Mit dem TGE spielt auch MAN mit in der Liga der leichten Nutzfahrzeuge. Zum Test schicken die Bayern einen Spezialisten fürs Grobe: 177 PS, Allradantrieb, Buchhalterausstattung.
Trotz identischer Technik müssen VW Crafter und MAN TGE ihre eigene Nische finden, um sich nicht gegenseitig das Wasser abzugraben. Darum tritt der Bayer deutlich hemdsärmeliger an als der VW. Schon bei der Präsentation hat MAN viel Wert darauf gelegt, dass die beiden Beinahe-Zwillinge eigentlich ganz verschiedene Zielgruppen haben. So geht beispielsweise das robuste Multifunktionslenkrad in Plastik statt Leder auf die Initiative der MAN-Kollegen zurück. Im Baustellenbetrieb geht es schließlich oft etwas schmutziger zu. Die einfachere Ausstattung macht sich gerade der Testwagen zur Tugend. Die Ausstattungsliste fällt relativ kurz aus. Die bedeutendsten Punkte: Sitz- und Standheizung für die Crew und Allradantrieb. Komfort-Extras wie Lenkassistent, Abstandstempomat oder gar ein eingebautes Navi fehlen. Der Fahrer muss sich also allein auf die eigenen Fahrkünste verlassen.
Allradantrieb bringt Traktionsvorteil
Stattdessen wartet der Transporter lediglich mit einem althergebrachten starren Tempomaten auf. Das dürfte den Käufer aber nicht allzu sehr stören. Denn wer lange Autobahnetappen vor sich hat, die solch ausgefeilten Systeme rechtfertigen, wird eher nicht zum Allrad greifen. Das unterstreicht auch der etwas schwache Geradeauslauf des Testwagens. Das Lenkrad verlangt stets einen sicheren Griff. Dank der gefühlvollen elektromechanischen Lenkung gelingt das Spiel gegen die Elemente aber ohne größere Schwierigkeiten.
Für reine Langstreckenetappen auf der Autobahn scheint der Allrad also nicht gemacht. Diesen TGE 3.180 vermutet man eher im alpenländischen Raum. Dank der Traktion des Allradantriebs kommt ein gestandener Hüttenwirt im Sommer wie Winter zu seinem Betrieb auf der Alm. Und dank der mannigfaltigen Heizungsoptionen für Gesäß und Körper muss er dabei auch nicht frieren.
Dass der Laderaum wie bei der heckgetriebenen Variante 100 Millimeter an Höhe einbüßt, ist zu verschmerzen. Um die Kraft des Motors an die Hinterachse zu schicken, muss sowohl beim 4x4 als auch beim Hecktriebler eine Kardanwelle unter dem Laderaum hindurchgeführt werden. Die Nutzlast liegt wegen des Allradaufschlags beim 3,5 Tonner bei maximal 1.334 Kilogramm. In der 3,0-Tonnen-Version bleiben davon nur maximal 834 Kilogramm übrig. Nicht viel für ein Fahrzeug mit 10,7 Kubikmeter Laderaum. Doch auch hier heiligt der Zweck die verfügbaren Mittel, wenn der Wirt beispielsweise nur einige Kisten Lebensmittel aufwärts chauffieren muss.
TGE glänzt mit ausgeglichenem Fahrverhalten
Das Fahrverhalten des Lastentiers ist vor allem unauffällig. Nicht einmal die eigentlich üppige Motorleistung bringt das Fahrwerk aus dem Tritt. Dezent und ohne Murren erreicht der TGE seine Höchstgeschwindigkeit und beschleunigt auch angemessen, aber eben nicht so übermäßig spritzig, wie man es von ihm vermuten würde. Die konservative Abstimmung des Motors schiebt weitreichenden sportlichen Ambitionen einen Riegel vor. Sportlich muss ein großer Transporter aber auch gar nicht sein. Vielmehr überzeugt die stoische Gelassenheit, mit der sich der TGE auch mit einer halben Tonne Testgewicht zwischen den Achsen voranschiebt. In Kurven verhält sich der MAN ebenso entspannt. Daran hat sicher die vorbildliche Lenkung ihren Anteil. So bleibt die Fuhre unterwegs neutral und erlaubt sich keine Schnitzer. Auch auf verschneitem Schotter ändert sich daran nichts: Selbst mit Nachdruck lässt sich der Wagen nicht aus der Ruhe bringen. Er bricht nicht aus oder schiebt über die Vorderräder.
Allerdings birgt der Antriebsstrang auch Schattenseiten. Natürlich bringen vier angetriebene Räder mehr inneren Widerstand und ein dezentes Mehrgewicht von 126 Kilogramm mit sich. Das erhöht den Verbrauch, wenn auch sehr zurückhaltend. Auf der lastauto omnibus Verbrauchsrunde genehmigt sich der TGE 9,3 Liter Diesel pro 100 Kilometer, also nur knapp zwei Liter mehr als MAN als Normverbrauch für den Fronttriebler angibt.
Ganz ungetrübt bleibt das Gesamtbild des Kraxelmeisters indes nicht. Die Schaltung ist relativ knackig mit kurzen Schaltwegen ausgelegt. Das ist zwar gut gemeint, sorgt aber vor allem beim Schalten in die linke Gasse, also zu den im Gelände notwendigen Stufen eins und zwei, für Irritationen. Das hakelige Gefühl in der Hand macht es teils schwierig, nur durch die haptische Rückmeldung den dritten vom ersten Gang zu unterscheiden.
Scheibenwischerfunktion lässt sich noch optimieren
Grund zur Kritik liefert auch der Scheibenwischer. Eigentlich sollte der per Regensensor selbstständig entscheiden, wie oft er zu wischen hat. In der Praxis kommt die Elektronik ihrer Aufgabe aber nur unzureichend nach. Der Wischer tut die meiste Zeit gar nichts. Das Unangenehme an diesem Umstand ist, dass die Wischautomatik am Lenkstockhebel die Raste einnimmt, die sonst der Intervallwischer innehätte. Bei wenig Niederschlag bleibt also die Wahl zwischen Dauerwischen auf fast trockener Scheibe – oder den Scheibenwischer immer wieder manuell an- und abzustellen.
Ebenso wenig gefallen die Gummi-Fußmatten. Die sind zwar robust, leicht abwaschbar und eigentlich prädestiniert für schmutzigeres Schuhwerk, aber leider nicht am Fahrzeugboden fixiert. Darum rutschen sie ständig hin und her. Insgesamt hinterlässt der TGE aber sowohl beim Hüttenwirt als auch in der Redaktion einen positiven Eindruck. Enormen Anteil daran hat sein Technologiespender VW Crafter. Der Allrad harmoniert bestens mit dem unaufgeregten Antrieb. Die störenden Details dürfen aber beim Facelift gerne rein ins Lastenheft.