeschränktes Leistungsangebot, das bei 230 PS (169 kW) aus einem 9,3 Liter großen Fünfzylinder beginnt und schon bei 420 PS (309 kW) aus einem 11,7 Liter großen Sechszylinder wieder endet. Nicht im Scania P zu bekommen sind die stärkeren Varianten des Sechszylinders mit 12,7 Liter oder gar der große V8.

Scania bietet eine große Auswahl von Fahrerhäusern

Reichlich Auswahl bietet Scania dafür bei den Fahrerhäusern. Es gibt sie kurz (CP14), mittellang (CP16) und lang (CP19) in drei Dachhöhen, zu denen sich noch zwei unterschiedlich lange Mannschaftskabinen und das in drei Höhen lieferbare Low-Entry-Fahrerhaus addieren. Elf P-Varianten gibt es also.

Der P280, der zum Test antrat, trug das mittellange Fahrerhaus CP16, das in etwa für 1.600 Millimeter Innenlänge steht, ziemlich exakt 1.500 Millimeter Innenhöhe bietet und Platz für eine schmale Liege lässt. Die misst in der Mitte 500 Millimeter in der Breite, muss aber hinter dem Beifahrersitz ausgeklappt werden, um Platz für den Oberkörper zu schaffen. Die nochmals kürzere und etwas leichtere Variante CP14 ist auch für den Verteilerverkehr sehr knapp geschnitten und endet direkt hinter dem Fahrersitz.

Der Zweiachser trägt einen Kofferaufbau von Junge in gängiger Länge (7.400 Millimeter). Solche Fahrzeuge liefert Scania komplett ab Werk, auch mit Ladebordwand. 18 Paletten passen hinein, die allerdings nicht zu schwer sein dürfen. Denn alles in allem steht der P280 vollgetankt (300 Liter) mit rund 9.300 Kilogramm auf der Waage, von denen 6.700 Kilo auf das Chassis und 2.600 Kilo auf den Aufbau samt 1.500 Kilogramm tragender Ladebordwand entfallen. Bleibt eine Nutzlast von rund 480 Kilogramm pro Palette oder 290 Kilogramm pro Rollbehälter. Das reicht in aller Regel, um Stückgut zu verteilen oder Lebensmittelmärkte mit dem üblichen Trockensortiment zu beliefern, aber kaum für die Getränkeverteilung oder ähnliche Einsätze mit schweren Ladegütern.

Hohes Leergewicht

Grund für das relativ hohe Leergewicht ist das Baukastenkonzept von Scania. Denn beim P280 handelt es sich nicht um einen nach oben ausgebauten Leicht-Lkw à la DAF LF 55 oder Iveco Eurocargo mit kleinen Motoren, kompakten Fahrerhäusern und leichtem Triebstrang, sondern um einen veritablen Schwer-Lkw, der von oben nach unten entwickelt wurde und auf das Rückgrat eines Scania R aufbaut. Dieser kleine Unterschied macht sich ebenso beim Kaufpreis bemerkbar. Auch der Fünfzylinder namens DC9 29 trägt nicht zum Leichtbau bei. Er wiegt trotz kompakter Bauweise und nur 9,3 Liter Hubraum gut und gerne 1.000 Kilogramm, geriet aber immerhin zwei, drei Kilogramm leichter als die beiden größeren Sechszylinder-Motoren DC12 und DC13.

Wer die wenigen Versuche mit fünf Zylindern im Lkw (etwa bei MAN) noch in schlechter Erinnerung hat, weil sich kein ordentlicher Rundlauf einstellen wollte und der Motor seine Anbauteile förmlich abschüttelte, darf im Fall Scania durchaus staunen. Dieser Fünfzylinder läuft so rund, dass die ungerade Zylinderzahl, die normalerweise reichlich Massenmomente der ersten und zweiten Ordnung produziert, gar nicht weiter auffällt. Konstruktiv gelöst hat Scania dies mit zwei gegenläufigen Ausgleichswellen, die mit doppelter Kurbelwellendrehzahl rotieren und so hauptsächlich die Massenmomente der zweiten Ordnung eliminieren.    

Auch bei der Abgasreinigung tanzt der Fünfzylinder Scania-typisch aus der Reihe. Als EEV-Motor reichen ihm eine Abgasrückführung, ein Partikelfilter und ein Turbolader mit variabler Geometrie. Adblue braucht dieser Motor nicht. Für die Einspritzung verantwortlich zeichnet das zusammen mit Cummins entwickelte Common- Rail-System XPI mit maximal 2.400 bar Druck. Die freilich liegen nicht immer an, sondern variieren in Abhängigkeit vom Bedarf. Der durchschnittliche Arbeitsdruck beträgt 1.800 bar, im Leerlauf sind es nur 500.

Drehmoment wird nur zögerlich aufgebaut

Mit 280 PS (206 kW) und 1.400 Nm Drehmoment, die zwischen 1.000 und 1.350/min konstant anliegen, scheint der 18-Tonner üppig motorierisiert, wirkt in der Praxis allerdings nicht immer so leichtfüßig, wie es das gute Verhältnis von Leistung und Gewicht (15,5 PS/Tonne) verspricht. Denn trotz variablem Lader baut der Fünfzylindermotor nach dem Schalten oder beim Wechsel von Schub- in den Zugbetrieb nur relativ langsam und zögerlich Drehmoment auf. Ein Blick auf die Messwerte zeigt aber, dass die Fahrleistungen generell in Ordnung gehen. Denn selbst auf der bergigen Autobahn der Teststrecke schaffte der Verteiler ein Mittel von 83,0 km/h, auf dem äußerst schwierigen Bundesstraßen-Parcours waren es 57,1 km/h.

Mittlerweile im Scania P zu bekommen ist auch das Achtgang-Range-Getriebe GR875 in Kombination mit der Zweipedal-Automatik Opticruise. Bisher gab es Opticruise für dieses Getriebe nur in der Version mit Kupplungspedal. Die Automatik schaltet dann zwar grundsätzlich selbsttätig, ist beim Anfahren und Anhalten allerdings auf den linken Fahrerfuß angewiesen. Gerade im Verteilerverkehr und auf Kurzstrecken dürfte die Zweipedal-Version deutliche Vorteile haben. Der Listenaufpreis: gut 1.800 Euro.

Strecke verwirrt Getrieberechner

Von der Perfektion, die Opticruise in Kombination mit den Zwölfgang-Getrieben in einem Scania R oder G an den Tag legt, ist die Achtgang-Variante aber ein Stück entfernt. Die Schaltstrategie passt nicht immer zur Topografie und bergab weiß der Getrieberechner mitunter nicht, was er tun soll. Mal bleibt er im gerade gefahrenen Gang, mal schaltet er willkürlich und überflüssigerweise abwärts. Eine Logik ist dabei nicht zu erkennen. Bei 18 Tonnen auf zwei Achsen lässt sich aber damit leben. 

Auch die acht Gänge reichen nicht unbedingt in allen Lebenslagen. Trotz relativ kleiner Spreizung (9,17 bis 1,00) und damit enger Stufung des GR875-Getriebes findet sich in Steigungen nicht immer die gewünschte Zahnradpaarung, was am Berg manchmal recht hohe Drehzahlen zur Folge hat.

Motor und Antriebsstrang passen prima zusammen

Auf den Verbrauch hat das allerdings wenig Einfluss. Mit rund 20 Litern pro 100 Kilometer lässt sich der Scania zügig über flache und hügelige Autobahnen bewegen, als Testverbrauch ergaben sich einschließlich einer schweren Landstraßenstrecke 27,2 Liter. Mit einem höher bauenden Dachspoiler, der den eckigen Aufbau besser abdeckt, müsste der Verbrauch gerade auf schnellen Passagen noch besser sein.

Von den kleinen Einschränkungen abgesehen, die das Achtganggetriebe mit sich bringt, passen Motorkraft und Triebstrangauslegung mit einer Achsübersetzung von 3,07 zu 1 prima zusammen. Zumindest bei 18 Tonnen Gesamtgewicht, vermutlich auch noch im Dreiachser mit 25 oder 26 Tonnen. Im Zugbetrieb – immerhin 36 Tonnen gesteht Scania dem P280 zu – müssen eine kürzere Achse und etwas mehr Leistung zum Einsatz kommen. Bis 320 PS (235 kW) aus dem 9,3 Liter großen Fünfzylinder waren bisher möglich. Zur IAA stellt Scania eine 360-PS-Variante (265 kW) als EEV-Motor und vier Leistungsstufen in Euro 6 vor.

Die neuen Euro-6-Motoren arbeiten mit unterschiedlicher Abgasreinigung. Die Leistungsstufen mit 250 und 280 PS (184 und 206 kW) verfügen über Abgasrückführung und eine SCR-Anlage, während die beiden stärkeren Motoren mit 320 und 360 PS (235 und 265 kW) Euro  6 nur mit einer SCR-Anlage erreichen. 

Fahrgestell schluckt die meisten Unebenheiten

Das rundum luftgefederte Fahrgestell lässt den kleinen Scania kommod rollen,  schluckt die meisten Unebenheiten und verträgt sich gut mit der Vierpunkt-Schraubenfederung unter dem Fahrerhaus. Die Verstellwege der Luftfederung garantieren auch, dass sich das Fahrgestell leicht an hohe Rampen anpassen lässt und beim Abladen von Rollbehältern in die Waagerechte gebracht werden kann. Die serienmäßige Vorderachslast von 7.100 Kilogramm ist allerdings recht knapp bemessen, weil gerade im Verteilerverkehr oft mit Teilladung gefahren wird, die zum größten Teil auf die Vorderachse wirkt. Die Traglastreserve beträgt mit dieser Achse gerade mal 2.300 Kilogramm, bei der nächst größeren Achse 2.700 Kilo. Bis neun Tonnen Achslast sind insgesamt möglich.

Beim Fahren vermittelt auch der Zweiachser P280 durchaus Scania-Feeling. Die Geräuschkulisse ist für einen Verteiler-Lkw sehr niedrig, von der kommoden Luftfederung war schon die Rede und beim Fahrverhalten gilt: ruhiger Geradeauslauf, exakte Lenkung. Die Bedienung stammt aus dem Baukasten und zeigt sich logischerweise genauso übersichtlich und ergonomisch wie im Scania R oder G. Schlecht zu erreichen ist der kleine Knopf für die Motorbremse, von der bei bescheidenen 181 kW Bremsleistung nicht viel zu spüren, aber im Betrieb auch fast nichts zu hören ist. Es muss schon mehr als Nenndrehzahl sein, dass die Auspuffklappe spürbare Bremsleistung aufbaut.

Das Fazit? Der P280 ist ein etwas schwer geratener, aber sparsamer 18-Tonner mit hohem Komfort, recht viel Leistung und leicht erhöhtem Kaufpreis.

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