Regelmäßige wöchentliche Ruhezeit Blog zur Verwirrung um Bußgelder

Foto: Jan Bergrath

Während Belgien beim Verbot, die regelmäßige wöchentliche Ruhezeit im Lkw zu verbringen, konsequent durchgreift, hinterfragt das Bundesamt für Güterverkehr noch die unglückliche Umsetzung im deutschen Fahrpersonalgesetz.

Der kurze Filmbeitrag der Gruppe Soferi Professionisti EU ist auf Facebook gepostet, und er zeigt, was sich über Pfingsten auf einer von osteuropäischen Fahrern gerne frequentierten Tankstelle im belgischen Zeebrugge abgespielt hat. Überfallartig stürmen belgische Polizisten den voll besetzten Parkplatz, es kommt zu kleinen Handgemengen.Laut ersten belgischen Medienberichten wurden sieben Fahrer in Handschellen abgeführt. Demnach wurden 120 Fahrzeuge überprüft, 46 wurden beanstandet, das Bußgeld lag bei 113.000 Euro. Hier geht es zum Video.

Viele Anzeigen in Belgien

In Belgien gilt das Verbot, die regelmäßige wöchentliche Ruhezeit im Lkw zu verbringen, bereits seit 2014, allein der Unternehmer muss 1.800 Euro Bußgeld bezahlten. Doch bisher haben nur der europaweit bekannte belgische Hauptinspektor Raymond Lausberg und sein Team an der E 40 zwischen Aachen und Lüttich die landesweit einzigen aber dafür höchst effektiven Kontrollen durchgeführt. Seither sind so viele Anzeigen bei den belgischen Arbeitsrichtern im ganzen Land eingegangen, dass diese nun nicht mehr länger zuschauen wollten. Den Stimmen der aufgeregten Fahrer aus Zeebrugge zu entnehmen sind viele von dem Einsatz der Polizei offenbar nicht nur überrascht gewesen. Sie glaubten wohl auch, in Zeebrugge auf einer öffentlichen Tankstelle nicht nur vor der Polizei "sicher" sondern auch noch "im Recht" zu sein. Grob übersetzte Kommentare von rumänischen Fahrern zeigen, dass vielen von ihnen das Verbot noch gar nicht bekannt ist. Oder dass sie es damit verwechseln, dass die EU-Kommission nun eine Änderung bei der Frage der Taktung der Ruhezeiten im Lkw im Rahmen der Straßeninitiative plant. Doch diese wird, wenn überhaupt, wohl erst Anfang bis Mitte 2019 greifen. Bis dahin gelten ausschließlich die bestehenden nationalen Verbote. 

Belgien greift konsequent durch

Und Belgien greift jetzt durch. Das belegt nicht nur die jüngste Razzia gegen die Jost Gruppe sondern auch aktuelle Urteile gegen drei kleinere belgische Firmen aus dem Transportsektor, denen die Beschäftigung osteuropäischer Fahrer über Briefkastenfirmen in Osteuropa nachgewiesen werden konnte. Auch Raymond Lausberg und sein Team haben über Pfingsten wieder osteuropäische Fahrer quasi "auf frischer Tat", also im Lkw, angetroffen und in jedem Einzelfall die höchste Bußgeldsumme verhängt. "Dabei schauen wir uns über unsere Software immer das Gesamtbild an", so Lausberg, "und wir ahnden nur, wenn wir sehen können, dass die Fahrer wirklich über eine Zeit von fünf bis sechs Wochen oder länger am Stück im Lkw unterwegs sind."

Bislang keine Kontrollen in Deutschland

Auf der Gegenseite in Deutschland hat es bislang seitens des Bundesamtes für Güterverkehr, BAG, noch keine Kontrollen gegeben. Dabei ist seit dem 25.5. nun auch das deutsche Verbot, die 45 Stunden im Lkw zu verbringen, in Kraft. Und wie der Heilbronner Fachanwalt für Verkehrsrecht, Matthias Pfitzenmaier, in seiner ersten Auswertung des reinen juristischen Textes zur Ergänzung im deutschen Fahrpersonalgesetz für das Magazin FERNFAHRER analysierte, drohten laut der laufenden Nummer 111 aus dem aktuellen Bußgeldkatalog hohe Strafen bei Verstößen. Sie könnten sich nach der bisherigen Rechenart auf bis zu 2.430 Euro für den Fahrer kumulieren, wenn er das gesamte Wochenende auf dem Parkplatz im Fahrzeug verbringt, der Unternehmer muss mit bis zu 7.290 Euro rechnen. Das ist nun mittlerweile offenbar überholt. Es stellt sich in der Tat, wie Pfitzenmaier schrieb, als eine Fiktion heraus. 

Unglückliche Umsetzung im Fahrpersonalgesetz

Das ist wenig überraschend: Bereits in der Ausgabe 4 der Zeitschrift FERNFAHRER (siehe PDF im Anhang) hatte ich geschrieben: "Allerdings haben Experten aus dem Bereich der Sozialvorschriften und Straßenkontrollen nach den ersten Informationen, wie das nationale Verbot aussehen soll, Bedenken geäußert. Denn es wird ausdrücklich kein neues Bußgeld für den neuen Tatbestand erlassen. Das Verbot wird sich ausschließlich auf Artikel 8, Absatz 6, beziehen und damit auf die feste Abfolge von reduzierten und regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeiten im Laufe von zwei Wochen… Ein gewagter Ansatz, der, wenn sich die ersten Unternehmen dagegen gerichtlich zur Wehr setzen, am Ende sogar noch vor dem EuGH landen könnte."

BAG möchte ein festes Bußgeld

Dazu wird es wohl nicht mehr kommen, denn ausgerechnet das BAG erklärt nun kurz vor Pfingsten auf meine Anfrage, dass das Verbot als solches zwar zu kontrollieren sei und das BAG sein Personal dafür natürlich auch aufstocken werde. Nur die Ahnung sei derzeit so nicht möglich. Wörtlich heißt es dazu: "Der Tatbestand mit der laufenden Nummer 111 kommt zur Anwendung, wenn die vorgeschriebene Ruhezeit unterschritten wird. Die jüngste Anpassung des Fahrpersonalgesetzes hingegen knüpft an das Verbringen der Ruhezeit am "falschen" Ort an (im Fahrzeug bzw. an einem Ort ohne geeignete Schlafmöglichkeit) und qualifiziert dies als Ordnungswidrigkeit. Für eine Ahndung kann der Tatbestand mit der laufenden Nummer 111 daher nicht herangezogen werden."
Aus diesem Grunde, so das BAG, habe die für Anpassungen des bundeseinheitlichen Tatbestandskatalogs zuständige Bund-/Länder-Arbeitsgruppe daher einen neuen Tatbestand erstellt, der Bußgelder in Höhe von 500 € (Fahrer) und 1.500 € (Unternehmer) vorsieht, wenn die regelmäßige wöchentliche Ruhezeit im Fahrzeug oder an einem Ort ohne geeignete Schlafmöglichkeit verbracht wird. Diese "Flatrate" wäre somit deutlich günstiger als die bisher vorgesehene Berechnung nach Stunden. "Zwar haben diese Beträge bisher noch keinen Eingang in den bundeseinheitlichen Bußgeldkatalog gefunden", so schreibt das BAG weiter, "und es ist insoweit auch noch mit Anpassungen zu rechnen. Bis eine abschließende Abstimmung mit den zuständigen Landesbehörden und eine förmliche Anpassung des Bußgeldkatalogs erfolgt ist, orientiert sich die Ahndungspraxis des Bundesamtes jedoch an diesen Bußgeldsätzen." Wann das allerdings der Fall sein wird konnte das BAG auf meine Nachfrage noch nicht sagen. Je früher desto besser, kann ich dazu nur sagen, denn es ist mit diesem Verbot nun schon genug Verwirrung gestiftet worden. 

Terminhinweis:

Das Thema "Verbot der Verbringung der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit im Lkw" polarisiert. Aus diesem Grund gibt es dazu unter meiner Moderation am 1.7. ab 16 Uhr am Stand des FERNFAHRER beim Truck Grand Prix am Nürburgring eine Podiumsdiskussion. Als Gäste geladen sind: Jürgen Cierniak, Richter am Bundesgerichtshof, Hauptinspektor Raymond Lausberg aus Belgien, ein hochrangiger Beamter aus dem Straßenkontrolldienst des Bundesamtes für Güterverkehr in Köln, Jörn Biedenkapp von der Spedition Schuldes aus Alsbach, Ralph Werner von Verdi aus Berlin sowie der Lkw-Fahrer Christoph Brinker.

Download Thema des Monats aus FERNFAHRER: EuGH-Ruhezeit (PDF, 0,78 MByte) Kostenlos
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