Mangelnde Lkw-Parkplätze Notstand entlang deutscher Autobahnen

Report Parkplatzmangel FF 4/2018, Wildparken, Parkplätze, Rasthöfe, Autobahn, Auffahrt, Standstreifen, Gefahr, Polizei, Bosch Secure Truck Parking. Foto: Norbert Böwing 10 Bilder

Der Parkplatznotstand entlang deutscher Autobahnen ist dramatisch und geht alle an. Jeden Tag suchen zigtausende Lkw-Fahrer verzweifelt nach einem Stellplatz für die Nacht und gefährden in ihrer Not sich und andere durch verzweifelte Parkmanöver. Aber es gibt auch Lösungsansätze.

Als Brennpunkt ist besonders die A 40 in die Schlagzeilen geraten: Sie verbindet das Ruhrgebiet mit den Niederlanden. Am Parkplatz "Tomm Heide" parken die Lkw regelmäßig verbotswidrig auf dem Mehrzweckstreifen. Obwohl die Polizei versucht, mit sogenannten "Platzverweisen" Herr der Lage zu werden, ist die Situation oftmals chaotisch und brandgefährlich. Innerhalb von nur sechs Wochen ereigneten sich dort im vergangenen Jahr in der Dunkelheit zwei tödliche Verkehrsunfälle. Ein junger Motorradfahrer raste in der Dunkelheit gegen einen abgestellten Siloanhänger und war auf der Stelle tot. Und ein Lkw-Fahrer prallte ungebremst ins Trailerheck eines Kollegen. Auch er erlag seinen schweren Verletzungen noch am Unfallort.

Parkplatzmangel wird sich weiterhin verschärfen

Dass neben Autofahrern auch Lkw-Fahrer inzwischen die Opfer sind, ist für Unfallanalytiker Dipl.-Ing. Norbert Todt von der Dekra-Niederlassung Duisburg nicht überraschend: "Natürlich sind parkende Lastwagen auf dem Standstreifen ein extremes Unfallrisiko. Sie sind meistens schlecht oder gar nicht beleuchtet, werden also zu spät erkannt. Vor allem von Lastwagenfahrern, die im Zuge ihrer ganz normalen Fahrbewegungen ganz automatisch mal ein bisschen nach links oder rechts pendeln." Todt sieht aufgrund der Situation auf der A 40 einen "akuten Handlungsbedarf". Und nicht nur er. Die tödlichen Verkehrsunfälle am Parkplatz "Tomm Heide" haben auch den Verband Spedition und Logistik Nordrhein-Westfalen e. V. (VSL NRW) aufgeschreckt.

Geschäftsführer Dr. Rüdiger Ostrowski beklagt die Untätigkeit der öffentlichen Hand: "Die Politik hat durch jahrelanges Wegsehen und Ignorieren der Tatsachen die Ursachen für diese unhaltbaren Zustände gesetzt. Das wachsende Transportaufkommen in den nächsten Jahren wird die Situation aber noch verschärfen. Das, was wir jetzt sehen, ist also erst der Anfang." Während Ostrowski vor allem von der Polizei ein "knallhartes Durchgreifen bei der Absicherung und Beseitigung der Gefahrenstellen" fordert, verraten aber schon die Zahlen die Ausweglosigkeit der Situation: NRW-weit fehlen zwischen 3.700 und 5.000 Lkw-Parkplätze. Bundesweit schwanken die Schätzungen der dringend benötigten Lkw-Parkplätze zwischen 30.000 und 40.000. Prekär ist die Situation vor allem, weil eine Vielzahl von Parkplatz-Erweiterungen in der Pipeline stecken, sich aber in die Länge ziehen. "Keiner will Lkw-Parkplätze in seiner Nachbarschaft und deshalb werden solche Forderungen auch nicht unterstützt", beschreibt Raststättenplaner Frank Schmidt aus Willich die Problematik. "Grundsätzlich werden Argumente wie Kriminalität, Flächenverbrauch, Schmutz und Umweltverschandelung ins Feld geführt."

Report Parkplatzmangel FF 4/2018, Wildparken, Parkplätze, Rasthöfe, Autobahn, Auffahrt, Standstreifen, Gefahr, Polizei, Bosch Secure Truck Parking. Foto: Norbert Böwing
Für die Polizei ist und bleibt es schwierig, die Situation unter Kontrolle zu bekommen.

Lkw-Fahrer stecken im Dilemma

Dabei wissen alle Beteiligten, dass den Lkw-Fahrern oftmals kaum eine andere Möglichkeit bleibt, wenn sie es auf der Suche nach einem Parkplatz nicht auf einen Verstoß gegen ihre Lenk- und Ruhezeiten ankommen lassen wollen. Bei den Fahrern tickt also die Uhr, sie haben das Gesetz im Nacken. "Ein echtes Dilemma. Nach dem Ablaufen der vorgeschriebenen Lenkzeiten können sie oft nur falsch parken oder weitersuchen und die Zeiten überschreiten", sagt Polizeihauptkommissar Christoph Becker von der Polizei in Münster, die deshalb ihre Aktion "Geisterparker" gestartet hat. Will sagen: "Genau genommen bleibt den Fahrern oft nur eine Entscheidung zwischen Pest und Cholera." Angrenzende Gewerbegebiete könnten eine Lösung sein, sind aber nicht immer leicht zu finden oder schlimmstenfalls durch bauliche Maßnahmen vor parkenden Lkw "geschützt". Gerade ortsunkundige Lkw-Fahrer verlassen auch nur ungern die Autobahn, um unter Zeitdruck einen Parkplatz zu suchen.

"Bosch Secure Truck Parking" bietet Lösungsansatz

Neben den chronisch überfüllten, kostenlosen Rastplätzen bieten unzählige Autohöfe entlang der Autobahn Parkraum an: meist kostenpflichtig mit Verzehrgutschein im Gegenzug oder auf zusätzlich gesicherten Arealen als Sicherheitsparkplätze. Mithilfe der europaweiten Buchungsplattform "Bosch Secure Truck Parking" können Lkw-Fahrer und Speditionen neuerdings Parkplätze mittels einer App buchen und reservieren. Der Autohof Thiersheim an der A 93 dient hier als eine Art Pilotprojekt. Lkw-Fahrer müssen dort nicht einmal mehr ein Ticket lösen oder mit Bargeld zahlen. An der Schranke befindet sich eine Kamera, mit deren Hilfe das Lkw-Kennzeichen automatisch gescannt und verschlüsselt an die Buchungsplattform gesendet wird. Liegt eine Reservierung vor, kann der Lkw-Fahrer das Gelände kontaktlos befahren. Die Kosten für das Parken betragen zehn Euro und werden später online abgerechnet. Besonderheit des Bosch-Konzeptes ist es, dass die Fahrer nicht nur wissen, dass sie einen garantierten Parkplatz für die Nacht haben, sondern auch die integrierte Sicherheitsüberwachung.

Bosch-Projektleiter Dr. Jan-Philipp Weers berichtet: "Das Interesse von Disponenten und Fahrern an unserer Lösung ist groß. Auch viele Arealbetreiber haben sich bereits bei uns gemeldet, weil sie eine zukunftsfeste Lösung suchen. So wie es aktuell läuft, kann es einfach nicht weitergehen." Bosch Secure Truck Parking bindet auch Speditionen mit ihren Betriebshöfen mit ein. Yvonne Kiesel, Geschäftsführerin der Mainfranken Logistik GmbH & Co. KG aus dem fränkischen Oberthulba, hat sich mit ihrer Firma bei dem Portal angemeldet und Parkraum angeboten. "Unsere 40 Lkw sind unter der Woche unterwegs und das Gelände steht leer", schildert sie. Spontan zugesagt hat die Spediteurin aufgrund eigener Erfahrungen: "Die Situation auf der Straße ist dramatisch. Jetzt helfen wir uns selbst und haben gute Erfahrungen gemacht." Vor allem das staatliche Förderprogramm De-minimis macht die Park-App für Speditionen interessant. Bei Vorlage einer Sammelrechnung werden deutschen Firmen bis zu 80 Prozent der Parkgebühren erstattet. Voraussetzung für die Förderung sind Videoüberwachung, Einzäunung und sanitäre Anlagen.

Dieser Artikel stammt aus diesem Heft
FF 04 2018 Titel
FERNFAHRER 04 / 2018
3. März 2018
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