Oldtimer: Faun HZ 70.80 Das Lokomobil

FAUN HZ 70.81 Foto: Jacoby, Faun Archiv 9 Bilder

Wer den gigantischen Faun HZ 70.80 zum ersten Mal sieht, Denkt glatt, dass sich eine Lokomotive auf die Straße verirrt haben muss.

Mit über zehn Meter Länge und 2,8 Meter Breite kommt die Schwerlastzugmaschine äußerst wuchtig daher. Dabei verbreitet sie ordentlich Lärm, denn den Antrieb bewerkstelligt ein kraftvoller 16-Zylinder-Motor, der wegen seiner Zweitakter-Bauweise ständig mit höheren Drehzahlen bewegt werden will.

Premiere bei Faun

Als Spanien sich Mitte der 1970er-Jahre von der Franco-Diktatur zur Demokratie wandelte, gab es enormen Nachholbedarf bei der wirtschaftlichen Entwicklung. Um damit verbundene Spezialaufgaben zu leisten, bestellte das spanische Transportunternehmen Izquierdo bei Faun im nordbayerischen Pegnitz zwei ganz spezielle Schwerlastschlepper. Noch nie hatte der damals noch eigenständige Fahrzeugbauer so große Einheiten produziert, stellte sich aber mutig dieser Herausforderung.

Allein das Fahrgestell mit Motor und Kabine wiegt 23 Tonnen, mit der Hydraulikwinde, Kupplungen, Zusatztanks und einer Lastbrücke für Traktionsgewicht kommen 32 Tonnen zusammen. Das technische Gesamtgewicht liegt bei 70 Tonnen, wenn voll aufballastiert wird, drücken vorne 30 und hinten 40 Tonnen auf die Doppelachsen. Über ein mechanisches Gesamtkunstwerk schwerster Kardanwellen werden alle vier Achsen angetrieben und die Differenziale sind sowohl in Längs- als auch in Querrichtung sperrbar. Der Motor ist ein schier unendlich langer 16-Zylinder in V-Form von Detroit Diesel. Er basiert auf einem modularen Baukasten, mit dem sich vom Vierzylinder zum 24-Zylinder alle denkbaren Leistungsanforderungen abdecken lassen. Früher war DD der Schwermotorenspezialist von GM (im Jahr 2000 an Daimler-Chrysler verkauft), zu dem ab 1970 auch der Getriebehersteller Allison gehörte. Von Letzterem stammt auch das automatische Wandlergetriebe mit Retarder, Typ DP 8961, das die Leistung von 820 PS in das jeweils passende Drehmoment an den Rädern umwandelt.

Das Dach liegt in 3,90 Metern Höhe

Standesgemäß ist die hydraulische Winde hinter dem Fahrerhaus, die mit ihrer enormen Kraft 25 Tonnen zu ziehen vermag. Das Zugseil kommt heckseitig aus dem Rahmen, kann über eine Umlenkrolle und eine Seilführung aber auch nach vorne hin genutzt werden. Der Aufstieg ist eine echte Kletterpartie, denn das Dach des Schleppers erreicht fast 3,90 Meter Höhe.

Per Bahn wurden die beiden Maschinen auf die Iberische Halbinsel geschickt. Dort mussten sie erst einmal umfangreiche Tests mit gewaltigem Betonballast absolvieren, die sie mit Bravour bestanden. Jahrelang arbeiteten die Vierachser im Duett, oft mit einer monströsen Kesselbrücken-Konstruktion, die ihre gewaltigen Gewichte auf zwei Laufwerke mit jeweils 14 Achslinien verteilte. Dann war immer ein Faun am Ziehen und einer am Schieben. Eines der Hauptprojekte, bei denen die Zugmaschinen verwendet werden sollten, war der Bau eines Atomkraftwerks in Nordostspanien. Angeblich sollen Drohungen der baskischen Terrororganisation ETA gegen das Vorhaben dazu geführt haben, dass diese Planungen niemals verwirklicht wurden. Das waren unter anderen die Gründe dafür, dass einer der beiden Fauns Mitte der 1980er-Jahre nach Südamerika verkauft wurde.

Der Schwerlastspezialist Mamut Andino nutzte die Maschine mit ihren 400 Tonnen Zugkraft von Ecuador aus, um die aberwitzigsten und schwersten Transportaufgaben in Südamerika zu lösen. Der technische Bruder verblieb in Spanien und soll dort bis heute immer wieder zum Einsatz kommen. Obwohl Faun mit dem Bau der Giganten eine technische Glanzleistung vollbrachte, folgte nur noch eine Bestellung von zwei ähnlichen Maschinen, allerdings noch gröber bereift, für einen ägyptischen Kunden.

Bis auf den Motor war der Zustand gut

Ein freier Journalist aus Deutschland, Ralf Koch, produziert zu diesem Thema Bücher, die "Faun Archive". Durch ihn wurde der Faun-Sammler Manfred Zollner auf den Riesenschlepper in Ecuador aufmerksam. Der hat eine Extra-Halle für alle Lastwagen dieser Marke ab zwölf Zylindern aufwärts, dazu noch edle Traktoren von Schlüter. Und als Mamut Andino sich entschloss, die alte Zugmaschine zu ersetzen, kaufte er sie und ließ die Rarität per Schiff und Tieflader in seine niederbayrische Heimat holen. Der Vierachser befand sich dank gründlicher Wartung und Pflege in einem akzeptablen Zustand. Lediglich der Motor verlangte nach einigen Einstellarbeiten.

Die heutzutage übliche Fahrweise, einen Dieselmotor möglichst niedertourig am Laufen zu halten, wäre für den Zweitakter Gift, dann würde der Motor in Kürze sauer werden. Manfred Zollner zeigt mir auf unserer kleinen Ausfahrt, dass man den Detroit Diesel ständig treten muss, um ihn auf hohen Drehzahlen zu halten. Dabei hilft, dass sich die Fahrstufen des Allisongetriebes trotz Automatik auch manuell vorwählen lassen.
Der bildliche Vergleich mit einem heutigen Standard-Lkw verdeutlicht das Gigantische der Zugmaschine. Auch der Wendekreis von knapp 25 Metern ist nicht gerade gering. Beträchtlich ist auch der Dieselkonsum, Faun gab ihn damals in der eigenwilligen Einheit von "bis zu 143 Liter pro Stunde" an. Schön jedenfalls, dass diese technische Legende nicht auf dem Schrottplatz der Lastwagengeschichte gelandet ist.

Dieser Artikel stammt aus diesem Heft
FERNFAHRER Titel 1/2016
FERNFAHRER 01 / 2016
7. Dezember 2015
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7. Dezember 2015
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