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Molthahn in Nienstädt Mit Abstand sicher

Spedition-Molthahn in Nienstädt Foto: Jan Bergrath, Molthahn 10 Bilder

Jeden Samstag durchlaufen die Lastzüge der Spedition Molthahn den Werkstattcheck. Das dient vor allem der Verkehrssicherheit.

Das Betriebsgelände der Spedition Molthahn liegt im Gewerbegebiet von Nienstädt, einer kleinen Gemeinde zwischen Stadthagen und Bückeburg im Schaumburger Land. In der Mitte des sauberen Platzes mit einer Stellfläche für rund 60 Lastzüge steht das Verwaltungsgebäude mit der vierbahnigen hochmodernen Werkstatt und der Waschstraße. Es ist das wirklich vorbildliche Anwesen ­eines reinen Frachtführers – das heißt: ohne Lagerkapazitäten. Alles hier dient dazu, dass die eigenen, maximal sechs Jahre alten Lastzüge jederzeit gewartet werden können und immer einsatzbereit sind. Denn der reine Transport von A nach B ist das Kerngeschäft des Familienunternehmens in vierter Generation, das seit 2008 zu gleichen Teilen von Günter Molthahn (65) und seinem Sohn ­Matthias (36) geleitet wird.

Das geschieht in einem wettbewerbs­dominierten Marktumfeld mit geringen Margen und zunehmender Konkurrenz von Frachtführern aus Osteuropa. Topgeschulte Fahrer und regelmäßig gewartete Fahrzeuge sind zwei der Argumente, die Molthahn bei seinen Auftraggebern in die Waagschale wirft. "Unsere Kundenstruktur ist breit gefächert", verrät Matthias Molthahn. "Selbst unser größter Kunde trägt nur rund 15 Prozent zu unserem Umsatz bei."

Niemals an der Sicherheit sparen

Um es vorwegzunehmen: Molthahn zahlt gut. Nach dem Tarif in Niedersachsen. Ein wenig unterscheidet sich der Bruttolohn nach dem Einsatzbereich der Fahrer. Dazu gibt es Spesen – klar – und 27 Tage Urlaub. Hinzu kommen noch Urlaubs- und Weihnachtsgeld sowie eine betriebliche Altersvorsoge nach drei Jahren Zugehörigkeit. "Allerdings bekommen wir nicht mehr Geld auf dem Frachtmarkt, nur weil wir unsere Fahrer nach Tarif bezahlen", sagt Molthahn. "Also müssen wir auf die Kosten achten, aber ohne an der Sicherheit zu sparen."

Jeden Samstag steht Matthias Molthahn spätestens um halb acht in der Frühe mit dem Funkgerät auf dem Hof und bespricht mit dem Fahrer, der an diesem Tag Dienst hat, den Ablauf der Wartung. Der stellt danach die Lkw absolut markenrein in Reih  und Glied, vorne die Mercedes-Benz, daneben die imposante Phalanx der DAF, hinter der Halle die MAN. "Alle zwölf Wochen haben wir einen Samstag Dienst", sagt Thomas Heuer, der heute mit seinem Chef zusammenarbeitet. Man spürt, er macht es gerne.

Gegen halb elf gibt es für alle ein Frühstück im Besprechungsraum. "Das Betriebsklima bei uns ist vorbildlich und die Kollegen können sich darauf verlassen, dass ihre Lkw am Montagfrüh, wenn sie bei uns auf Tour gehen, gecheckt sind." Ein Meister ist auch unter der Woche ständig im Betrieb, die anderen Mechaniker kommen zur Aushilfe am Samstag. "Vor allem auf die Kontrolle der Reifen legen wir großen Wert", erzählt Molthahn. Es vergehe keine Woche, bei der nicht irgendein Lkw durch einen Reifenplatzer schwer verunglückt. "Ich befürchte, dass viele Unternehmen gar nicht mehr das Geld für die regelmäßige Wartung haben und die Reifen so lange drauf lassen, bis sie für ihre Fahrer zu einer Gefahr werden. Auch das ist eine Art der Wettbewerbsverzerrung", sagt der Firmenchef

Maximal 85 km/h

Das große Thema unter den Fahrern ist heute der Notbremsassistent. Die beiden tragischen Unfälle der Fahrer von Ihro und Fehrenkötter haben sich auch hier in der Belegschaft herumgesprochen, die ständige Raserei auf den großen Transitstrecken zehrt auch an ihren Nerven. "Wir fahren alle mit maximal 85 km/h", sagt etwa Silvio Herrmann, der mit Containern zwischen den deutschen Nordseehäfen und dem Ruhrgebiet oder dem Rheinland pendelt. "Sobald ich auf der Autobahn bin, aktiviere ich meinen Abstandsregeltempomaten und fahre entspannt dem Ziel entgegen. Allerdings werde ich dann ständig überholt. Selbst dort, wo es eindeutig verboten ist. Ich gehe dann lieber mal vom Gas und lasse die Kollegen vor mir einscheren. Der Abstand, mit dem manche unterwegs sind, ist oft beängstigend."

Auch Johann Knaub nutzt die Technik in seinem brandneuen Actros 2545. Viermal die Woche pendelt er mit seinem Wechselbrücken-Gliederzug mit Gefahrgut zwischen Walsrode und Siegburg, dort brückt er um und bringt Leergut zurück. "Die Arbeit ist entspannt, auf langen Strecken, die man kennt, bisweilen etwas eintönig", beschreibt Knaub die jeweils sechs Stunden dauernde Tour. "Da ist es einfach entspannter, immer mit ausreichendem Abstand zu fahren. Eigentlich ist es eine feine Sache, dass mein Lkw durch die Technik erst gar nicht zu nah an den Vordermann kommt. Und nie und nimmer würde ich den Notbremsassistenten dauerhaft ausschalten. Das ist doch Wahnsinn! Ich habe zwei kleine Kinder und selbst noch einiges vor im Leben."

"Scherheitsabstand = halber Tacho"

Gerade auf der A 2 kracht es mittlerweile mehrmals pro Woche, manche Kollegen, so scheint es, glauben bei der Faustregel: "Sicherheitsabstand = halber Tacho" offenbar, dass tatsächlich die Länge des im Lkw verbauten Gerätes gemeint ist und nicht die auf dem Tacho ablesbare Geschwindigkeit. Im Mai noch saß Molthahn auf Bitte des Gesamtverbandes Verkehrsgewerbe Niedersachsen (GVN), wo er langjähriges aktives Mitglied und stellvertretender Vorsitzender der Bezirksgruppe Hannover ist, für eine sachliche Reportage auf Sat 1 Regional selbst am Steuer einer seiner Lkw. Es ging um die zunehmenden Unfälle am Stauende und er plädierte für den konsequenten Einsatz der Fahrassistenzsysteme, um diese schweren Unglücke zu vermeiden. 2013 war einer seiner Lastzüge selbst auf der A 2 betroffen. "Unser Fahrer stand bei Lehrte als Drittletzter im Stau in Richtung Hannover, als ein vierter Lkw ungebremst ganz hinten aufgefahren ist", erinnert sich Molthahn. "Der Aufprall war so heftig, dass unser Fahrer in seinem Sitz mit dem Kopf gegen die vorderen Staufächer des MAN gestoßen ist. Eine Woche war er krankgeschrieben. Doch nicht erst seit diesem Unfall bestellen wir alle neuen Fahrzeuge mit den kompletten Sicherheitspaketen der Hersteller und weisen alle Fahrer an, sie auch zu nutzen. Denn sie können unter Umständen Leben retten."
Allerdings hat sich herausgestellt, dass die Fahrer den Notbremsassistenten per Knopfdruck einfach ausschalten können. "Das werden wir ab sofort in unseren regelmäßigen Schulungen thematisieren und aufklären", erläutert Molthahn.

Es scheint auch dringend geboten, wie David Köpper erzählt. Der ehemalige Maschienenbaustudent hat kein festes Fahrzeug. Er ist einer der wenigen Springer und nebenbei bei Molthahn auch noch der Gefahrgutbeauftragte. Zusammen mit Thomas Heuer nimmt er Fahrer, die sich bei Molthahn beworben haben, mit auf Tour, um sie einzuweisen. "Viele Fahrer, die sich bei uns bewerben, sind leider den Anforderungen der Transportbranche nicht wirklich gewachsen", hat Köpper als Erkenntnis gewonnen.

Wie kann ich es abschalten?

Auch Fahranfänger aus den Fahrschulen, die in der Regel noch mit älteren Lkw ausgerüstet sind, hätten anfängliche Probleme mit dem Thema Fahrassistenzsysteme. Ältere Fahrer würden sich gerne konsequent verweigern. "Was mich dann aber doch immer wieder erstaunt. Eine der ersten Fragen, die viele neue Fahrer stellen, ist die Frage nach dem Schalter, mit dem man die Sicherheitssysteme abschalten kann. Ich selbst fahre immer mit eingeschaltetem Notbremsassistenten, auch wenn ich sagen muss, dass es bei den fünf Marken in unserer Flotte schon einige Unterschiede gibt, wie sauber und sanft sie etwa auf einscherende Pkw reagieren."
Früher war der legendäre MAN F 2000 die einzige Marke im wachsenden Fuhrpark. Qualitätsprobleme der nachfolgenden Generation haben Günter und Matthias Molthahn die Augen für Alternativen geöffnet. Heute dominiert der Actros von Mercedes-Benz die Flotte, gefolgt von DAF und MAN. Jeweils zwei Volvo und Scania sind nun in diesem Jahr ebenfalls dazugekommen, um im Dauereinsatz die Vor- und Nachteile und natürlich die Wirtschaftlichkeit zu testen.

Die meisten Fahrzeug sind gekauft. Das hilft, so ein Erfolgsgeheimnis Molthahns, in wirtschaftlich schwierigen Zeiten auch mal zwei, drei Lkw abzumelden und nicht auf Teufel komm raus für jeden Preis zu fahren, um die Leasingraten zu bedienen.
Die drei Binnenterminals in Hannover sind für ihn Dreh- und Angelpunkt des kombinierten Verkehrs mit Seecontainern. Sie kommen mit dem Binnenschiff an und werden von seinen Lkw zu den Kunden transportiert, oft machen die Fahrer im Nahverkehr mehrere Touren am Tag.

Ungewisse Zukunft

Molthahn spürt auch dort die zunehmende Konkurrenz aus Osteuropa, die ihm dort zu schaffen macht. Im kombinierten Verkehr gibt es keine Kabotage, einige Lkw aus Osteuropa, die auch für seine Auftraggeber fahren, sind dort fest stationiert. Die Fahrer kommen mit dem Bus zur Arbeit. Wie andere betroffene Unternehmer beklagt auch Molthahn, dass das für die Kontrolle zuständige Bundesamt für Güterverkehr (BAG) offenbar nie vor Ort klärt, ob die Fahrer nach ihrer Anreise diese Arbeitszeit auch im Tachograf nachtragen. "Zum Glück merken wir aber doch, dass viele unserer Kunden nach einiger Zeit doch wieder auf uns als zuverlässige Frachtführer zurückgreifen."
Ein Aspekt macht Molthahn zunehmend Gedanken: Viele Fahrer, die sich mittlerweile bei ihm bewerben, wollen vor allem eins:  weg aus dem klassischen Fernverkehr und in den Nahverkehr mit seinen regelmäßigen ­Arbeitszeiten. Die sind bei ihm gegeben. "Dass bedeutet aber auch, dass in Zukunft mehr Güter über die Bahn gehen müssen."
Selbstverständlich bildet die Spedition für diese Zukunft auch junge Leute aus, vier Ausbildungsberufe bietet er an, 2010 hat er mit den Berufskraftfahrern begonnen. Derzeit lernt bei ihm pro Jahrgang ein junger Mann. "Die drei sind absolut fit, haben viel gelernt und sind hochmotiviert", findet Molthahn, "aber es wird auch für uns immer schwieriger, die entsprechenden Bewerber zu finden." Auch ist er im gesamten Landkreis Schaumburg der einzige Transportunternehmer, der überhaupt ausbildet. "Wir spüren überall einen enormen gesellschaftlichen Wandel, der auch Auswirkungen auf unsere Branche haben wird."

Fakten und Zahlen

Anschrift
Molthahn-Transporte GmbH
Schnatwinkel 10
31688 Nienstädt
Telefon: +49 (0) 5721 / 8088-60
Telefax: +49 (0) 5721 / 8088-99
E-Mail: info@molthahn.de
Internet: www.molthahn-transporte.de
Gründungsjahr
1949
Unternehmensgröße
Inhabergeführtes mittelständisches Transportunternehmen in der vierten Generation
Umsatz
7,5 Millionen Euro
Schwerpunkt
Kombinierter Verkehr mit Seecontainern, überwiegend von den Binnenterminals in Hannover. Automotive-Transporte, Fracht­führer für Logistikdientsleister
Beschäftigte
98
Fahrer
75
Fuhrpark
60 eigene ziehende Einheiten, davon 25 Gliederzüge mit Wechselbrücken. 23 Mercedes-Benz Actros, 18 DAF XF, 15 MAN, TGX 2 Volvo FH Globetrotter, und 2 Scania, jeweils mit 410 bis 460 PS, 50 Prozent mit den jeweiligen Sicherheitsystemen, 40  Prozent mit Euro-6- Motoren. Mittlere bis große Kabinen. Je nach Einsatz 3–6 Monate Verbleib im Fuhrpark. Alle neueren Lkw mit Standklimaanlage. Anhänger und Auflieger überwiegend von Krone, Schmitz und Kögel. Containerlafetten zum Teil mit Kippmöglichkeit
Eigene Werkstatt/Waschanlage
Ja, ein Meister und weitere Mitarbeiter zur Aushilfe am Samstag, eigene Waschhalle mit 3–4 Mitarbeitern
Einsatzbereich der Fahrer
Nah-, Regional- und Fernverkehr überwiegend im norddeutschen Raum bis Höhe Kassel und Rheinland
Fahrleistung der Lkw
100.000 km/Jahr im Containerverkehr
180.000 km/Jahr im Schichtverkehr
Offene Stellen
Kaum Fluktuation durch lange Betriebszugehörigkeit der meisten Fahrer. Gute und zuverlässige Fahrer können sich dennoch melden und bekommen eine Chance.

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