Irizar i6 Der Frühling kann kommen

Irizar i6 Foto: © Karl-Heinz Augustin 12 Bilder

Die Spanier Irizar stellen sich in Deutschland mit neuem Importeur auf eigene Füße. Vom aufgefrischten Programm zeugt der i6.

Ein eisiger Wind peitscht Schneeflocken vom Himmel. Mitte März bäumt sich der Winter nochmals richtig auf. Ausgerechnet dann, wenn der Irizar i6 bei einer ersten ausgiebigen Proberunde seine Qualitäten unter Beweis stellen muss. Ein Spanier im Eis? Doch Vorsicht: Es handelt sich bei Irizar und bei diesem Superhochdecker präzise formuliert um einen Basken. Und die sind in Spanien so etwas wie die Schwaben oder Bayern Deutschlands – wirtschaftlich erfolgreich, zäh, mitunter etwas sperrig, aber in jeder Hinsicht wetterfest.

Wechsel vom Fahrgestell zum Integralbus

Mit dem i6 schlägt Irizar ein neues Kapitel auf, wechselt vom klassischen Fahrgestellbus Südeuropas zur Integralbauweise, die in Mitteleuropa das Maß der Dinge ist. Das heißt gleichzeitig Abschied von der engen Kooperation mit Scania. Die Schweden hatten Irizar-Busse lange unter eigenem Namen angeboten. Auch hier scheint das Klima plötzlich abgekühlt. Jetzt installiert Irizar in Mitteleuropa ein eigenes Händler- und Servicenetz, setzt auf DAF-Motoren. Ein Kraftakt in wirtschaftlich turbulenten Zeiten.

Mit dem i6 hat man für dieses Projekt einen unverbrauchten Reisebus. Er trägt vorn das nach wie vor spektakuläre Design des Fahrgestellbusses Irizar PB mit schräger Windschutzscheibe, abgesenktem Dach und markanter Haube für die Klimaanlage. Irizar positioniert den i6 wie den PB in der Oberklasse und gibt ihm eine Vollausstattung von Xenon-Scheinwerfern bis zu LED-Rückleuchten mit. Dazu fährt der Irizar als Individualist vor: Nach Art des Hauses setzt sich das Programm aus fünf Längen und zwei Höhen zusammen. Dazu verschreckt man bei Irizar niemanden mit Ausstattungswünschen wie einer Hecktür oder einer überbauten Toilette. Lange Wartungsintervalle vermitteln Sicherheit, die Marke verspricht niedrige Ersatzteilkosten und lange Haltbarkeit dank Edelstahlgerippe.

Gute Verarbeitung

Doch wer sich mit den Platzhirschen messen will, muss schon beim ersten Eindruck überzeugen. Der PB hatte einen Ruf als Blender: optisch ein toller Hecht, doch bitte nicht genau hinschauen. Beim getesteten i6 sieht das anders aus: kein welliger Dachrand, enges und gleichmäßiges Fugenbild rundum. Schlanke Einfassungen der Türen wirken ebenso hochwertig wie die Aluminiumleiste als optische Absetzung der Fahrerkanzel. Dazu viele LED-Leuchten vom Tagfahrlicht bis zu den Leuchten im kräftig geformten Heck – hier paart sich Extravaganz mit Qualität.

Zur Show gehören garagentorgroße Gepäckraumklappen mit pneumatischer Betätigung. Jetzt auch per Tastendruck am Ort des Geschehens, der Fahrer muss nicht ins Cockpit sprinten. Der hohen Variante des i6 gibt Irizar große Zusatzstauräume über allen Achsen mit. Vorsicht beim Fach vorn rechts: Die geöffnete Tür verdeckt teils die Klappe. Mit 12,7 Kubikmeter Gepäckraum entpuppt sich der Zweiachser als Frachter mit Bestuhlung. Angesichts von 3,9 Meter Höhe könnte es auf der Waage unangenehm werden: 13,9 Tonnen Leergewicht nannte der Fahrzeugschein des Testwagens trotz Aluminiumrädern. Zu viel, selbst mit Vier-Sterne-Sitzabstand.

Wow-Effekt für die Gäste

Geht es am breiten Mitteleinstieg steil hinauf, so schwingt sich die Treppe vorn sanft in den Innenraum. Innehalten auf Höhe des Fahrerpodests für einen Rundblick lohnt sich: Im Fußraum ziehen sich ebenso LED-Ketten als Beleuchtung entlang wie unterhalb der Gepäckablagen. Dazu vorn die elegante Dachkuppel – der Wow-Effekt ist sicher, hier wird den Fahrgästen etwas geboten. Zum Paket gehören ebenfalls LED-Leselampen, eine hinterschäumte Unterseite der Gepäckablagen und weitere Feinheiten. Zum Beispiel tritt temperierte Luft durch Schlitze zugfrei auch neben den verschlossenen Luftdüsen ein.

Gut zwei Meter Stehhöhe sind angemessen. Die vorderen Sitzreihen senkt Irizar ab, das verbessert die Aussicht, sie ist generell wegen der Dachkuppel nicht eben üppig. Schick sind ebenfalls die schlank zulaufenden Rückenlehnen der Sitze mit breit ausgeformten Kopfstützen à la Ohrensessel und formschön integrierte Monitore  – der Fahrgastraum des i6 ist ein wahrer Genuss.

Aber nicht makellos: Bei heruntergeklappter Armlehne ist die Lehnenverstellung kaum erreichbar. Und die geschwungenen Gepäckablagen münden vorn wie hinten in unzugänglichen Hohlräumen. Das sind verschenkte Zentimeter, vor allem über dem Cockpit, dem es an größeren Ablagen mangelt.

Cockpit ist altbekannt

Der Fahrerplatz ist in seinen Grundzügen seit vielen Jahren bekannt: klassische Rundinstrumente in der Mitte, links integriert der Monitor Navi und Rückfahrkamera, rechts in der Mittelkonsole über der Unterhaltungselektronik die etwas verspielt wirkende, aber sehr einfache Bedienung von Klimaanlage und Konvektorenheizung. Linker Hand erschreckt wie immer bei Irizar eine unübersichtliche Klaviatur. Mittendrin findet sich die schrullige Taste mit Türsignet fürs elektrische Fahrerfenster. Dessen Öffnung ist klein, der breite Steg stört genau in Augenhöhe.

Auf seinem weit verstellbaren Sitz kann sich der Fahrer räkeln, die breite Fensterbrüstung lässt indes nur einen schmalen Schlitz für den Griff zur Sitzverstellung. Und noch etwas stört außer den sichtbaren Schraubenköpfen: Wer bitte bastelt Getränkehalter für Fahrer und Beifahrer einfach an die A-Säulen? Ein Stilbruch in diesem eleganten Bus mit seinen hochwertigen Details wie der griffsympathischen Abdeckung der Armaturentafel. Oder den Außenspiegeln, deren Weitwinkelgläser einen perfekten Blick auch auf die Fahrzeugecken und direkt vor den Bus vermitteln. Beim Testwagen zitterten die Hauptspiegel ein wenig – wegen der Kälte, oder war’s die Aufregung?

Lenkrad und Motor von DAF

Das Lenkrad mit Bedientastatur für allerhand Nebenfunktionen steuert DAF zusammen mit dem Motor im Heck zu. Der MX mit knapp 13 Liter Hubraum ist ein ganzer Kerl, ein bärbeißiger Macho voller Saft und Kraft. Mit 340 kW (460 PS) Leistung und 2.300 Nm Drehmoment zeigt er für einen Zweiachser mächtigen Bizeps. Beim Beschleunigen grollt und faucht der bärige Diesel wie ein Feuer speiender Drache, kennt auch eine kleine Dröhnfrequenz. Um nach Erreichen der Reisegeschwindigkeit sanft vor sich hin zu murmeln. Vorn ist es gänzlich ruhig, denn Windgeräusche gibt es im i6 nicht, ein Zeichen guter Aerodynamik und gekonnter Verarbeitung.

Eine AS-Tronic übernimmt die Kraftübertragung. Die Grundfunktionen regelt der Fahrer mit einem Platz sparenden Drehregler im Armaturenbrett. Manuelle Eingriffe erfolgen simpel per Lenkstockhebel. In den unteren Gängen schaltete die Technik des Testwagens etwas ungepflegt ruppig, die neueste Software war noch nicht aufgespielt. Da muss sich der Hersteller eines Integralbusses mehr Mühe geben als ein herkömmlicher Aufbauer, der Fahrgestelle so übernimmt, wie er sie bekommt.

ZF Fahrwerk braucht Feinschliff

Gleiches gilt für die Abstimmung des Fahrwerks. Die Technik steuert ZF bei, eine solide Plattform. Jedoch täte ein wenig Feinschliff gut: Während die Fahrgäste hinten im Fond komfortabel sitzen, spürt man vorne kurze Bodenunebenheiten. Und die Fußbremse verlangt einen sensiblen Fuß.

Generell aber entpuppt sich der Irizar als spannende Alternative zu den Etablierten: Sowohl die extrovertierte Form als auch der attraktive Fahrgastraum sind ein Blickfang. Irizar verbrämt dies mit bewährten Komponenten – der Frühling kann beginnen. Hier als zweiter Irizar-Frühling nach den Scania-Jahren.

Irizar: in vielen Punkten ganz anders als andere

Es ist die etwas andere Marke: Die spanische Nummer eins unter den Busherstellern hat einen eigenen Charakter. Gegründet 1889 von José Antonio Irizar, baut das Unternehmen 1927 seinen ersten Omnibus. Vor 50 Jahren gibt sich das Unternehmen die Rechtsform einer Genossenschaft – hier reden auch die beteiligten Mitarbeiter kräftig mit. Das hindert nicht den Expansionskurs: Außerhalb Spaniens betreibt Irizar weltweit Werke in Brasilien, Mexiko, Marokko, Südafrika, Indien und China. Aus ihnen rollen im Jahr insgesamt an die 5.000 Omnibusse. Damit nicht genug: Unter anderem gehört auch Klimaanlagenhersteller Hispacold zur Firmengruppe.

Noch vor wenigen Jahren auf Reisebusse spezialisiert, entwickelt sich Irizar zunehmend zum Komplettanbieter. Aushängeschild ist der unverändert spektakuläre Superhochdecker PB, ergänzt vom einfachen Hochdecker Century. Beide werden auf Fahrgestelle aufgebaut. Mit dem i6, im Jahr 2011 in Produktion gegangen, hat Irizar eine dritte Hochdecker-Baureihe eingeführt, erstmals in selbsttragender Bauweise. Mit dem vielseitigen i4 deckt Irizar das Segment vom Hochboden-Überlandbus bis zum einfachen Reisebus ab. Der i3 LE ergänzt als Low Entry mit Niederflurbereich das Programm. Es ist kein Geheimnis – die Ausdehnung wird bis zum Stadtbus weitergehen.

Rundum hat Irizar nach der Trennung von Scania inzwischen eigene Handelspartner eingesetzt. Für Deutschland, Österreich und die Schweiz haben die Südeuropäer mit Udo Riess und seinem Midea-Busvertrieb in Vöhringen bei Ulm einen sehr Omnibus-erfahrenen alten Haudegen der Branche gewonnen.

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