Viehtransport in Schleswig-Holstein Lichtgestalt

Viehtransport in Schleswig-Holstein Foto: Inka Stute 9 Bilder

Thomas Schnelle transportiert Vieh. Seinen Lkw kennt jeder in der Szene: als Bekenntnis zu mehr Licht.

Thomas Schnelle klettert aus dem Fahrerhaus. Er sieht aus, als käme er gerade aus dem Fitnessstudio: breites Kreuz, kräftige Oberarme, Kurzhaarschnitt. "Das kommt ­alles nur von der Arbeit", meint Thomas mit Blick auf seine Muskeln. Eine Muckibude hat er nicht nötig. Er transportiert Vieh.

Thomas ist der einzige Fahrer der kleinen Firma Heinrich Hachmeister in Lahstedt, nördlich von Salzgitter. Sein Chef kümmert sich um den Handel. Thomas organisiert den Transport vom Bauern zum Schlachthof oder zu anderen Abnehmern. Er ist der richtige Mann für den Job, denn er strahlt Ruhe aus: "Das ist wichtig für die Tiere. Die dürfen sich nicht aufregen, besonders nicht auf ihrer letzten Reise." Denn gestresste Tiere sehen erstens nicht gut aus und Thomas will schließlich beste Ware abliefern. Zweitens leidet auch die Qualität. "Schweinefleisch wird ­regelrecht wässerig", sagt der Fahrer.

Viehtransporte sind nichts für Anfänger

Der Viehtransport fordert den ganzen Mann. "Das ist sicher kein Job für Anfänger", meint Thomas. Er muss sein Fahrzeug beherrschen, da er oft auf engen Feldwegen fährt und wenden muss, wo eigentlich kein Platz ist: "Wenn du auf den Höfen rangierst, das ist abenteuerlich." Thomas hat deshalb eine Rückfahrkamera an Bord: "Sogar mit Ton."

Seine Arbeit ist anstrengend, besonders das Hantieren mit den Böden. Auch die ­Tiere haben ihre Eigenarten. Thomas muss oft persönlich auf die Weidewiese hinaus, um das Rindvieh zum Transport anzulocken. Dann ist Geduld gefragt und ein Büschel Gras oder Heu. Auf die Frage, ob die Bullen das Risiko seien, antwortet Thomas: "Weniger. Du musst sie natürlich ständig beobachten. Aber eigentlich schubsen die dich nur. Richtig gefährlich sind die Mutterkühe mit Kälbern. Die kennen keine Gnade und töten dich gezielt."

Bestmögliche Bedingungen für die Tiere an Bord

Der Viehtransport hat seine eigenen ­Regeln. Wasser für die Tiere ist ein Thema, auch die richtige Temperatur, die Thomas am Motorwagen überwacht und mit Ventilatoren steuern kann. Die beste Methode ist jedoch die richtige Tageszeit. Im Sommer wird der Fahrer daher zum Frühaufsteher. Ein Arbeitsbeginn um ein, zwei, drei oder vier Uhr ist dann nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Schon das Beladen dauert ein bis zwei Stunden. "Später wäre es für die Tiere viel zu heiß", sagt er.

Lebende Fracht fordert auch während der Fahrt eine liebevolle Behandlung. Scharfes Anfahren und Bremsen ist nicht angesagt, auch keine flotten Kurvenfahrten. "Bei Schweinen geht das vielleicht noch, aber Rindviecher haben einen hohen Schwerpunkt." Wenn es dumm läuft, kann sogar das Fahrzeug umkippen. Das verändert den Fahrstil des Chauffeurs: "Du musst vorausschauend unterwegs sein, den Straßenverlauf überblicken und die möglichen Fehler anderer Verkehrsteilnehmer rechtzeitig einkalkulieren." Mit anderen Worten: Thomas pflegt einen vorbildlichen Öko-Fahrstil.

Unterwegs in der Region

Er ist überwiegend regional unterwegs: Schleswig-Holstein, Kassel, Lüdinghausen, Altmark. "Ich mag die Kunden. Da geht es menschlich zu. Die Bauern laden mich oft zum Kaffee ein", so Thomas. An Bord sind Rinder, Schweine, Schafe oder Ziegen. Thomas spult im Jahr rund 120.000 Kilometer ab. Er ist 36 und seit 18 Jahren Berufskraftfahrer. "Meine Welt ist das Fahren", meint er.

Er hat bei Adalbert Wandt in Braunschweig gelernt, dem jetzigen Präsidenten des Bundesverbandes Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL). Da wurden die Lkw am Wochenende immer penibel auf dem Hof ausgerichtet wie Zinnsoldaten. Schikane? Nein, ein gutes Training. Die Leidenschaft für den Lkw ist in der Familie Schnelle ein "Erbleiden". Der Vater ging 30 Jahre lang auf Tour.

Thomas hat in seinem Job viel ausprobiert und häufig die Firma gewechselt: "Ich wollte ganz bewusst Silo, Sattelzug, Hänger oder auch Kipper fahren." Durch Zufall und Bekannte ist er schließlich bei Hachmeister und dem Viehhandel gelandet.

Angenehme Arbeitsumgebung

Hier passt alles. Der Chef spendiert ein Handy mit Flatrates und Thomas sagt: "Mir macht der Umgang mit dem Vieh Spaß." Außerdem darf er sich seit Neuestem über einen Actros Gigaspace 2651 freuen: "Das ist ein absolutes Highlight und für mich Motivation pur." Als der Mercedes-Vertreter bei Hachmeister aufkreuzte, saß Thomas mit am Tisch und hat sich beispielsweise für die ­große Kabine entschieden, trotz Nahverkehr: "Ich möchte mich vernünftig bewegen. Außerdem habe ich oft Wartezeiten, in denen ich mich hinlegen kann und dann würde mich das ewige Umbauen nerven."

Der Actros ist für ihn eine neue Dimension des Lkw-Fahrens, da er ein Cockpit wie ein Pkw habe. Und dann natürlich die große Maschine. In der Viehbranche seien alle Fahrer mit starken Motoren unterwegs, wegen der Gewichte. Thomas schätzt auch die großen Außen-Staufächer. Außerdem gebe es auf den Festivals schon so viele Scania. Ein fein hergerichteter Actros sei dagegen eher noch eine seltene Erscheinung.

Verein für mehr Lichterglanz

Trotz guter körperlicher Verfassung erwischte Thomas vor zwei Jahren ein Bandscheibenvorfall. Da war er einige Wochen krankgeschrieben. Viel unfreiwillige Zeit zum Nachdenken und für seine Freunde auf Facebook, die ihn Pelle – reimt sich auf Schnelle – nennen. Es entstand die Idee von Pro-Lkw-Beleuchtung. Die Resonanz im Internet war so groß, dass er sich entschloss, einen Verein zu gründen. "Es war eigentlich aus Jux. Ich hätte nicht gedacht, dass die Sache so abgeht", sagt er. Dabei ist die Beleuchtung von Lkw nur ein Thema von vielen, die Fernfahrer anpacken sollten. Genauso wichtig wäre etwa die Forderung nach mehr obligatorischen Assistenzsystemen im Lkw. Zwar müssen ab 2018 nach Verordnung der EU alle neuen Lastwagen mit einem Notbrems- und Spurhaltesystem ausgestattet sein. "Aber das ist noch zu wenig", meint Thomas. Er würde auch obligatorische Standklima­anlagen gut finden oder Tempo 80 auf gut ausgebauten Bundesstraßen.

Der tannengrüne Actros von Thomas ist ein Hingucker. Den Motorwagen und Hänger hat Finkl in Bissingen aufgebaut und auch die Beleuchtungseinrichtungen installiert. Dabei hat sich die Firma ganz präzise an die Vorgaben gehalten. Auf öffentlichen Straßen sind die Zusatzscheinwerfer und LED-Begrenzungsleuchten verboten. Es drohen Bußgelder bis 400 Euro und drei Punkte in Flensburg. Die kontrollierenden Beamten ­reagierten laut Thomas willkürlich: "Sie haben Ermessensspielräume." Deshalb hat er die zusätzlichen Beleuchtungseinrichtungen an seinem Zug über einen Extra-Schalter so verdrahtet, dass er sie nur zu Showzwecken und zur Pflege des Brauchtums bei Fernfahrer-Treffen auf privatem Gelände anknipsen kann.

Hektik auf der Straße, Ruhe privat

Thomas liebt das Leben auf dem Land und wohnt in einem kleinen Ort am Ende einer Sackgasse, sehr ruhig gelegen: "Wenn da die Vögel zwitschern, ist das der richtige Ausgleich für den Job, den Stress und die Hektik auf der Straße." Thomas hat passend zu seinem Lkw auch drei T-Shirts und Pullover in Tannengrün. Die hat der Chef, Karl-Heinz, spendiert. Beide wissen, dass der Zug die Visitenkarte des Viehhandels ist. Deshalb ist die Sauberkeit des Fahrzeugs oberste Pflicht, ebenso wie ein anständiges Auftreten des Fahrers in ­gepflegter Kleidung.

Dann spielen sich auf den Höfen regelmäßig lustige Szenen ab. Da steht dann ein Bäuerlein im fleckigen, verblichenen Arbeitsanzug und schlammbespritzten Stiefeln, schiebt die Basecap nach hinten, stemmt die Hände in die Hüften, schüttelt den Kopf und wundert sich. "Die Bauern werden manchmal wuschig, weil ich mich ein paar Mal umziehe, wenn es sein muss", erklärt Thomas. Raus aus dem Overall und den Stiefeln, rein in den Lkw, rangieren, wieder rein in den Overall und die Stiefel. Wenn es sein muss, passiert das öfter, je nachdem, wie viele Beladestellen der Bauer auf seinem Anwesen hat.

Aber da geht Thomas keine Kompromisse ein: "Ich will nicht, dass es in meinem Actros nach Stall riecht." So weit geht seine Tierliebe dann doch nicht.

Pro-Lkw-Beleuchtung

Thomas Schnelle ist Vorsitzender des Vereins "Pro-Lkw-Beleuchtung" in Lahstedt, der unter dem Motto "Mehr Licht, mehr Sicht, mehr Sicherheit" die gesetzlichen Vorschriften für die Beleuchtung am Lastwagen ändern möchte. Nach seiner Ansicht bedenken die Behörden nicht die Weiterentwicklung der Technik. "Wir leben im LED-Zeitalter. Moderne, richtig eingestellte Scheinwerfer blenden andere Verkehrsteilnehmer überhaupt nicht mehr. Aber das ist genau der Vorwurf der Beamten, auch dass die Signalwirkung verfälscht werde." Die Gegenposition von Thomas: "Wen stören denn die paar Lämpchen?" Er möchte beispielsweise erreichen, dass statt zwei Fernscheinwerfer bis zu sechs erlaubt sein sollten.

Ein anderer Punkt ist die Anhänger-Beleuchtung. Retroreflektierende Folien in Rot sind gesetzlich vorgeschrieben und strahlen stark zurück. Umlaufende LEDs sind dagegen verboten, obwohl sie bei Regen mit heraufspritzender Gischt deutlich besser wahrzunehmen sind. "Es gibt viele Ungereimtheiten und Widersprüche. Wir wollen, dass die Politiker sich mit dem Thema auseinandersetzen." Thomas hatte auf der letzten IAA in Hannover auf dem FERNFAHRER-Stand eine Diskussionsrunde ins Leben gerufen, die live auf ET-Radio übertragen wurde. Spontan versammelten sich dazu über 250 Kollegen. Das Thema Licht beschäftigt viele Fahrer. Thomas‘ Facebook-Seite zählt über 2.000 Freunde, knapp 5.000 Leute klickten "gefällt mir". Jörgen-Arne Fischer vom Zubehörhändler Jumbo-Fischer möchte eine Umfrage unter Berufskraftfahrern starten und mit dem Ergebnis an die Politik herantreten. Ansonsten macht Thomas typische Erfahrungen: "Viele sagten erst ihre Unterstützung zu und meldeten sich dann nicht wieder, etwa die Verkehrswacht." Info: www.pro-lkw-beleuchtung.de und bei Facebook.

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