Neuer Reisebus Lion’s Coach MAN bietet erstmals 13-Meter-Zweiachser an

MAN Lion's Coach Foto: Thorsten Wagner 11 Bilder

MAN bietet mit dem neuen Lion’s Coach erstmals einen 13-Meter-Zweiachser. Wir konnten ihn direkt mit seinem kürzeren Bruder auf Mallorcas anspruchsvollen Landstraßen vergleichen.

Es ist gar nicht lang her, da galt der MAN Lion’s Coach in der Buswelt als pummeliges Mauerblümchen, das, wenn überhaupt, mit den Reizen eines günstigen Preises lockte. Vor allem das rundliche Design, dem alle paar Jahre eine an das wechselnde MAN-Image angepasste Bugmaske verpasst wurde, war seit 2002 beinah unverändert. Innovationen wie ein langer Zweiachser oder ein modernes Fahrwerk mit adaptiven Dämpfern oder eine aktiv gelenkte Nachlaufachse blieben aus. Solche Dinge konnte seit 2006 der Neoplan Cityliner, das letzte noch in Stuttgart gestartete Projekt der Premiummarke, das auf dem spektakulären Starliner basierte, besser. Dass trotzdem seither mehr als 7.500 Busse verkauft wurden, ist vor allem dem Ruf der Zuverlässigkeit und der Motorenkompetenz von MAN zu verdanken, weniger dem "Sexappeal" des braven Reisebusses.

MAN Lion's Coach Foto: Thorsten Wagner
Schon ein Jahr vor dem MAN Truck zieren die neuen Scheinwerfer den Lion’s Coach.

Elegante LED-Scheinwerfer ermöglichen erstklassige Sicht

Dieses Image dürfte aber spätestens mit dem erweiterten Facelift, das der Umstellung auf die Umsturznorm ECE R66.02 zu verdanken ist, der Vergangenheit angehören. Zwar mag man argumentieren, dass es nach rund 15 Jahren Bauzeit durchaus Zeit gewesen wäre für eine komplette Neukonstruktion des Reisebusses. Aber was MAN auf die Räder gestellt und in Kortrijk erstmals der breiten Öffentlichkeit gezeigt hat, kann sich durchaus sehen lassen. Das beginnt nicht zuletzt bei der um 50 Prozent erhöhten Steifigkeit des Gerippes durch die bei Neoplan zuerst verwendete, patentierte "Rohr-in-Rohr-Versteifung", sondern auch mit einer Abspeckkur, die das daraus resultierende Mehrgewicht um 80 Kilo überkompensiert. Das neue, "Smart Edge" getaufte Design ist ein Quantensprung – für manchen Betrachter vielleicht sogar schon ein zu progressiver. Es bleibt abzuwarten, wie oft man zum Beispiel die schwarz lackierte, um 15 Kilogramm erleichterte Motorraumklappe in freier Wildbahn antreffen wird.

Löblich ist es von Konzernmutter MAN allemal, dem Reisebus – ganz entgegen der bisherigen Branchen-Usancen – schon ein Jahr vor dem neuem Lkw die eleganten LED-Scheinwerfer zu spendieren. Diese dürften nicht nur optisch schnell markenprägend werden, sondern auch für hervorragende Sicht sorgen. Deren grafische Verlängerung in die Seiten hinein ist sicher Geschmackssache, aber Teil der neuen, angriffslustigen Dynamik, die sich im modernisierten "Blade" der B-Säule fortsetzt. Auf Angriff haben die Bayern endlich auch in Sachen langer Zweiachser umgestellt – ein Feld, das man allzu lang unnötig und kampflos dem Wettbewerb überlassen hatte. Im Segment der langen Zweiachser tritt MAN allerdings zum rechten Zeitpunkt und gleich mit zwei Fahrzeugen an – schließlich ist der Neoplan Tourliner immer noch ein direktes Derivat, auch wenn dessen Überarbeitung ein Jahr früher vorgestellt wurde und er fast zum identischen Preis wie der MAN verkauft wird.

Wagen eignet sich vorzüglich als Fernlinienbus

Durch die neue Zulassung mit 19,5 Tonnen schafft es der verlängerte Zweiachser, sein Potenzial auszuschöpfen und bis zu sechs Sitzplätze mehr als die 12-Meter-Variante vorzuhalten (maximal sind es 59). Erstmals kann bei MAN die Toilette mit einem Doppelsitz überbaut werden. Um weitere Vorteile in der Gewichtsverteilung zu nutzen, wird nur in dieser Version der optionale Hublift mit einer zusätzlichen Schlagtür nicht hinten, sondern über der Vorderachse verbaut. Schließlich eignet sich der Wagen vorzüglich als Fernlinienbus. Die MAN eigene Vorderachse kann stolze acht Tonnen schultern, allerdings bedarf es wegen der erhöhten Traglast 315er-Reifen, was nicht jedem Unternehmer gefallen dürfte. Hinten wird immer die neue HY 1350 in der laufruhigen Busvariante verbaut, gerne mit der längsten Übersetzung von 2,73.

So wird das Drehzahlniveau um 13 Prozent gegenüber der alten 3,08er-Achse gesenkt, was aktiv Kraftstoff spart. Nicht sparen muss der Lion’s Coach C dagegen beim Ladevolumen. Zwischen 11,7 und 14,3 Kubikmeter (inklusive Gepäckablage) passen in den langen Radstand von rund sieben Metern.Das sind zwei mehr als beim kleinen Bruder oder dem kurzen Dreiachser und immer noch rund einer mehr als beim langen Dreiachser. – Das bedeutet für die maximal 59 Fahrgäste beachtliche 200 bis zu 242 Liter Stauraum. Leider hat es MAN genauso wie beim Tourliner versäumt, den Staufächern über den Achsen Klappen zu spendieren. Sie sind hinten immer noch nur von innen zugänglich und so eigentlich kaum nutzbar. Ebenfalls ein Wermutstropfen: Leider hat MAN dem neuen Modell keine eigene Bezeichnung gegönnt, daher kann er mit dem 13,26 Meter langen Dreiachser verwechselt werden.

MAN Lion's Coach Foto: Thorsten Wagner
Der extrem lange Radstand hat einen riesigen Kofferraum und auch Wendekreis zur Folge.

23,4 Meter sind der größte Wendekreis in den Löwenfamilie

Im Innenraum haben die Münchener wiederum vieles richtig gemacht. Eine neue Innendecke mit indirekter LED-Beleuchtung, besser greifbarem Ablagenabschluss, neue Farben und Polster sowie ein überarbeitetes Cockpit empfangen Fahrer und Fahrgast. Nettes Gimmick analog Neoplan: Bei den Einstiegen verrät eine beleuchtete Plakette an der Ablage, in welchem Modell man sich gerade befindet. Ob die grüne Farbe, analog der Nachtbeleuchtung in den Ablagenstützen, hier die attraktivste Wahl ist, sei dahingestellt. Definitiv die richtige ist das neue, etwas größere Farb-Display im Cockpit. Zwar ist das Anzeigefeld immer noch deutlich weniger auskunftsfreudig als etwa Daimlers Stacks-&-Cards-Menü, aber auch etwas intuitiver zu navigieren.

Die generelle Verteilung von Schaltern und Bedienelementen ist vor allem unterhalb des Fahrerfensters mit unsichtbaren Heizdrähten neu sortiert worden und weitgehend optimal zu nennen – bis auf den Warnblinker, der sich hinter dem Lenkrad versteckt. Das geht leider gar nicht – bitte ändern! Für den Begleiter, der weitgehend kommod untergebracht ist, fehlt derweil eine praktikable Ablage für Laptop und Co. bei geschlossener Kühlschrankklappe und ein optionaler Doppelsitz. Die eigentliche Überraschung aber zeigt sich beim Fahren des neuen Münchener Löwen – und das in beiden Zweiachser-Varianten. Zwar ist der lange C nicht ganz so agil wie sein kurzer Bruder, schließlich hat er mit 23,4 Metern den größten Wendekreis in den Löwenfamilie. Mallorquinische Bergstraßen verbieten sich also weitgehend von selbst, auf zivilen Straßen fällt das Handicap dagegen kaum ins Gewicht. Der Wagen überzeugt durch stoischen Geradeauslauf und hohe Laufruhe. Insgesamt wirkt er aber auch mit dem auf 460 PS und 2.300 Newtonmeter erstarkten D26-Motor (mit Euro 6c sind die kleinen D20-Varianten weggefallen) etwas träger als sein 12-Meter-Pendant mit dem Einstiegsmotor mit 420 PS.

Elektronisch gesteuerte Motorbremse zieht wieder in den Bus ein

Beide Maschinen bieten ihr maximales Drehmoment bereits unter 1.000 Touren feil, was dem Durchzug gut bekommt, bei Reisegeschwindigkeit drehen die Sechszylinder moderate 1.200 Touren. Dabei befleißigen sie sich guter Manieren, was die Lautstärke betrifft. Die ZF-12-Gang-Box ist eine alte Bekannte mit neuen Fähigkeiten, die auf moderne Namen wie "Speed Shifting", "Idle-Speed-Driving" oder "Hochschaltunterstützung mit EVBec" hören. Letzteres bezeichnet die elektronisch gesteuerte Motorbremse, die wieder in den Bus Einzug gehalten hat. Das Gute an den Fähigkeiten: Man bemerkt sie kaum, sie funktionieren einfach. Mit "Idle-Speed-Driving" kann sogar eine rudimentäre Art "Stop&Go"-Funktion für den Stau realisiert werden (langsames Rollen ohne Gas und automatisches Herunterschalten), die es nicht in den radargesteuerten ACC integriert gibt. Der wiederum wird vom prädiktiven Tempomaten Efficient-Cruise ergänzt, der beim Neoplan Tourliner im Test bis zu fünf Prozent einsparen konnte.

Die größte Überraschung erfährt der Fahrer jedoch in dem Moment, wenn die ersten horizontalen Unwägbarkeiten in der Fahrbahn auftauchen. Die im Lion’s Coach jetzt serienmäßigen, manuell adaptiven PVC-Dämpfer tun ihre Arbeit exzellent – auch wenn sie nicht elektronisch verstellbar sind wie das CDS bei Neoplan. Meidet der Fahrer normalerweise die quer über die Straße planierten Geschwindigkeitsrampen, so ertappt er sich in diesem Bus dabei, sich die nächste Welle regelrecht herbeizuwünschen. Einmal lautlos über den Hügel hinweggerollt, passiert in Folge: nichts! Kein Nicken des Vorderwagens, kein Aufschaukeln. Kurven werden neutral und stabil durcheilt, die im kurzen Wagen nochmals leichtgängigere und sehr präzise Lenkung trägt ihr Eigenes dazu bei – beim langen Wagen fordern das höhere Gewicht und die breiteren Reifen einen Tribut. Der 12-Meter-Wagen darf in Sachen Fahrbarkeit mittlerweile auf einer Stufe mit dem bisher im gleichen Haus als Benchmark geltenden Neoplan Cityliner gesehen werden. Und das soll für das ehemalige Mauerblümchen durchaus etwas heißen.

Technische Daten
MAN Lion's Coach Lion's Coach
Außenlänge 12.101 mm
Außenhöhe 3.870 mm
Zul. Gesamtgewicht 19.500 kg
Leergewicht 13.300 kg
Kraftstoff Diesel
Tankinhalt 400.00 l
Sitzplätze 44-53
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Dieser Artikel stammt aus diesem Heft
Lao 01 2018 Titel
lastauto omnibus 01-02 / 2018
9. Dezember 2017
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