Jans Blog Rohrkrepierer: Abgasskandal mit Adblue-Killern

Foto: Screenshot ZDF 4 Bilder

Im Januar berichtete das ZDF in zwei Sendungen über den mutmaßlich größten Abgasbetrug seit dem VW-Skandal. Die Reportagen basieren auf ungewöhnlichen Mess- und fragwürdigen Recherchemethoden. Eine Fernsehkritik.

Das Bild will mir nicht aus dem Kopf. Im letzten Sommer rast ein dunkler VW Touran mit Münchner Kennzeichen über deutsche Autobahnen. Am Kühlergrill ragt eine mindestens ein Meter lange rote Lanze von rechts nach links in die Luft, darin steckt ein Schlauch mit einem Durchmesser von knapp zwei Zentimetern leicht schräg heraus. Im Prinzip ist das Rohr auf den Mittelstreifen ausgerichtet. Oder auf den Auspuff eines Pkw.

Mit 80 bis 85 km/h verfolgt der VW Lkw aus aller Herren Länder, um deren Abgase zu erschnüffeln. Darunter sind, so wird es später in einem Gutachten von Dr. Denis Pöhler vom Institut für Umweltphysik der Universität Heidelberg stehen, 53,1 Prozent Lkw mit Euro 6. Jedenfalls in der Kategorie der Messungen, bei denen für die Schnüffler die Euro Norm von außen am Fahrerhaus leicht erkennbar ist.

Völlig neue Messmethode

"Plume-Chasing" nennt sich diese Methode. Dabei wird die NOx- und CO2-Konzentration für eine bestimmte Zeit in der Emissionsfahne hinter dem Fahrzeug gemessen. Das ist neu. Normal testet die Lkw-Industrie selbst durch sogenannte „Portable Emission Measurement Systems“ – PEMS. Die Abgase werden direkt am Auspuff abgefangen und in ein Messgerät geleitet, das in einem Auflieger mitgeführt wird.

Die Heidelberger Umweltphysiker, so steht es auf der Homepage, ermöglichen nun mobile Abgasmessungen im realen Straßenverkehr, bislang in Städten.
Für das ZDF-Magazin Frontal 21 hat Pöhler öfter die Abgase von Dieselautos gemessen. Nun wagt er sich mit seiner Apparatur, dem Gerät "NO2 ICAD", in einem für die Filmaufnahmen per Schild im Heck deklarierten "Umweltmessfahrzeug", das allerdings nicht der Uni gehört, auf die Autobahn.

Er möchte, schreibt er selbst, sein Gerät zur Marktreife bringen, die Studie ist unter anderem vom Bundeswirtschaftsministerium gefördert worden. 254 Lkw hat das Team im Vorbeifahren gemessen, 53 hatten ein deutsches Kennzeichen, alle anderen kamen aus dem Ausland, überwiegend Mittel- und Osteuropa, und von diesen wiederum hatten rund 20 Prozent (exakt 23 Prozent) auffällige Messwerte. In der Ausgabe 3 des FERNFAHRER hatte ich bereits in einer ersten Filmbesprechung geschrieben, dass es sich allenfalls um Indikatorwerte handeln kann.

Der Fahrer mit dem Bleifuß

Nach Lektüre des Gutachtens habe ich jetzt zwei Probleme. Denn dort heißt es unter anderem: "So muss die Umrechnung zu Emissionen ebenfalls die Verdünnung bei der Ausbreitung der Abgasfahne bis zum Messsystem berücksichtigen. Dies erfolgt durch die gleichzeitige Messung der CO2 Konzentration. CO2 wird gleichzeitig mit NOx emittiert und wird analog zu NOx bei der Ausbreitung der Abgasfahne verdünnt".

Gestolpert bin ich über folgenden Passus. "Die CO2 Emission ist jedoch recht genau bekannt. Sie lässt sich wie für Pkw präzise aus dem Kraftstoffverbrauch berechnen. Der Kraftstoffverbrauch kann in diesem Fall gleichzeitig am Fahrzeug gemessen werden."
Allerdings: Im Lkw-Bereich gibt es eben keine verbrieften Verbräuche. Sie können in Abhängigkeit von vielen Faktoren stark streuen. Allein der Fahrer hat bis zu 20 Prozent im Bleifuß.

Und noch etwas: Bei Lkw der Abgasnorm Euro 6 ist der Auspuff auf der rechten Seite angebracht, weil die Abluft nach der hoch komplexen Reinigung oftmals sauberer ist als die Umluft. Im Prinzip gehen die dort emittierten Abgase in die andere Richtung der Messung – hin zum Grünstreifen. Vielleicht wabern sie ja während der Fahrt auch unter dem Auflieger hindurch über den Asphalt und werden bei Vollgas trotzdem noch in der Nähe der dritten Fahrbahn in ausreichender Menge aufgesogen. Ich bin leider kein Umweltphysiker, ich bin Journalist mit gesundem Menschverstand. Für mich passt das einfach nicht zusammen.

Der angeblich größte Abgassskandal seit VW

Am 16. Januar gibt das ZDF eine Pressemeldung heraus. Darin steht: "Messungen im Auftrag des ZDF und der Organisation Camion Pro ergaben, dass 20 Prozent aller LKW aus Osteuropa dringend verdächtig sind, ihre Abgasanlage manipuliert zu haben. Dies würde Mautbetrug in einer Höhe von rund 110 Millionen Euro bedeuten. Der Schaden für die Umwelt mit einem Ausstoß von rund 14.000 Tonnen Stickoxiden pro Jahr ist laut Experten doppelt so groß wie bei den Abgas-Manipulationen von VW in den USA."

Noch bevor die Reportagen in den Sendungen "Frontal 21" und "Zoom" gesendet werden, springen auch die Printmedien ungeprüft auf die Abgasfahne auf. Nach den Sendungen erlischt urplötzlich das Interesse. In der medialen Abgasnachbehandlung ist die Sendung ein Rohrkrepierer. Kurz danach legt Andreas Mossyrsch, Vorstand von Camion Pro, unabhängig vom ZDF, nach und schreibt in einer eigenen Pressemeldung, nach der er das Gutachten, das man gerne auch über ihn beziehen kann, erst nach dem Film vollständig interpretiert hat: "Die Umweltbelastungen durch die manipulierten Lkw sind vermutlich doppelt so hoch wie bisher angenommen. Damit dürften die Umweltschäden sogar größer sein als die durch die VW-Manipulationen." Das wäre dann nahezu jeder zweite Lkw aus Osteuropa auf deutschen Autobahnen. Allerdings –außer der Fachpresse geht jetzt niemand mehr darauf ein.

Zweifel an den Filmbeiträgen

Ich war noch im Urlaub und habe an meinem neuen Kriminalroman geschrieben, als ich diese Meldung las. Ich hatte schon mehrmals als Co-Autor für Frontal 21 an Beiträgen mitgewirkt, und so fragte ich dort und in der Chefredaktion des ZDF in Mainz per Mail freundlich an, ob man diese These auch wirklich fundiert gegenrecherchiert habe.

Und ich verwies auf meinen Bericht "Ein Mann sieht blau" aus dem März 2016, wo ich zusammen mit unserem damaligen Ressortleiter Technik, Markus Braun, ernsthafte Zweifel an der These des massenhaften Einsatzes von Emulatoren und vor allem den Recherchemethoden von Andreas Mossyrsch geäußert habe.

Daraus erwuchs im Laufe der Zeit ein recht fleißiger Schriftverkehr mit dem Autor, Christian Bock. Er endete, nachdem ich elf konkrete Fragen an die Pressestelle des ZDF gestellt hatte, mit einer ausführlichen Stellungnahme der Redaktionsleiterin von ZDF Zoom, die den langen Film zu verantworten hat.

Sie belegt auch, wie weit das ZDF die Frage der verdeckten Recherche auslegt. Die Reportage selbst ist, Stand heute, unter dem Titel "Die Lüge vom sauberen Lkw" in der Mediathek zu sehen, ebenso wie die Kurzversion auf Frontal 21.

Sieht man mit dem Zweiten besser?

Es lohnt sich, den Film nach den neuen Erkenntnissen mit anderen Augen zu sehen, besser als nur mit dem Zweiten. Denn zusammen mit meiner Kollegin Marilena Matei, die schon seit 16 Jahren in Rumänien das Branchenmagazin Tranzit leitet und, im Hintergrund durch irritierte Vertreter der deutschen Nutzfahrzeughersteller beraten, habe ich den kompletten Film, der eine Menge Staub aufgewirbelt hat, mehrmals analysiert.

Ich bin danach zu dem Schluss gekommen, dass, um im Duktus des ZDF zu bleiben, der dringende Verdacht besteht, dass es sich möglicherweise, auch wenn sehr viele Leser die Aussage sehr gerne glauben würden, um die bislang wohl größte Lachnummer im öffentlich-rechtlichen Fernsehen handelt.

Höchst fragwürdiger Ansatz

Für mein Ansinnen ist schon der gesamte Ansatz des Films höchst fragwürdig. Wir haben darin einen durchaus engagierten Vorstand eines Vereins, eben Andreas Mossyrsch, der felsenfest davon überzeugt ist, dass die Logistik in Osteuropa, besonders in Rumänien, fest in den Händen des organisierten Verbrechens ist. Er spricht gerne in jede Kamera von Wirtschaftszuhälterei. Das glaubt er bewiesen zu haben, weil er einmal in Bukarest in einem gemieteten Büro eine Scheinfirma gegründet hat. Die drei oder vier Leute, die sich bei ihm beworben haben sollen, hat er heimlich gefilmt. Daraus schließt er auf eine komplette Branche.

Mehrfacherwerbstätigkeit innerhalb der EU

Einige TV-Sender haben sich in der jüngsten Vergangenheit um seine kernigen Aussagen regelrecht gerissen, diese aber offenbar nicht wirklich überprüft. Drei Beispiele: zunächst das angebliche Zollvergehen, wenn Lkw aus Osteuropa zwei Jahre in Deutschland stationiert seien.

Fakt ist: Maximal sechs Monate am Stück darf ein gebietsfremder Lkw in einem Land sein, fährt er nur einmal im Rahmen eines internationalen Transports über die Grenze, zählt es, wie bei der Kabotage, wieder von vorne. Und im grenzüberschreitenden kombinierten Verkehr ist der Vor- und Nachlauf Teil eines internationalen Transports, also auch keine illegale Kabotage. Irrsinn ja, aber nicht kriminell.

Beispiel 183-Tage-Regel, wenn Fahrer aus Rumänien mit dem Minibus nach Deutschland kommen und von dort auf rumänischen Lkw der rumänischen Niederlassung auf Tour gehen. Laut der Deutschen Rentenversicherung liegt in diesem Fall "keine Entsendung, sondern eine Mehrfacherwerbstätigkeit innerhalb der EU vor. Die steuerrechtlichen Regelungen (183-Tage-Regelung) sind für die sozialversicherungsrechtliche Zuordnung der anzuwendenden Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats unerheblich."

Beispiel Sozialversicherungsbetrug. In Rumänien und anderen MOE-Ländern gibt es einen staatlichen für unsere Verhältnisse sehr geringen Mindestlohn. Auch bei Krankheit. Fahrer bekommen für ihren Auslandseinsatz Spesen. Das ist nicht verboten. In Deutschland ist es laut Zoll, das hat meine Kommunikation mit der Pressestelle ergeben, sogar möglich, dass der Teil der Spesen, der nicht wirklich zum Essen gebraucht wird, auf den Mindestlohn angerechnet werden kann.

Und wenn aus einem aktuellen Fahrermangel in Rumänen dort zunehmend Fahrer aus Moldawien aus der Ukraine oder Moldawien auf dem Lkw sitzen, so ist das durch bilaterale Abkommen gestützt und EU-konform. Der aktuelle Wettbewerbsvorteil der Flotten aus Osteuropa basiert vor allem darauf, dass diese Mängel in der EU-Gesetzgebung konsequent nutzen. Das ist nicht verboten.

Alles ist kriminell

Doch Mossyrsch sieht hinter allem, was gerade in Rumänien passiert, kriminelle Energie Darunter eben auch den Einbau von Emulatoren, die sogenannten Adblue-Killern, mit denen man einen modernen Lkw ohne Adblue fahren kann. Die Jahresersparnis dieses nicht legalen Eingriffs in die Fahrzeugtechnik liegt dabei für den Unternehmer zwischen 350 Euro (bei Flottenbetankung) und allerhöchstens 1000 Euro.

Im Jahresmittel, das sagt der sogar der rumänische Verband UNTRR, den das ZDF nicht befragt hat, liegt er bei etwa 500 Euro. Gegenüber den jährlichen Dieselkosten von 40.000 Euro auch für rumänische Transportunternehmer ist das Thema Sparen durch Verzicht auf Adblue dort anscheinend schlicht nicht der Rede wert.

Ganze Flotten sind angeblich manipuliert

Doch Mossyrsch, ich kann es hier leider nicht anders sagen, obwohl ich seinen multimedialen Einsatz gegen das Sozialdumping prinzipiell schätze, ist von seiner Idee überzeugt. Und so kommt es zu etwas, was es in dieser Größenordnung der TV-Berichterstattung eigentlich nicht geben sollte: Im Interview mit dem Autor Bock, den er schon lange kennt, darf er folgenden Satz in die Kamera sagen: "In Osteuropa kann man offensichtlich ganze Flotten mit illegaler Abgasmanipulation betreiben."

Im TV freut sich jeder Autor über O-Töne, die eine These, in der Regel gegen die unfähige Politik oder die korrupte Wirtschaft, laut unterstreicht. Sie bleibt oft ungeprüft. Hier ist es damit nicht getan: Mossyrsch darf nicht nur zusammen mit dem ZDF das Gutachten von Denis Pöhler in Auftrag geben, das bei intensivem Studium allein darauf zielt, diese These zu belegen. Er darf zusammen mit dem Autor auch nach Rumänien reisen, um Beweise für seine Behauptungen zu finden. Der Bock wird zum Gärtner.

Spurensuche in Rumänien

Deutsche Fahrer und Unternehmer, die ich zu dem ZDF-Film befragt habe, sagen einhellig: Klar, das machen dort alle so. Der ideale Schauplatz also für das kleine Schurkenstück, das Mossyrsch und Bock im Fernsehen aufbieten. Sie finden dort natürlich einen dubiosen Dealer für diese Emulatoren, die man ganz legal im Internet kaufen kann, gern auch in Deutschland. Der wiederum kennt eine Werkstatt, die diese Dinger auch einbaut. Und so begeben sich beide in eine Kleinstadt bei Bukarest, um einen Deal zu machen. Sie geben sich, Methode Mossyrsch und O-Ton Film, als deutsche Spediteure aus, die ein Angebot für den Einbau von 30 Emulatoren haben möchten. Eine große Flotte eben.

Faktencheck – die Transportwirtschaft in Rumänien

Marilena Matei hat mir die Zahlen übermittelt, die sehr deutlich die Struktur der rumänischen Transportwirtschaft zeigen. Sie ähnelt, nur mit weniger Lkw, der deutschen Branche, sie ist stark fragmentiert. Es gibt insgesamt 30.600 Unternehmen. 83 Prozent der Firmen haben weniger als fünf Lkw, 505 Firmen um die 30 Fahrzeuge. Im Raum Bukarest sollen es etwa 20 Firmen sein. Internationale Transporte machen Firmen mit 20 Lkw und mehr. Unter den Top 50 Flotten mit mehr als 150 Lkw sind 23 Niederlassungen von westeuropäischen Firmen.

Diese haben laut Matei allein rund 5.000 Lkw im Einsatz. Seit dem 31. Dezember 2012 (Typprüfung) bzw. ab dem 31. Dezember 2013 (Serienprüfung) gilt die Abgasnorm Euro 6. Mit Euro 6 werden die Grenzwerte für Lkw bei Partikeln um etwa 67 Prozent und bei Stickstoffoxiden sogar um 80 Prozent gegenüber Euro 5 gesenkt. Es gibt, so Matei, rund 135.000 Lkw in Rumänien, davon 110.000 über 16 Tonnen. Viele davon sind im nationalen Verkehr eingesetzt oder reine Bau- und Kommunalfahrzeuge. 8.300 Neufahrzeuge wurden allein 2016 zugelassen, 8.000 im Jahr davor, 5.000 in 2014. Die rumänische Flotte ist also durchaus modern. Parallel dazu stieg laut Brenntag allein 2016 der Absatz von Adblue in Rumänien um 40 Prozent.

Es manipulieren eher die kleinen Betriebe

"In Rumänien ist es bekannt, dass durchaus mit Emulatoren manipuliert wird", sagt Matei. "Es sind aber vor allem die kleinen Firmen mit meist gebrauchten Fahrzeugen, die wirklich um jeden Euro kämpfen müssen. Aber eben keine ganzen Flotten. Denen wäre das Risiko, dass Fahrer untereinander oder gegenüber Dritten reden, viel zu hoch. Und es rechnet sich einfach nicht, für 500 Euro Einsparung an Adblue im Jahr, die Betriebserlaubnis oder die Gewährleistung aufs Spiel zu setzen."

Zurück also zum Film: Der dubiose Monteur kennt natürlich einen Unternehmer, der rein zufällig 30 Lkw hat. An dessen Lkw wird, mit Smartphone verdeckt gefilmt, der schnelle Einbau demonstriert. Mossyrsch darf sagen, dass dieser Einbau kein Hexenwerk ist, und dann fährt der Lkw wieder aus dem Bild.

In den beiden Filmen ist es unterschiedlich geschnitten, aber am Ende bleibt die fatale Aussage, in einem Text, der zu allem Übel auch noch komplett nachgesprochen ist: Der Fahrer habe noch nie Adblue getankt, er sei noch nie kontrolliert worden, er fahre im Jahr 100.000 Kilometer kreuz und quer durch Europa und, so die finale heftige Anklage, bei jährlichen Kosten von 2.000 Euro, die der Unternehmer dabei an Adblue bei einem kargen Gewinn von 6.000 Euro pro Lkw einspare, spare dieser für seine gesamte Flotte bei diesem kriminellen Dreisatz, O-Ton hier bei Frontal 21: "60.000 Euro zu Lasten der Umwelt." Das ist auf den ersten Blick ein starkes Argument.

Die Suche nach dem dubiosen Unternehmer

In den letzten beiden Wochen ist es Matei, die den Film auf Facebook und auf der Homepage des Magazins veröffentlich hat, nicht gelungen, die passende Firma zu finden, das Fahrzeug ist wie vom Erdboden verschwunden. Lkw sind die Visitenkarte des Unternehmens, heißt es so schön.

Wenn das ZDF sonst Dealer, die etwa über einen Drogenring auspacken wollen, vor die Kamera holt, dann verstecken sie das Gesicht meist hinter dem Schatten von Jalousien. Hier holen sie den Fahrer vor einen MAN, den jeder erkennen kann, mit einem roten Trailer von Schmitz Cargobull. Gegenüber dem ZDF habe ich die These vertreten, dass diese Szene möglicherweise nicht ganz der Wahrheit entspricht, das ZDF weist das sehr vehement zurück. Ich bin mir allerdings nicht sicher, was ich glauben soll. Und das ZDF warnt davor, nach dem Unternehmer weiter zu suchen, und dadurch seine körperliche Unversehrtheit nicht aufs Spiel zu setzen. Schon klar – wir sind hier mitten im organisierten Verbrechen.

Bild und Text passen nicht überein

Trotzdem habe ich massive Zweifel an den Bildern und den dort geschilderten Behauptungen. Der auffallende Lastzug war nach unseren Recherchen in keiner Sekunde in oder vor einer Werkstatt, was für das ZDF offenbar nicht ausschlaggebend ist, er fuhr mehrere Kilometer durch die Stadt Targoviste, wo schließlich vor dem Pförtnerhäuschen einer rumänisch-österreichischen Papierfabrik der schnelle Einbau gezeigt wurde, Mossyrsch mittenmang.

Obwohl das ZDF die Lokation nun wiederum bestreitet, so ist das doch im Film, jedenfalls bei Frontal 21, zu sehen: Wenn der Lkw aus dem Bild fährt, steuert er, gut sichtbar, auf eine Firma zu, die genau gegenüber dem Drehort liegt, der Papierfabrik. Das allerbeste aber: auf der Tür des MAN TGX 18.440 ist noch der Abdruck eines alten Firmenlogos zu erkennen. Der Lkw aus der angeblichen Flotte mit 30 Fahrzeugen stammt zunächst einmal eindeutig aus dem Fuhrpark einer recht großen deutschen Spedition, was diese mir auch schriftlich bestätigt hat. Damit ist vor allem eins bewiesen – die Manipulation fand an einem gebrauchten Lkw statt.

Für das ZDF spielt die Größe plötzlich keine Rolle mehr

Die behauptete Größe der Flotte und die Beispielrechnung spielt für das ZDF nach meiner Rückfrage plötzlich keine Rolle, wie mir die Redaktionsleitung schreibt: "Nach unseren Kenntnissen und nach Prüfung der Angaben, soweit sie vor Ort möglich war und soweit sie sich in späterer Korrespondenz verfestigte, ist die Schilderung des Unternehmers im Beitrag korrekt. Wir wiederholen, dass es nicht um das spezifische Unternehmen geht oder seine vermutete oder tatsächliche Unternehmensgröße. Wichtig ist die Tatsache, dass der Unternehmer uns nach kurzem Vorgespräch anbot, beim "Umbau" eines Fahrzeugs, das nicht weit entfernt stand, zuzusehen. Damit wollte er seine später schriftlich vorgelegte Fähigkeit, in größerem Umfang Manipulationen vornehmen zu können, unter Beweis stellen. Die Schilderung der Daten seines Unternehmens sowie des Fahrers zum Adblue-Verbrauch entstand in Gesprächen direkt vor Ort. Diese sind teils mit der Kamera belegt, teils durch Zeugen beeidbar." Für mich macht es aber sehr wohl einen Unterschied, ob der Mann einen oder 30 Lkw hat.

Erhebliche Zweifel an der Manipulationsthese

Wir haben also, und damit komme ich zum Schluss und bedanke mich gleichzeitig für die lange Aufmerksamkeit für meinen ersten Blog nach meiner Auszeit: eine für Lkw durchaus eher zweifelhafte Messmethode; wir haben einen unauffindbaren rumänischen Unternehmer mit mindestens einem gebrauchten Lkw, dessen Gewinn für die Einsparung von Adblue für eine ganze Flotte hochgerechnet wird; wir haben kernige polnische Polizisten, die bei einer Schwerpunktkontrolle die versteckten Emulatoren finden, und wir haben zwei übertölpelte Beamte des Bundesamtes für Güterverkehr, die während einer vom ZDF lediglich angefragten reinen Standardkontrolle sagen, dass die Kontrolle nach Emulatoren derzeit keine Priorität habe.

Kein Wunder: Vergangene Woche habe ich mit der Autobahnpolizei Köln bei sieben Fahrern aus sieben Ländern mit Hilfe eines Dolmetschers eine einfache Befragung gemacht. Alle hatten per Quittung nachweislich Adblue getankt, die Tanks waren voll, das kann man mit der Taschenlampe sehen, und bei keinem der Fahrzeuge stand die Anzeige, wie im Demo-Film des ZDF, auf "halb". Die Fahrer fanden die Frage auch eher albern, sie tanken Adblue – und gut ist. Ihre Statements stehen in Heft 4 des FERNFAHRER.

Keine Kontrollen – es fehlt am Ende der letzte Beweis

Am Schluss des Gutachtens hat Denis Pöhler acht anonymisierte Fotos von Lkw eingefügt, deren Grenzwerte laut den Messungen überschritten waren. Darunter ein grüner Volvo Euro 6 aus Rumänien. Dessen NOx Emission (untersucht am 13.07.2016) betrug 1467mg/kWh. Damit ist er laut der Aussage des Gutachtens verdächtig, mit Emulatoren zu manipulieren. Es hat noch nicht einmal einen Tag gedauert, den Halter des Fahrzeugs zu finden, die Firma  Albert Comimpex.

Deren Geschäftsführer Ion Codeci sagt gegenüber Matei eindeutig. "Wir haben in der Studie, die uns vorliegt, einen unserer Lkw wiedererkannt. Wir wollen an dieser Stelle betonen, dass unsere Firma noch nie Adblue-Emulatoren eingesetzt hat und auch weiterhin nicht einsetzen wird. Unsere 53 Lkw entsprechen allen geltenden Abgasbestimmungen."

Und so fehlt dem ZDF-Abgasschocker vor allem eins: der letzte Beweis. Nicht ein einziges Mal wurde bei den auffallenden Messungen auf Grund des mutmaßlichen Einsatzes von Emulatoren die Polizei oder beim massiven Verdacht auf Mautbetrug das BAG um Mithilfe gebeten.

Die Oberbehörde muss nun, verdonnert vom Bundesverkehrsministerium, auf Grund der intensiven Recherchen des ZDF Sonderkontrollen machen. Das ist zwar gut so. Bis dahin ist jedoch alles nur behauptet. Auch meine Zweifel sind was sie sind – Zweifel. Ich habe deshalb das ZDF und Denis Pöhler eingeladen, seine mobilen Schnüffeleien vor Ort konkret zu demonstrieren, die Polizei könnte verdächtige Fahrzeuge sofort aus dem Verkehr ziehen. Der Vorschlag wurde abgelehnt. Das ist sehr schade, denn ich würde für die ungewöhnliche Messmethode gerne eine Lanze brechen.

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