Farbstreifen auf Lkw galten zu DDR-Zeiten als ziemlich ausgeflippt. "Lackkunst Niedergesäß" war‘s egal.
Niemand ahnte in den 80er-Jahren, dass die DDR bald Geschichte sein würde. Und Peter Niedergesäß eröffnete in Cottbus voller Zuversicht einen Lackierbetrieb für Kraftfahrzeuge.
Farben, Spritzpistole, Lackierkabine waren Mangelware
Die Versorgung mit Farben war schwierig und die ersten Gefährte wurden noch unter freiem Himmel, einfach neben der Straße oder auf einem Parkplatz lackiert. Der Betrieb verfügte damals noch nicht einmal über ein eigenes Telefon, die Gaststätte auf der anderen Straßenseite half weiter. Vater Felix, der bereits in der DDR einen privaten Omnibusbetrieb unterhielt, fuhr bis nach Frankfurt zu einer Messe, um Prospektmaterial für Spritzpistolen, Lackierkabinen und dergleichen zu organisieren. All diese Dinge waren Mangelware in der DDR. "Manche Geschichten hören sich heutzutage wirklich haarsträubend an", erinnert sich Peter. Jetzt kann er darüber lachen. Aber so waren damals die Startbedingungen.
Erfolgsrezept Familienbetrieb
Heute hat "Lackkunst Niedergesäß" neun Angestellte, die Mitglieder der Familie noch nicht einmal hinzugerechnet. Und hier versteckt sich auch das eigentliche Erfolgsrezept: In dem Familienbetrieb geht jedes Mitglied seinem Beruf oder, besser gesagt, seiner Berufung nach. Sie ziehen an einem Strang und halten zusammen. Jeder hat seinen angestammten Platz und seine genau beschriebenen Aufgaben.
Papa Peter ist der Chef der Firma und mit zwei Meistertiteln als Kfz-Schlosser und Lackierer hauptsächlich für die Kundenbetreuung zuständig. Er sorgt dafür, dass der Laden rund läuft. Mama Margit führt das Büro und erledigt die Buchhaltung. Sohn Markus ist als gelernter Bürokaufmann und Kfz-Lackierer fast ausschließlich für die künstlerischen Aspekte zuständig: Airbrush-Lackierungen, Designentwürfe, Effektlackierungen, Farbverläufe und Pinstriping, das Arrangement von Zierlinien. Tochter Maria ist als gelernte Mediengestalterin für die Werbebeschriftungen, das Fertigen von Folien und Schablonen sowie das Mediendesign und die Internetpräsenz verantwortlich.
Künstlerische Ader liegt in der Familie
Jedes Familienmitglied besitzt eine künstlerische Ader: Margit hatte ursprünglich mit dem Malen und dem Airbrush begonnen. Zugunsten von Familie und Firma wechselte sie aber ins Büro. Die Kreativität hat sie ihren Kindern vermacht.
Die Familie ist äußerst umtriebig und für alles schnell zu begeistern. Selbst die verrücktesten Ideen setzten sie konsequent in die Tat um. Das beweisen etwa Projekte wie der Porsche Streamler, ein wunderbar modifizierter Porsche-Diesel-Junior-Traktor. Und dann das "schnellste Blockhaus auf Rädern", ein Hingucker auf den Festivals, der sich regelrecht zum TV-Star entwickelte. Der mit einem Scania 420 bestückte Sattelzug drehte vor den Augen von Dekra-Experten immer schnellere Runden auf dem Lausitzring, bis schließlich Tempo 140 km/h erreicht war.
In der Trial- und Rallye-Szene zu Hause
Peter und Markus engagierten sich auch im Trialzirkus und dann in der Rallyeszene. Vor fünf Jahren endete das Engagement. Jetzt wollen es Vater und Sohn wieder aufleben lassen. Das Sportgerät wartet schon: ein Scania 4x4 mit Sicherheitsfahrgastzelle, 16 Liter Hubraum, 710 PS und kompletter Offroad-Ausrüstung.
Markus hat gut zu tun. Seine Fertigkeiten sind nicht nur im Lkw-Sektor sehr gefragt. Die Kunden müssen akzeptieren, dass es manchmal ein bisschen dauert, bis sie einen "echten Niedergesäß" in der Garage stehen haben. "Wir gehören mit unseren Arbeiten vielleicht nicht zu den billigsten Anbietern, allerdings verfolgen wir den Anspruch, dass Qualität und Ausführung stets über jeden Zweifel erhaben sein sollen", bringt Peter die Firmenphilosophie auf den Punkt. So sind die Arbeitstage lang. Es kommt häufig vor, dass Markus von 6 Uhr früh bis 19 Uhr abends in der Lackierkabine steht.
Da ist das alte DDR-Firmenschild, das aus nostalgischen Gründen immer noch am Eingang zum Büro hängt, Ironie in Reinkultur: Öffnungszeiten, Montag und Donnerstag, 8 bis 12 Uhr.
Mehr von Markus Niedergesäß lesen Sie übrigens in FERNFAHRER Supertrucks Spezial 2015.