Neoplan Tourliner Neuauflage aus türkischer Fertigung

Fahrbericht Neoplan Tourliner Reisebus Foto: Thorsten Wagner 12 Bilder

Der heimliche Star der IAA war die Neuauflage des ersten Neoplan aus türkischer Fertigung. Wir sind den Neoplan Tourliner als erste Redaktion ausführlich Probe gefahren.

Lange Jahre galt eine besondere Eigenart der Karosserie als untrügliches Kennzeichen für einen "echten" Neoplan: die um rund zehn Grad nach vorne geneigten Fenstersäulen, die seit dem Typ Hamburg in den 60er Jahren den Fortschrittsdrang der Marke aus dem Stuttgarter Süden symbolisierte. Die geneigten Säulen zieren auch den Doppeldecker Skyliner, der gerade so richtig ins Laufen kommt und eine lange Reise von Niederbayern, wo er zunächst in Pilsting gefertigt wurde, bis ins türkische Ankara hinter sich hat. Den Weg in die Türkei hatte rund 15 Jahren zuvor der Neoplan Tourliner bereitet. Er war der erste Reisebus, der nach der Übernahme der Traditionsmarke durch den Münchner MAN-Konzern auf der Basis des MAN Lion’s Coach entstand. . So richtig warm wurde vor allem die deutsche Kundschaft aber nicht mit dem türkischen Wiedergänger, zu verbunden war sie mit den die deutschen Wurzeln der Marke.

Das soll sich nun mit dem neuen Modell grundlegend ändern. Die Münchener wollen den Wagen jetzt wieder deutlich höher positionieren, was dem Vorgänger weitgehend versagt blieb. Und tatsächlich – der Reisebus, der ehemals als "Standardbus" am unteren Ende der Modell- pallette rangierte, gleicht in kaum einer wesentlichen Eigenschaft dem in die Jahre gekommenen Vorgänger.

Erste Fahrt bei Nacht durch die Dolomiten

Das Gerippe zum Beispiel musste strukturell für die neue Überschlagrichtlinie ECE R66.02 fit gemacht werden. Das brachte zunächst mal 300 Kilo Mehrgewicht mit sich, welches jedoch durch viele Einzelmaßnahmen an allen Bauteilen um 60 Kilo überkompensiert wurde. Dass dabei die Karosserie die geraden Fensterholme trotzdem behalten hat, zeigt, wie sehr sich die Zeiten geändert haben. Alte Zöpfe aus vergangenen Zeiten gelten kaum noch etwas – und das ist auch gut so. Der Reisewagen nimmt deutlich die aktuelle Neoplan-Designlinie an Front und Heck auf, wenn auch der stilisierte "Kometenschweif" aus B-Säule und Klimaanlagen-Abdeckung mehr die Rundungen des Fahrzeugs als die strenge Sharp-Cut-Linie betont. Der Sprössling geht sogar mit einem neuartigen, schwarzen Lidstrich nebst LED-"Angel Eyes" voran. Auch das Abblendlicht soll bald von dieser innovativen Lichtquelle befeuert werden. Das wäre von vornherein die bessere Wahl gewesen statt noch auf Xenon-Technik zu setzen.

Bei der ersten Fahrt durch die italienische Nacht in Richtung Dolomiten erweisen sich die Xenonlampen trotzdem als guter Lichtspender, zumal ein statisches Abbiegelicht bei Kurvenfahrten wirkungsvoll unterstützt. Die dezente Innenraumbeleuchtung spiegelt sich nicht in der Frontscheibe, die in klassischer MAN-Manier einteilig und mehr nach hinten als nach vorne geneigt ist – noch so ein Zopf, den die MAN- Designer kurzerhand abgeschnitten haben. Überhaupt hat sich im Innenraum viel Positives getan. Die Podeste – ein weiteres Neoplan-Relikt – sind verschwunden. Die Stehhöhe ist mit rund zwei Metern immer noch gut. Zudem lassen sich 2+1 Bestuhlung (wichtig für den türkischen Markt) und Rollstuhlplätze (wichtig für den deutschen Fernlinienmarkt) realisieren.

Stark überarbeiteter Motor sorgt für erfreulichen Antrieb

Erfreulicherweise haben die unansehnlichen Walzendüsen für die Belüftung endlich ausgedient und Platz für schicke, durchgehende Servicesets gemacht, die in schwarzem Klavierlack glänzen und im Markt ihresgleichen suchen. Bei der Gelegenheit haben die Konstrukteure auch eine neue Innendecke eingezogen samt Gepäckablagen, die ebenso schick wie praktisch sind. Auch das Geräuschniveau im Zweiachser ist deutlich gesunken gegenüber dem Vorgänger. Im Heck wird es bei 100 km/h selten lauter als 63 dB(A). Das ist wohl auch auf die mit Einführung von Euro 6c stark überarbeiteten Motoren zurückzuführen, die auch im Tourliner serienmäßig ein Zweimassen-Schwungrad mitbringen. Überhaupt ist der Antrieb eines der erfreulichsten Kapitel der Testfahrt in den Reifenspuren der klassischen Dolomiten-Rundfahrt von Bozen über den Grödner-Pass. Der Wechsel der kleinsten Motorisierung vom D20 auf den hubraumstärkeren D26 sowie die Erhöhung um 20 PS und 200 Newtonmeter auf 420 PS und 2.100 Nm hat dem Nürnberger Kraftpaket sehr gutgetan.

Das Aggregat mutet wesentlich kräftiger an, als ob 450 Pferdestärken hinter der Heckklappe zu Werke gingen, und zieht so satt von unten heraus, als wären die Tiroler Berge eine sanfte Hügellandschaft. Ein echtes Bergfest! Auch die zwölfstufige MAN Tip-Matic ist auf einem hohem Reifegrad angelangt. Gangwechsel finden fast unmerklich statt. Der Verbrauch hält sich dabei in Grenzen, was neben der neuen, ultralangen Achse auch dem prädiktiven GPS-Tempomaten Efficient-Cruise mit Eco-Roll-Freilauf zu verdanken ist. Zwar waren keine Reisegäste und Gepäck an Bord, aber erste Werte zwischen 20 l/100 km (Autobahn) und 26 l/100 km (Berge) stimmen zuversichtlich für den Test mit voller Beladung.

Hervorragende Sichtverhältnisse für den Fahrer

Nicht viel geändert hat sich am Arbeitsplatz für Fahrer und am Platz des Begleiters. Das Grundlayout mit dem schicken Neoplan-Multifunktionslenkrad ist unverändert. Neu gestaltet ist dagegen der Bereich unter dem Fahrerfenster, der sehr übersichtlich gestaltet ist und viele Ablagen bietet. Zudem ist das neue Multimedia Center Coach (MMC) mit größerem Touch-Display ein echter Gewinn und viel besser bedienbar als der Vorgänger. Die Sichtverhältnisse für den Fahrer sind hervorragend, nicht zuletzt durch das tief nach unten gezogene Fenster in der vorderen Tür. Die Positionierung der Mekra-Spiegel, die aus der 400er Comfort-Class von Setra bekannt sind, wird dagegen noch optimiert – noch liegen sie zu eng am Fahrzeugkorpus an.

Der Begleiterplatz wiederum ist zwar ausreichend geräumig gestaltet, aber die Sitzfläche des Einzelsitzes ist recht knapp bemessen und nicht verstellbar. Eine Zweisitzanlage ist nicht verfügbar und ein optimaler Platz für Laptop und Co. nicht vorhanden. Zudem ist das MMC für den Begleiter nur schlecht erreichbar. Hier sollte man bei der nächsten Überarbeitung nochmal Hand anlegen. Der Fahrer wiederum profitiert von einer Armada von Sicherheitssystemen, die gut aufeinander abgestimmt sind. Die Fahrt ist auch die Premiere für den neuen MAN-Aufmerksamkeitsassistenten "Attention Guard".

Sehr guter erster Eindruck des neuen Neoplaner

Das System erkennt mittels der Signale der LGS-Kamera der zweiten Generation eine mangelnde Spurtreue und schlägt zuverlässig optisch, akustisch und mit einem kurzen Vibrationsimpuls Alarm. Letzterer könnte noch etwas nachdrücklicher ausfallen, zudem sollte das System auch bei abgeschaltetem Spurassistenten weiterhin funktionieren. Aber das sind Kleinigkeiten. Der erste Eindruck vom einstigen Wegbereiter ist insgesamt sehr gut – Willkommen in der Neoplan-Familie!

Geht doch!

Noch beim vergangenen Test des Fernlinienwagens mit drei Achsen mahnten wir mehr Innovation von Neoplan an. Zwar ist der neue Tourliner seiner Linie treu geblieben, aber trotzdem sind viele Neuerungen eingeflossen, die ihn zu einer Alternative etwa zur Setra Comfort-Class machen. Eleganter und effizienter als zuvor ist der Reisebus obendrein geworden. Schade nur, dass der überfällige 13-Meter-Zweiachser, der Rechtslenker für UK und Voll-LED-Scheinwerfer erst im Laufe von 2017 zur Verfügung stehen sollen. Mit diesen Zutaten wäre die Premiere perfekt gelungen.

Technische Daten
Neoplan Tourliner Tourliner
Aufbauart Hochdecker
Motorbauart Reihenmotor
Außenlänge 12.113 mm
Außenhöhe 3.840 mm
Zul. Gesamtgewicht 18.000 kg
Leergewicht 13.550 kg
Kraftstoff Diesel
Tankinhalt 400.00 l
Sitzplätze 44-51
Alle technischen Daten anzeigen
Neu Registrieren

Erstellen Sie ein kostenloses Profil und profitieren Sie von vielen Vorteilen:

  • Mit Digital-Abo voller Zugriff auf alle Inhalte, technische Daten und Experten
  • Newsletter bequem verwalten
  • Bevorzugte Themen auf der Startseite anpassen
Kostenlos anmelden
Unsere Experten
Harry Binhammer, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Harry Binhammer Fachanwalt für Arbeitsrecht
Experte für Flottenmanagement und angewandte Mobilitätsangebote Rolf Lübke Mobilität, Fuhrpark (inkl. Wasserstoff-Expertise)
Who is Who
Who is Who Nutzfahrzeuge 2019 WHO IS WHO Nutzfahrzeuge

Alle Hersteller, Zulieferer und Dienstleister für Nutzfahrzeugflotten.

Betriebsstoffliste 2023
Mehr als 2.500 Produkteinträge

Immer auf dem neuesten Stand: Die DEKRA Betriebsstoffliste 2023

Kostenloser Newsletter
eurotransport Newslettertitel Jetzt auswählen und profitieren

Maßgeschneidert: Die neuen Themen-Newsletter für Transportprofis.

eurotransport.de Shop
Web Shop Content Teaser Der Shop für die, die es bringen.

Zeitschriften, Bücher, Lkw-Modelle, Merchandising und mehr.