Mercedes Sprinter City 77 Der Maxi unter den Minis

Mercedes Sprinter City 77 Foto: Randolf unruh, Daimler 9 Bilder

Der Mercedes Sprinter City 77 schließt die Lücke zwischen Minibus und Citaro. Seine Basis ist ein außergewöhnliches technisches Konzept.

Tandem-Hinterachse mit Einzelbereifung, Breitspur-Fahrwerk, weit ausgestellte Radläufe, und dies alles gestreckt auf fast neun Meter Länge – der Mercedes Sprinter 77 ist der Maxi unter den Minis. Und sieht proper und dynamisch aus wie frisch vom Edeltuner. Hinten prangt "der größte Stern, den wir im Konzern bekommen haben", fügt Minibus-Chef ­Ulrich Hesselmann an. Fehlt nur noch ein stolzer Aufkleber am Heck: Meiner ist 8,7 Meter lang.

Start ins Minibus-Niemandsland

Für den größten aller Sprinter hat sich Mercedes sehr viel einfallen lassen, schließlich begibt man sich mit ihm ins Minibus-Niemandsland oberhalb bisheriger Größen und Gewichte. Unter dem Aufbau zum Beispiel steckt ein eigenes Tiefrahmen-Fahrgestell. Eine alternativ zur Debatte stehende Konstruktion von Tiefrahmen-Spezialist Alko – immerhin Sprinter-Zulieferer für Reisemobil-Fahrgestelle aus Ludwigsfelde – kam nicht infrage, da für einen Niederflurbus zu hoch.

Das Aufbaugerippe wird als kompletter Käfig ab Fahrerhaus einschließlich der Anbindung für die beiden Transporter-Hinterachsen angeliefert. Eine kataphoretische Tauchlackierung schützt gegen Korrosion.

Einteiliges Stück für die seitliche GFK-Beplankung

Die seitliche GFK-Beplankung der Karosserie besteht aus einem einteiligen Stück, die deftigen Kotflügelverbreiterungen sind darin bereits integriert, das ist gekonnt und fernab jeder Bastelarbeit.

Die Hinterachsen stammen vom Transporter Mercedes Vito, das heißt Einzelradaufhängung an Schräglenkern. Die Technik ist in dieser Gewichtsklasse so einzigartig wie der ganze Bus, denn anderen Aufbauern macht Mercedes den Dreh mit den beiden Transporterachsen nicht zugänglich.

Die zulässige Achslast der beiden Aggregate beläuft sich auf zusammen fünf Tonnen. Macht gemeinsam mit der Zwei-Tonnen-Vorderachse 6,8 Tonnen Gesamtgewicht mit gewissen Reserven bei ungleichmäßiger Lastverteilung.

40 Fahrgastplätze sind das Maximum

Wer das Leergewicht von 4,2 Tonnen dagegenstellt, kommt rein rechnerisch in Serienausstattung auf 40 Fahrgastplätze – niemand bietet mehr auf Sprinter-Basis.
Ein von vorne bis hinten durchgehender Niederflurboden ist bei dieser Konstruktion selbstverständlich, die leichte Anhebung über den beiden Hinterachsen fällt beim Weg durch den großen Kleinen kaum auf. Hier unten im Bereich des Antriebs ist auch unauffällig der maßgefertigte Dieseltank aus Aluminium mit 100 Liter Volumen integriert. Beobachter registrieren allerdings einen Sockel rechts neben der ersten Sitzreihe. An dieser Stelle wächst nicht nur eine Haltestange heraus, unter der Oberfläche verbirgt sich die Telma-Zusatzbremse, die Ursache für das etwas lästige Hindernis auf dem Weg in den Fond.

Gleich zwei bodentief verglaste Doppeltüren mit 340 Millimeter Einstiegshöhe gewährleisten einen rasanten Fahrgastfluss. Die neuen Bode-Türen mit ihrem integrierten elektrischen Antrieb in den Drehsäulen sind elegant und sparen Platz. Sie schließen sehr schnell und dicht, allerdings auch mit einem unüberhörbaren und etwas unhöf­-
lichen Schlag.

Gediegenes Inneres

Drinnen fühlen sich die Fahr­gäste sofort zu Hause. Ob Sitze oder Verkleidungen, alles wirkt gediegen, stammt aus der Citaro-Familie. Auch wenn die Minibusler auf die dort verwendete Cantilever-­Bestuhlung verzichten. Etwas billig erscheinen nur die überdimensionierten Verschalungen der Fenstersäulen, sie lassen sich mit einem ­festen Griff zusammendrücken.

Ist die vordere Plattform prädestiniert für den Transport von Kinderwagen und Rollstuhl, so steht die hintere Fläche zur freien Verfügung. Stehplattform, Klappsitze, volle Bestuhlung, Schienen zur Befestigung eines Rollstuhls und eine zweite Rampe – der Sprinter 77 lässt alle Möglichkeiten zur Gestaltung des Hecks offen, entpuppt sich als ein Minibus nach Maß.

Gleiches gilt für die Klimatisierung. Oben arbeitet auf Wunsch eine Klimaanlage, unten temperieren serienmäßig zwei große Heizkörper mit Gebläseverstärkung und auf Wunsch weitere Heizungen den Sprinter – die großen Türen sind schließlich auch Einfallstore für die Winterkälte. Auch eine Doppelverglasung gibt es, sie ist aber der Zuladung abträglich. Nicht zufällig spendiert Mercedes dem Riesen-Sprinter bereits serienmäßig Aluminiumräder – hier zählt jedes ­Kilogramm.

Eigene Klimaanlage für den Fahrerplatz

Aber allzu knausrig sind die Minibus-Spezialisten trotzdem nicht: Der Fahrerplatz glänzt serienmäßig mit einer eigenen Klimaanlage und elektrischer Zusatzheizung. Hier vorne fühlen sich Sprinter-Kenner unter den Fahrern gleich beheimatet. Auch nach sechs Jahren sind Platzangebot und Bedienung der Maßstab dieser Klasse.

Weniger geglückt sind die nachgerüsteten etwas altbackenen Kontrollleuchten für die Omnibus-Zusatzfunktionen oben in der Mittelkonsole. Und so vorbildlich die Sprinter-Außenspiegel generell auch sind – der  rechte Spiegel sitzt in diesem Fall nicht optimal, eine Verkleidung an der A-Säule stört das Blickfeld.

Dabei hat dieser Außenspiegel speziell beim riesengroßen Sprinter City 77 eine besondere Bedeutung: Durch die überbreite Spurweite der Hinterachsen (vorn 1.708, hinten 1.908 Millimeter) lässt sich der Linienbus nicht fahrgastfreundlich perfekt an den Bordstein rangieren. Wie es der Fahrer auch probiert, stets halten die Türen einige Zentimeter Abstand zum Bordstein.

Dritte Achse etwas ungelenk

Generell aber gebricht es dem Mercedes nicht an Handlichkeit, auch wenn die ungelenkte dritte Achse in engen Kurven leicht radiert und das Vorwärtskommen spürbar hemmt. 17,3 Meter Wendekreis aber sind für den 8,7 Meter langen Bus aller Ehren wert. Dabei hilft der nicht übertrieben lange Radstand von Achse eins zu zwei.

Eine Lenkung der dritten Achse hatte Mercedes bei der Entwicklung zwar ebenfalls in Betracht gezogen, doch Aufwand und Ergebnis ergaben ein ungesundes Verhältnis. Die dritte Achse ist auch der Grund, weshalb dieser Sprinter nicht mit ESP ausgestattet ist – in einem Stadtbus zurzeit noch eine eher lässliche Sünde.

Positiv überrascht die Dynamik des Gernegroß. Zwar klingen 120 kW (163 PS) aus dem Vierzylinder mit 2,15 Liter Hubraum auf Anhieb eher matt. Irrtum: Im Verein mit kurzer Achsübersetzung und der altgedienten Fünfgangautomatik – sieben Gänge folgen bei Gelegenheit – sprintet der Sprinter durchaus temperamentvoll von der Haltestelle. Fährt der Fahrer mit Vollgas an, sammeln sich stehende Fahrgäste ganz von allein auf der hinteren Plattform. Auch die Verzögerung stellt zufrieden, zumal mit Unterstützung der Telma-Bremse. Sie entschleunigt den Sprinter 77 fast bis zum Stillstand.

Intensive Kundenfahrerprobung

Generell aber will der größte Minibus jetzt richtig Fahrt aufnehmen. Seit der Erstvorstellung vor zwei Jahren sind etwa anderthalb Dutzend Sprinter 77 gebaut worden. Minibus-Chef Ulrich Hesselmann erwähnt gern die "intensive Kundenfahrerprobung". In ihrem Rahmen wurde etwa die allzu "tief schürfende" Telma-Bremse angehoben – bei Schwellen gab‘s Probleme mit der Bodenfreiheit.

Der konstruktive Aufwand schlägt sich zwangsläufig im Preis nieder: Der Sprung vom kleineren Sprinter City 65 mit 30 Plätzen zum großen Bruder beträgt 25.000 Euro, mit etwa 165.000 Euro ist man dabei. Auch damit dürfte sich der Sprinter City 77 an die Spitze seiner Klasse setzen.

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