Kompressor kontra Verdunster Alles Gute kommt von oben

Standklimaanlage zum Nachrüsten: Kompressor kontra Verdunster, MAN, EfficientLine Foto: © Kern 14 Bilder

Verdunster- oder Kompressor? Diese Optionen stehen bei der Standklimaanlagen-Nachrüstung zur Wahl. FERNFAHRER machte die Probe aufs Exempel.

Zwei Stunden bei 32 Grad Außentemperatur, dann ein Temperaturabfall auf 27 Grad und anschließend tropisches Höllenfeuer mit 40 Grad Celsius plus Sonneneinstrahlung: Das kann jedem passieren, der sommers im Süden beispielsweise um drei Uhr in der Früh den Motor abstellt, um sich dann aufs Ohr zu legen. Erholsam sind solche Ruhepausen nicht, wenn sie einen im eigenen Saft schmoren lassen. Mit offenen Augen träumt dann mancher in seinem Brutkasten vom tiefen winterlichem Schlummer. Oder eben von einer Standklimaanlage.

Normale Klimaanlage ist schlechte Alternative

Der Hitze mit einer regulären Klimaanlage bei laufendem Motor gegenzusteuern, ist heutzutage aus zwei Gründen nur noch als Notlösung einzustufen. Zum einen erlaubt’s die Polizei als "unnötiges Laufenlassen des Motors" von vornherein nicht. Zum anderen treibt dieses Verfahren die Spritkosten derart in die Höhe, dass sich dem Chef die Stirn nur zu schnell in Falten legt. Kommen so doch fix drei bis vier Liter Dieselkonsum pro Stunde zusammen. Eine achtstündige Matratzensession schlägt dann schnell mal mit circa 40 Euro Zusatzkosten zu Buche. Von den Pausen beim Warten aufs Abladen und ähnlichen Leerlaufphasen tagein tagaus ganz zu schweigen.

Nur rund 37 solcher Nächte wiegen den Preis für eine Kompressor-Standklimaanlage neuester Bauart schon wieder auf. Dafür sind brutto ungefähr 1.500 Euro zu veranschlagen. Wer sich lieber an die traditionelle Verdunsteranlage hält, der hat die Kosten nach rund 25 Nächten mit ständig laufendem Motor schon wieder drin. Der gängige Preis beläuft sich auf 900 bis 1.000 Euro.

Nachrüst-Standklimaanlage als Lösung

Der Griff zur Nachrüst-Standklimaanlage wird also auch für den meist wankelmütigen deutschen Sommer so verkehrt nicht sein. Denn auch der hält manche heiße Nacht bereit. Die Anlage dürfte sich auf jeden Fall bewähren, wenn die Touren öfter in heißere Gefilde führen. FERNFAHRER ist schon mal vorausgefahren – nach Madrid: Dort hat der Hersteller Dirna Bergstrom, der die Marke Bycool fertigt, seinen Sitz. Zu den Gebäuden von Dirna Bergstrom gehört auch eine Klimakammer, die nun zwei Tage lang ordentlich zu schuften hatte: Das eine Mal durfte sie der Kompressoranlage namens Compact 1.4 einheizen. Das andere Mal der traditionellen Verdunsteranlage mit der Bezeichnung Flat.

Dabei handelt es sich um grundverschiedene Systeme. Die Verdunsteranlage bedient sich einer Methode, mit der schon die alten Ägypter zu Zeiten der Pharaonen ihre Drinks gekühlt hatten: Wasser auf die Amphoren, Frischluft zugefächelt und schon sinkt die Temperatur innerhalb der Behälter aufs Angenehmste. "Verdunstungskälte" heißt das Zauberwort, das hinter dem physikalischen Prozess steckt.

Verdunsteranlagen arbeiten mit Wassertank

Klassische Verdunsteranlagen für den Lkw erreichen das durch einen an die Rückwand montierten Wassertank sowie einen in der Anlage untergebrachten Feuchtigkeitsfilter mitsamt Gebläse. Das Verfahren ist ganz einfach: Eine am Tank montierte Wasserpumpe fördert das Nass in den ringförmigen Feuchtigkeitsfilter, der aus einer Art Holzwolle besteht, die sich mit Flüssigkeit vollsaugt. Das Gebläse erledigt nun die Arbeit, die bei den Ägyptern mit Wedeln bewehrte Diener zu verrichten hatten. Es bewirkt zweierlei: dass das aufgesogene Wasser im Luftstrom verdunstet und dass die solchermaßen gekühlte Luft durch die Auslassdüsen ins Kabineninnere streicht.

Ganz anders geht die Kompressoranlage vor, die wie eine richtige Klimaanlage funktioniert. Dieser technische Aufwand hat zwar einen höheren Preis. Doch verfügt der Lkw mit ihr auf dem Dach eben über eine echte Anlage, die sich nicht nur punktgenau einstellen lässt, sondern auch noch etwas ganz anderes leistet: Sie verringert die Temperatur der Luft in der Kabine und kann ihr darüber hinaus Feuchtigkeit entziehen. Fürs Wohlbefinden des Menschen ist das von ganz entscheidender Bedeutung. Denn je geringer die Luftfeuchtigkeit der Umgebung ist, desto besser funktioniert das hauseigene Klimasystem des Menschen. Der verschafft sich Linderung durch die beim Schwitzen entstehende Verdunstungskälte.

Luft kann kaum noch Feuchtigkeit aufnehmen

Doch je mehr die Luft schon mit Feuchtigkeit geschwängert ist, desto weniger kann der Schweiß schnurstracks verdunsten – und desto eher rinnt die Brühe eben bloß lästig auf der 
Haut. Jeder weiß, dass 35 Grad Celsius 
in trockener Hitze erträglicher sind als 
28 Grad in sehr feuchtem Klima. 
In genau dieser Hinsicht hat nun die klassische Verdampferanlage gleich zwei Schwachpunkte: Einerseits saugt sie anders als die Kompressoranlage die Luft von außen an. Ist also von vornherein stark abhängig von der Feuchtigkeit der Außenluft. Sie kann deswegen sowieso nur so stark kühlen, wie es die Aufnahmefähigkeit der Luft für Feuchtigkeit zulässt.

Da geht es ihr auch nicht anders als dem Menschen: Bei trockenem Klima funktioniert das prima, bei feuchtem nur noch bedingt – und manchmal gar nicht mehr. In der Praxis heißt das zum Beispiel, dass eine Verdunsteranlage wie die Bycool Flat bei 32 Grad Außentemperatur und zehn Prozent Luftfeuchtigkeit eine Auslasstemperatur von nur 15 bis 16 Grad erreichen kann.

Beträgt die Luftfeuchtigkeit aber 50 Prozent, dann sind nur noch 25 Grad Auslasstemperatur möglich. Und klettert die Feuchtigkeit auf 80 Prozent oder mehr, dann kann das System schon gar nicht mehr kühlen, weil die Luft unter diesen Umständen keine Feuchtigkeit mehr aufnehmen kann.

Kompressoranlage kühlt weniger

Die Kompressoranlage wiederum arbeitet prinzipiell im Umluftbetrieb und kühlt tendenziell etwas weniger, lässt sich aber von der Luftfeuchtigkeit draußen kaum beeindrucken. Sie bringt es bei 32 Grad Celsius Außentemperatur auf eine Auslasstemperatur von 15 bis 16 Grad. Der Nachteil bei der Kompressoranlage mit ihren vielen elektrisch betriebenen Komponenten ist im Gegenzug, dass sie direkt von der Batteriekapazität des Lkw abhängig ist.

Zwischen 10,5 und 18,0 Ampere pro Stunde beträgt ihre Stromaufnahme in der 24-Volt-Version. Rein rechnerisch könnte das bei zwei Batterien à 175 Ah – wie bei den zwei Test-MAN eingebaut – also für rund 19  Stunden reichen. Doch hängen ja noch einige andere Verbraucher an den Energiespendern. Zudem baut jede Batterie im Laufe ihres Lebens ab.

Unter den extrem harten Testbedingungen im Madrider Labor von Bycool, bei denen die Klimaanlage mit bis zu 40 Grad Außentemperatur und zusätzlicher künstlicher Sonneneinstrahlung bei einem konstanten Sollwert von 22 Grad im Inneren konfrontiert war, reichte die Kondition der noch gar nicht voll im Saft stehenden Batterien des nagelneuen MAN aber gerade mal für fünf Stunden hartes Schuften.

Nicht zu stark runterkühlen

Bei 32 Grad konstanter Außentemperatur und einem höheren Setpoint wäre achtstündiges, wohltemperiertes Schlummern sicher möglich gewesen. Zehn Grad unter Umgebungstemperatur runterzukühlen ist sehr ehrgeizig und nicht nur im Interesse der Batteriekapazität wenig ratsam. Denn wer dann aus seinem Kühlhaus nach draußen tritt, den trifft die Hitze wie ein Hammer. Ein Setpoint von fünf Grad unter Außentemperatur gilt im allgemeinen als vernünftiger Richtwert.

Konditionsprobleme wegen schwächelnder Batterie kennt die Verdunsteranlage kaum. Fällt bei ihr doch die Stromaufnahme mit maximal 4,0 Ampere pro Stunde extrem moderat aus. Elektrizität verbrät dieses System ja auch nur für den Betrieb der Wasserpumpe sowie des starken Gebläses. Den Rest erledigt die Natur, indem sie das Wasser ganz einfach verdunsten lässt.

So kommt es, dass die Verdunsteranlage selbst bei 40 Grad Außentemperatur gut 
bei Puste bleibt und der Hersteller einen Batteriewächter erst gar nicht vorsieht. Nach fünf Stunden Dauerbetrieb sind die Batterien des Test-MAN denn auch noch gut bei Kräften und würden das Spiel noch lange klaglos mitmachen. Die Verdunsteranlage legt dabei – zumindest im trockenen spanischen Klima – während des Tests eine Leistung vor, die sich sehen lassen kann: Trotz barbarischer 40 Grad Außentemperatur sowie Sonnensimulation kann sie durchschnittlich 31 Grad im Innenraum locker halten.

Kompressoranlage ist kein Mittel gegen direkte Sonneneinstrahlung

Dass die Kompressoranlage zu diesem Zeitpunkt schon den Geist aufgibt, ist eben hauptsächlich den ziemlich brutalen Messbedingungen geschuldet. Das Gerät ist sowieso nicht als Mittel gegen direkte Sonneneinstrahlung gedacht. Die Solltemperatur nicht ganz so extrem heruntergeschraubt und eine normal heiße südliche Sommernacht von rund 30 Grad sowie eine durchschnittliche Batteriekapazität angenommen, sollte das System eine Nachtschicht durchhalten. Auch wenn die Luft an deren Ende wegen des Umluftbetriebs nicht mehr ganz taufrisch sein wird. Es kommt nicht von ungefähr, dass die vor sieben Jahren eingeführten Kompressoranlagen mittlerweile ganz oben in der Gunst der Käufer liegen.

Punktgenaue Einstellung der Solltemperatur beim Kompressor

Lässt sich bei der Verdunsteranlage zwar die Wasserzufuhr in drei und das Gebläse in acht Stufen regeln, bleibt das Herausfinden der passenden Stärke am Ende doch dem Geschick des Einzelnen überlassen. Die Kompressoranlage wiederum verfügt über eine punktgenaue Einstellung der Solltemperatur ganz nach Wahl. Sie ist auch die ruhigere Variante. Gibt die zyklisch arbeitende Wasserpumpe der Verdunsteranlage doch regelmäßig etwas gewöhnungsbedürftige Geräusche von sich.

Zudem bringt die Kompressoranlage den angenehmen Nebeneffekt mit sich, dass sie die Luft trockener macht – anstatt noch zusätzliche Feuchtigkeit in die Kabine zu bringen, wie es bei der Wasseranlage der Fall ist. Pflegeleichter ist sie obendrein. Und schneller montiert: Die paar Hunderter mehr für das modernere Kompressorsystems sind also allemal gut investiert.

3 Fragen an Jan Kerstiens, Verkaufsleiter Dirna

?: Dach-Kompressoranlagen für die Standklimatisierung haben schon 85  Prozent des Markts erobert. Woraus resultiert die große Akzeptanz?

Kerstiens: Der besondere Vorteil liegt in der konstanten Leistung, unabhängig von der Außentemperatur sowie der aktuellen Luftfeuchtigkeit. Das sind echte Klimaanlagen. Die Verdunstersysteme wären genau genommen eher als Kühlgeräte zu bezeichnen. Für die Kompressoranlage spricht außerdem das bequemere Handling. Sie sind nahezu wartungsfrei.

?: Wem würden Sie trotzdem zur Verdunsteranlage raten?

Kerstiens: Die Wasseranlage verbraucht weniger Strom und hält entsprechend länger durch. Sie hat, sofern die Luft trocken ist, ein sehr hohes Leistungsvermögen und kann auch extrem hohen Temperaturen Paroli bieten. Am Ende ist es natürlich auch eine Frage des Preises und der persönlichen Vorlieben – zum Beispiel, ob es einer eher trocken oder eher feucht mag.

?: Lkw werden immer höher und lassen oft gar keinen Platz für eine Aufdachanlage. Und immer mehr Hersteller bieten die Standklimaanlage bereits ab Werk an. Wo sieht Bycool künftig seinen Markt?

Kerstiens: Das Produktfeld befindet sich in einer ziemlich starken Entwicklung. Bei Technik und Effizienz wie auch bei den Formen. Es wird eine Menge Neuerungen geben. Wir haben uns außerdem vor Kurzem nach der Automobilhersteller-Norm ISO/TS 16949 zertifizieren lassen und sind damit gut aufgestellt, um auch an Projekten für die Erstausrüstung zu arbeiten.

Klima per Kompressor

Kompressoranlagen wie Bycool Compact 1.4 mit einem geschlossenen Kältekreislauf nutzen den physikalischen Effekt der Verdampfungswärme beim Wechsel des Aggregatszustands von flüssig auf gasförmig. Das bewerkstelligt ein Quartett an Komponenten, das aus Kältemittel, Kompressor, Kondensator und Verdampfer besteht.

Diese vier spielen folgendermaßen zusammen: Die zwei Kompressoren der Compact 1.4 saugen das gasförmige Kältemittel R 134A an und verdichten es. Das wiederum erhöht den Druck im Kältekreislauf – und somit auch die Temperatur des Kältemittels. Im Kondensator gibt das Klimamittel die überschüssige Wärme an die Umgebung ab und wird durch den Entzug von Wärme gleich wieder flüssig.

Nächster Schritt: In einem Kapillarrohr wird das Kältemittel vom höheren Kondensationsdruck auf den niedrigeren Verdampfungsdruck gedrosselt. Somit erreicht es den Verdampfer als Gas, das an dieser Stelle expandiert und den gleichen Druck annimmt wie vor dem Verdichten. Dabei sinkt die Temperatur des Kältemittels signifikant. Dadurch kann die Oberfläche des Verdampfers der vorbeiströmenden Gebläseluft Wärme entziehen. Anschließend strömt die Luft als wohltuend frische Brise ins Fahrerhaus.

Fleißaufgabe

Bei der Kompressoranlage ist es mit 2,5 Stunden bis zu einem halben Tag Arbeit für die Installation getan. Der Einbau der  Verdunsteranlage dauert dagegen etwas länger. Das Gerät will außerdem permanent gehegt und gepflegt sein. Damit sich weder Pilze noch Bakterien in unerwünschter Zahl ansiedeln, gilt es, eine Art Desinfektionspatrone am Boden des Wassertanks halbjährlich zu erneuern. Ebenfalls halbjährlich ist das Leitungssystem mit einer Lösung aus Trinkwasser und Natriumhypochlorid gründlich zu reinigen.

Es wird sogar empfohlen, den Feuchtigkeitsfilter aus Holzwolle und sein Gehäuse in mindestens zweimonatigem Turnus zu putzen. Der Filter selbst sollte außerdem nach maximal zwei Jahren ausgetauscht werden. Und nicht zuletzt funktioniert das System nur dann, wenn sich auch genügend Wasser im Tank befindet. Ungefähr alle 18 Betriebsstunden muss der Fahrer also den 27-Liter-Wassertank an der Rückwand des Lkw neu auffüllen.

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