Müllentsorgung in New York bei Nacht Müllmänner mit ihren Trucks unterwegs in New York

Abenteuer, Müllmänner in New York, Truck Foto: Dustin Schaber 7 Bilder

FERNFAHRER begleitete den wohl ungewöhnlichsten Mülltruck der Welt – eine Nacht in New York.

Manhattan, Downtown, 23 Uhr. Der Tag geht dem Ende zu, die legendäre Stadt an der Ostküste zeigt sich in einem unwirklichen Licht. Plötzlich bahnt sich ein grell beleuchtetes Ungetüm mit wildem Fauchen und wummernden Bässen seinen Weg durch die ohnehin schon gut belebte 42nd Street. Hinter dem Steuer thront der 23-jährige Nick. Er pilotiert das wohl ungewöhnlichste Müllfahrzeug der Welt, einen Kenworth C 12 mit brachialem Cummins-Triebwerk. Nick und sein „Kenny“, wie er ihn liebevoll nennt, leisten jede Nacht in Manhattans Straßen Schwerstarbeit, um den anfallenden Müll zu entfernen. „Es ist schon erstaunlich, welche Müllmassen an nur einem Tag zusammenkommen“, wundert sich Nick, während weiter Discobeats aus Kennys Soundanlage blubbern und beide den weltberühmten Times Square überqueren. Insgesamt sorgen täglich fast 100 Mülltrucks dafür, dass die City jeden Morgen spätestens um 7 Uhr „müllfrei“ ist. Denn im Anschluss daran macht sich die Straßenreinigung ans Werk. Die Jungs in den gelben Kutten brauchen nicht mal eine Stunde, dann kann New York City blitzeblank in den neuen Tag starten.


Der Arbeitstag beginnt um 22 Uhr
 
Nicks Arbeitstag beginnt schon neun Stunden vorher. Um 22 Uhr, wenn er von der Dispo seine Route erfährt und seinen Kenny wieder anwirft. „Dabei haben wir Jungs es in New York deutlich schwerer als in manch anderen Großstädten“, erklärt Nick. „Jeder Haushalt kann sich seine Müllfirma selbst aussuchen und dadurch gibt es unter den Firmen einen harten Wettbewerb.“ Gekämpft wird mit allen Mitteln. In den meisten Fällen entscheidet der Preis oder der Service. „Oft ist es so, dass wir in einer Straße nur ein bis zwei Tonnen leeren und dann weiterfahren“, berichtet uns Nicks Kollege Danny, der heute auf dem glänzenden Showtruck mitreitet.


Schwere Jungs an Bord

Derweil sammeln sich vor dem Werksgelände von Nicks Arbeitgeber „Action Carting“ in Newark (Jersey) wie jeden Abend ein paar Männer, die mit auf Tour genommen werden wollen. Geld verdienen. „Kaum einer von denen war noch nicht im Gefängnis“, erzählt Mark Alfano. Er ist Nicks Bruder und arbeitet in der Disposition von Action Carting. Für Nick und Mark sind die schweren Jungs kein Problem, da beide genau wissen, dass keiner aus der Reihe tanzt. Die Ex-Knackis brauchen die Jobs, denn oftmals ist es deren einzige Möglichkeit, um legal an Geld zu kommen. „Und während der Nacht sind sowieso alle gleich.“

Schmelztiegel der Kulturen
 
Los geht´s in die laue Sommernacht mit einer Fahrt vom Betriebsgelände direkt mitten hinein nach Manhattan. Der „Big Apple“ ist ein Schmelztiegel der Kulturen, der weltweit seinesgleichen sucht. Schwarze, Weiße, Latinos und Chinesen, Arme und Reiche – New York ist die Stadt der krassen Gegensätze. Während an der Wall Street im Minutentakt milliardenschwere Transaktionen durchgeführt werden, ist die Luft ein paar Straßen weiter von bestialischem Gestank erfüllt. Schnell wird klar, wer für die Gerüche verantwortlich ist. Es dreht sich um Essensreste, gammeliges Fleisch und faulige Eier, die aus den unzähligen Restaurants in Downtown Manhattan stammen und nun auf die Abholung durch die Mülltrucks warten. Für die „Truckies“ bedeutet das: Nase zu und durch. „Man gewöhnt sich an alles, sogar an den Gestank der fauligen Eier“, witzelt Nick. Damit der Müll schneller „verstaut“ ist, steigt hier auch Nick vom Bock und hilft Danny und James, die auf dem hinteren Teil des Trucks balancieren.

Chaotischen Verkehrsverhältnisse
 
Selbst jetzt, um zwei Uhr nachts, ist in der Innenstadt von NYC die Hölle los. Wie gelbe Heuschrecken verstopfen die Taxis noch immer die Hauptstraßen. Zusammen mit den unzähligen Lkw gibt es auch für die Mülltruckies kaum ein Vorwärtskommen. Hier bewahrheitet sich mal wieder der Satz von der Stadt, die niemals schläft. Trotz der oftmals chaotischen Verkehrsverhältnisse rast Nick mit einem Affenzahn durch die Häuserschluchten. „Es gibt in New York eine Regel. Entweder du passt dich dem Fahrstil der Taxis und Lkw an oder du brauchst gar nicht erst ausrücken, weil du sowieso keine Chance hast, heil durch dieses Chaos zu kommen.“ Aha – alles klar.

Unangenehmen Gestank

Mittlerweile ist es bereits nach drei Uhr. Nick muss zum ersten Mal zum „Dumpen“ abfahren oder anders ausgedrückt zum „Entmüllen“. Für Nick heißt es auch bei dieser Aktion mal wieder: Nase zu und durch, denn die 25 Tonnen Müll im riesigen Bauch des Kenworth verströmen einen mehr als unangenehmen Gestank. Zwei Mal pro Nacht fährt Nick zur Müllverbrennungsanlage – durch den Lincoln Tunnel, eine geschichtsträchtige Röhre, die schon in so manchen Hollywoodklassikern eine Hauptrolle innehatte.

Manhattan im magisches Licht
 
Als Nick nach dem zweiten Mal „Dumpen“ auf die Stadtautobahn in Richtung Brooklyn biegt, zeigt sich die Großstadt von ihrer schönsten Seite. Das Rot der morgendlichen Sonne taucht Manhattan in ein magisches Licht. Leider hat Nick nur kurz Zeit, diesen faszinierenden Augenblick zu genießen. Mit gut 100 Sachen prescht er die Stadtautobahn entlang, schlängelt sich durch den zunehmenden Verkehr der aufgehenden Sonne entgegen. Nick kennt seinen Kenny in- und auswendig. Gerade mal zwei Meter Abstand lässt er zwischen sich und seinem Vordermann. „Ich muss die Lücke möglichst klein halten, damit sich kein Taxi dazwischenschiebt“, meint ein gut gelaunter Nick. Der sympathische Junge ist durch und durch ein waschechter Mülltrucker und ist stolz darauf. „Wir sorgen schließlich dafür, dass die Stadt immer wie aus dem Ei gepellt aussieht. Das ist unser Verdienst und gleichzeitig auch unsere Leidenschaft.“
 
Es gab noch nie Übergriffe

Wo Nick in New York unterwegs ist, ist ihm egal, denn er liebt seine Stadt über alles. Selbst die Fahrten in die Gettos von Harlem oder der Bronx, wo sich nachts nur wenige Menschen ohne Waffen aus dem Haus trauen, machen ihm nichts mehr aus. „Uns passiert nichts, was soll man den von uns wollen? Der stinkende Müll und selbst der Showtruck sind für die knallharten Gangs in den verwahrlosten Gebieten des Big Apple uninteressant. In all den Jahren gab es nie Übergriffe und falls es doch so kommen sollte, wissen wir uns zu wehren“, versichert  ein entschlossen dreinblickender Nick.

Harter Arbeitsalltag

Nach der nächtlichen Tour wird der Truck vollgetankt und auf dem Betriebsgelände mit dem Dampfstrahler gereinigt. Dann ist erst einmal ausschlafen angesagt und danach geht es in die Mucki-Bude zum Training – ein wichtiger Ausgleich zum harten Arbeitsalltag. Den Abend verbringt Nick zumeist mit Freunden oder seiner Verlobten, die er in ein paar Monaten heiraten wird. „Meine Verlobte hasst meinen Job leider, weil ich nachts immer unterwegs bin und wir meist nur abends ein paar Stunden zusammen sein können.“

Verrückter Job

Alles in allem ist es schon ein verrückter Job im Herzen dieser pulsierenden, niemals schlafenden Großstadt. Die meisten Menschen zollen ihm den gebührenden Respekt, berichtet er. Besonders stolz ist er dabei auch auf die vielen Erinnerungsfotos, auf denen er verewigt ist. Denn sobald er irgendwo an einer belebten Straße mit seinem Monster auftaucht, klicken die Kameras. So übrigens auch auf dieser Tour geschehen, als eine Gruppe deutscher Touristen an einer Ampel die Digicams zückt, um ihn und seinen Kenny zu knipsen. Davon können deutsche Müllmänner nur träumen.

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