Mercedes Citaro Sechs im Heck

Mercedes Citaro Euro 6 Foto: Daimler 9 Bilder

Neue Sechszylinder im neuen Heck des Mercedes Citaro, Euro 6 und viele Tricks, um den Verbrauch zu senken.

Zäumen wir den Citaro einfach von hinten auf, hier spielt die Musik des Stadtbusses. Das darf man bei diesem Mercedes wörtlich nehmen, denn das kräftige Hämmern der früheren Pumpe-Leitung-Düse-Motoren ist mit den neuen Triebwerken einem turbinenartigen Sound gewichen. Kraftvoll, aber harmonisch und weit weniger rüpelhaft als bisher.

Mercedes Citaro bekommt ein neues Heck

Vor einem Jahr auf die Welt gekommen, hat Mercedes dem Citaro zusammen mit neuen Motoren und dem Schritt zu Euro 6 ein neues Heck verpasst. Eine Kehrseite mit neuen Formen, LED-Leuchten und einer Anhebung auf dem Dach. Sie weist auf eine geänderte  Bauweise hin: Egal ob liegender oder stehender Reihensechser, ob Zwei- oder Dreitürer, Motor und Kühler schichten sich im Citaro jetzt in Turmbauweise über­einander. Der Ausgleichsbehälter fürs Kühlwasser ist sogar auf dem Dach angekommen – kontrolliert und befüllt wird indes in gewohnter Höhe hinter der Motorklappe. Hier steckt rechter Hand die ausladende Abgasanlage.

Bei stehendem Motor kostet der wuchtige Turm zwei Reihen à zwei Sitzplätze, in der liegenden Ausführung – Start im kommenden Jahr – schrumpft er auf halbe Länge. Andere kommen mit liegender Maschine oben ohne aus, ohne Turm. Der Citaro kontert mit Zugänglichkeit: Auf der linken Seite geben zwei große Wartungsklappen den Weg zur Technik frei. Hinten schwenkt über der Motorklappe zusätzlich der linke Teil der nun zweigeteilten Heckscheibe elegant nach oben. Das neue Hinterteil des Citaro sieht appetitlich aus, nur das gelochte Kühlergitter auf der linken Seite könnte den Blick auf den Kühler dahinter etwas dezenter halten. Es ist hoch oberhalb der Schmutzgrenze angeordnet.

7,7 Liter Hubraum misst der neue Sechszylinder

Drinnen im Citaro sind die Wände des Motorturms in Sandwichbauweise gefertigt, gut isoliert, haptisch angenehm verkleidet und mit diversen Dichtungen an den Serviceklappen versehen. Jetzt hält man es – im Unterschied zum Vorgänger – auch in der kuscheligen letzten Reihe ohne Ohrstöpsel aus.

7,7 Liter Hubraum misst der neue Sechszylinder, er liegt damit näher an der kleinen bisherigen Maschine mit 6,4 Litern als am großen Zwölfliter, der das Zeitliche segnen wird. Der Motor ist trotzdem kein Halbstarker: 1.200 Nm Drehmoment kommen gerade recht für den Solobus. Die Zahl aber sagt nur die halbe Wahrheit: Bemerkenswert ist der spontane Antritt, die Zugkraft selbst deutlich unter 1.000 Touren.

Ist der Bus nicht voll ausgeladen und sind die Steigungen von milder Natur, treibt sich der Motor dank der angepassten Schaltstrategie des ZF-Getriebes plötzlich überwiegend zwischen 800 und 1.200 Umdrehungen herum. Das spart Sprit und senkt die Lärmbelastung, führt zu Gelassenheit am Steuer. Trotzdem kann’s bei unvorsichtiger Beschleunigung passieren, dass der Fahrer seine Passagiere im hinteren Bereich des Citaro komprimiert – wer hier immer Vollgas fährt, der macht was falsch. Und für besonders anspruchsvolle hält Mercedes den 7,7-Liter mit 260 kW (354 PS) und 1.400 Nm bereit.

Wenig Lärm heißt die neue Devise

Mercedes hat den Drehzahlmesser der Leistungsentfaltung angepasst, Grün wird’s schon bei 900 Touren. Das Band reicht bis 1.500 Umdrehungen. Und weil der Diesel an deftigen Bergen Drehzahlreserven mobilisieren muss, gibt’s eine teilgrüne Verlängerung bis 1.700 Touren. Machte der kleinvolumige Vorgänger bislang viel Lärm um nichts, so hat sich die Situation umgekehrt: ­Wenig Lärm um viel heißt die neue Devise.

Diese gepflegte Art zeigt der neue Citaro auch an anderer Stelle. Siehe Cockpit: Dem Selbstbewusstsein des Fahrers tut’s gut, dass sein Arbeitsplatz nicht mehr auf der Höhe größerer Hunde angeordnet ist. Trotz des angehobenen Fahrerplatzes ist die Sicht prima. Der Zugang zur Kabine erfolgte beim Testwagen per Tastendruck über eine Magnetverriegelung statt des umständlichen Schlosses hinten an der Kabine. Eine halbe Türscheibe schafft wünschenswerte Distanz zu unangenehmen Mitfahrern.

Mehr Bewegungsfreiheit in dem Fahrerhaus

Müssen die Fahrer nicht fortlaufend wechseln, haben auch die vielen Ablagen im sehr gepflegt auftretenden Cockpit Sinn. Über die Idee von zwei Becherhaltern auf der Fensterbrüstung anstelle der früheren offenen Ablageschale lässt sich zwar diskutieren. Aber schön, dass sich Mercedes an vielen Stellen sicht- und spürbar um die Fahrer bemüht. Bewegungsfreiheit und Bedienung sind ohne Fehl und Tadel. Nur die Bremse dürfte etwas feinfühliger ansprechen, das können andere besser.

Der neu aufgeräumte Stangenwald im Fahrgastraum hat ebenfalls seine Vorzüge. Etwa bei den ovalen horizontalen Stangen, echte Hand­schmeichler. Für Nachtbuslinien oder Überlandfahrten hat sich Mercedes etwas Neues einfallen lassen: Jetzt gibt es den Citaro auf Wunsch mit Leselampen sowie speziellen Lichtelementen. Sie sind über den Doppelsitzen angesiedelt und strahlen wahlweise weiß oder orange. Dazu die blaue Nachtbeleuchtung – genau das richtige für Nachtschwärmer. Wer dann noch schicke LED-Lichtleisten an den Einstiegen spendiert – das hat Klasse. Ebenso eine Verfeinerung der schnellen Schwenkschiebetüren: Die beiden Flügel öffnen vorn jetzt auf Wunsch getrennt – angenehm im Winter oder in verkehrsarmen Zeiten.

Ein komfortable Fahrwerk des Citaro

Bestens bekannt ist das komfortable Fahrwerk des Citaro, es bügelt Versäumnisse der Städte nach Möglichkeit aus, schluckt auch rüde Unebenheiten, lässt die Bandscheiben vor allem des Fahrers heil. Auch dies ist ein Zeichen für die Gediegenheit des Citaro.

Trotzdem hat er sich mit dem Schritt zu Euro 6 nicht in ein Schwergewicht verwandelt. Je nach Vergleich und Betrachtungsweise verlor er dabei sogar ein paar Kilos, durchweg an Stellen, an denen man es nicht merkt. Denn die Entwickler haben alle Register gezogen: Da wäre das Dach aus Kunststoff statt Stahlblech (minus 20 Kilogramm), ein gestrafftes Fahrwerk rund um die Hinterachse (Gewinn 60 Kilo), Motorträger aus Aluminium (weitere 40 Kilo). Dazu besteht die Motorklappe nun aus einem leichten Sandwich. Wegen des Schritts zu Euro 6 mit halbiertem Adblue-Verbrauch kann der entsprechende Behälter von 38 auf 21 Liter schrumpfen.

Euro 6 ist mit rund 12.000 Euro Mehrpreis verbunden

Unter dem Strich ist der Citaro je nach Modellvariante und Ausstattung sogar etwas leichter als zuvor – das gleicht beim Schritt zu Euro 6 einer Quadratur des Kreises. Die Hausnummer der Fahrgastzahl heißt nach wie vor rund 100 Passagiere im Solowagen. Bei all diesen guten Nachrichten folgt auch die schlechte: Euro 6 ist mit rund 12.000 Euro Mehrpreis verbunden. Selbst wenn die Mercedes-Vorhersage von einem Minderverbrauch bis zu fünf Prozent wahr werden sollte: Mit diesen rund 1.000 Liter Diesel im Jahr sowie Sparen bei Nebenaggregaten werden  sich die Kosten nicht einfangen lassen.

Euro 6 ist unvermeidlich, aber teuer, auch weil die Entwickler die neueste Ausgabe des Citaro diesmal von hinten aufzäumen mussten.

Sparen mit allen Tricks

Trotz Euro 6 soll der neue Citaro knausrig sein wie kein anderer Stadtbus. Im Praxisbetrieb bis zu fünf Prozent Minderverbrauch im Vergleich zu Euro 5 attestiert Mercedes dem Citaro. Neben Motor und Getriebe geht es jetzt vor allem den Nebenverbrauchern an den Kragen, den höchst ungeliebten Mitessern unter den Dieselkonsumenten. Ihr Part schluckt bei Stadtlinienbussen rund 25 Prozent des Kraftstoffs, erläutert Chefentwickler Richard Averbeck.

So arbeiten neue Lichtmaschinen sparsamer, im Citaro mit Klimaanlage sind bis zu drei von ihnen im Einsatz. Dann rückten die Entwickler dem Kneeling an der Haltestelle zu Leibe. Vorgeschrieben sind für Niederflurbusse 250 Millimeter Einstiegshöhe an einer Tür oder 270 Millimeter an allen Türen. Prompt reduzierten die Entwickler die Stufe an den hinteren Türen. In der Folge muss der Citaro nur noch 50 statt bisher 70 Millimeter in die Knie gehen. Das spart an jeder Haltestelle Zeit und Sprit, da weniger Druckluft erzeugt werden muss. Dazu passt der zweistufige Voith-Luftpresser. Er arbeitet sparsamer und mit niedrigeren Temperaturen. Das verlängert die Lebensdauer, reduziert Verschmutzungen der Druckluftanlage. Der Kühlerlüfter, bisher an die Motordrehzahl gebunden, arbeitet nun mit einer geregelten Pumpe und entsprechend geringerer Verlustleistung. Er sitzt in einer Spinne aus Aluminiumguss – das spart Gewicht.

Clou des neuen Citaro mit Euro 6 ist das neue Rekuperationsmodul für die Bordelektrik. Im Schubbetrieb kostenlos erzeugter Strom wird in Superkondensatoren (Supercaps) gespeichert. Dieser Strom wird beim Anfahren oder am Berg genutzt, wenn die volle Motorleistung für den Fahrzeugantrieb zur Verfügung stehen soll.

Darf’s ein wenig mehr sein?

Gelenkbusse haben Konjunktur, ihr Anteil steigt kontinuierlich. Für den Citaro hat Mercedes zunächst die neue Maschine OM 470 mit 10,7 Liter Hubraum vorgesehen. Sie arbeitet vernehmbarer als der kleinere Diesel, kennt aber ebenfalls den neuen turbinenartigen Klang. Bei 265 kW (360 PS) Leistung hat das Triebwerk mit 1.700 Nm Drehmoment spürbar mehr Zugkraft als der größere Vorgänger. Der Motor bewegt sich korrekt im grünen Feld des Drehzahlmessers zwischen 1.000 und 1.600 Touren. Wer in der Ebene nicht gerade Volldampf abfordert, fährt sogar zwischen etwa 800 und 1.200 Umdrehungen und schwimmt trotzdem problemlos im Verkehr mit.

Interessant sind die subjektiven Eindrücke mit unterschiedlichen Getrieben. Mit ZF Ecolife geht der Gelenkbus richtig flott ab, jedoch waren beim Testwagen, einem Frühchen, noch etwas ruppige Schaltungen zu spüren. Viel sanfter agierte der Citaro G mit dem jüngst aufgefrischten Voith Diwa. Indes wirkt der Antritt dieser Kombination nach dem Start etwas lethargisch.

Im Flachland könnte eine weitere Variante interessant werden: der Citaro G mit dem kompakten 7,7-Liter-OM 366h mit 260 kW (354 PS) und 1.400 Nm. Er spart einige 100 Kilogramm Gewicht und bringt damit mehr Fahrgastplätze, dazu gibt es in der liegenden Ausführung zwei Sitzplätze mehr. Nicht zuletzt sollte der Motor von Hause aus nochmals spürbar sparsamer fahren.

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