IKEA-Distributionszentrum Dortmund Parkplätze für Lkw-Fahrerinnen

IKEA-Distributionszentrum Dortmund Foto: sam 17 Bilder

Das bekannte schwedische Möbelhaus mit den vier gelben Buchstaben ist immer für etwas Innovatives gut. Aktuell: Parkplätze für Lkw-Fahrerinnen.

Eines Abends im Dezember, die Dunkelheit lag schon über Dortmund, suchte Anna Aubry vor dem IKEA-Distributionszentrum auf dem beleuchteten Großparkplatz für rund 150 Fahrzeuge einen bestimmten Fahrer – und hatte ein etwas mulmiges Gefühl zwischen all den Lastzügen mit ihren verhangenen Kabinen. Für sie als Frau durchaus nachvollziehbar.

Der bereits 2001 eröffnete europäische Logistikstandort der IKEA Distribution Service hat heute eine Gesamtfläche von 135 Hektar. Er liegt ziemlich einsam in Dortmund-Ellinghausen. Früher wurde hier Bergematerial aus den Koks- und Kohlezechen aufgeschüttet. Außer IKEA gibt es dort nichts. Nur Fuchs und Hase sagen sich sprichwörtlich „Gute Nacht“.

Ober eben die Fahrerinnen und Fahrer der rund 350 Lkw, die dort im Schnitt pro Tag Ware bringen und abholen. Ohne Unterlass rollt der Schwerverkehr. Von 22 Uhr am Sonntagabend bis 22 Uhr am Samstagabend ist das Zentrallager mit seiner Kapazität von 800.000 Palettenstellplätzen durchgehend geöffnet. Als Yard Operations Manager ist Aubry zuständig für die internen Logistikabläufe.

Der Fahrer, den sie suchte, hatte sich zwar bereits im Gatehouse Ost, der zentralen Lkw- Einfahrt, angemeldet, den beladenen Trailer aber noch nicht abgeholt. Er hatte sich in den etwas ruhigeren Teil des Parkplatzes zurückgezogen, wo man besser schlafen kann. Aubry beschlich auf dem Weg durch die Reihen der parkenden Lkw aber nicht etwa die Angst, sondern eine praktische Idee: Sie sprach mit ihrem Chef Harald Wöhlbier, der ihr 4.000 Euro zur Verfügung stellte.

Die Sorge um die Sicherheit ist eher unbegründet

Wenige Wochen später und rechtzeitig zum Weltfrauentag am 8. März konnte das ungewöhnliche schwedische Möbelhaus eine echte neue Rarität verkünden: drei ausgeschilderte Lkw-Parkplätze für Fahrerinnen. „Zu uns kommen am Tag zwischen zwei und fünf Fahrerinnen“, begründet Aubry den in der Branche bislang einzigartigen Schritt.

Bereits an der Einfahrt sind die Stellplätze eindeutig ausgeschildert. Parken darf dort nur, wer sich vorher am Schalter das entsprechende Schild mit dem Symbol des Glockenröckchens abholt und in der Kabine hinter der Scheibe ausstellt. „Die Frauenparkplätze liegen vorne am Pförtnergebäude. Sie sind von unseren Mitarbeitern gut einsehbar, sodass sie jederzeit ein Auge auf die abgestellten Lkw werfen können. Wer dort als Mann parkt, wird sofort wieder weggeschickt.“

Dabei weiß selbst Aubry, dass die Sorge um die Sicherheit eher unbegründet ist: „Bislang hat es bei uns noch keine Übergriffe auf Frauen gegeben.“ Dennoch, Antje Schulz aus Teltow ist begeistert. „Nicht etwa, weil ich hier als Frau unter den männlichen Kollegen Angst hätte. Im Gegenteil, die meisten Fahrer passen schon auf uns auf. Aber als Frau komme ich jetzt schneller zu den sanitären Anlagen.“

In der Tat sind es nur wenige Schritte bis zum Gatehouse. Dort stehen rund um die Uhr Toiletten und Duschen zur Verfügung, oben gibt es Kaffee-, Snack- und sogar Brötchenautomaten, die jeden Morgen frisch bestückt werden. Als allgemeine Anrede am Schalter gilt das firmeninterne „Du“. Heitere Freundlichkeit, wo immer man hinhört.

Ruhezeiten können ideal auf dem Parkplatz eingehalten werden

Schulz fährt im Auftrag von DHL, dem größten der rund 20 Logistikpartner von IKEA. Sie muss einen beladenen Trailer für Braunschweig abholen und macht jetzt erst mal ihre Pause von neun Stunden. „Der Trailer ist bereits beladen“, erklärt sie. Sie hat einen Zeitkorridor, in dem sie den Trailer aufnehmen kann.

„Wann ich ihn letztlich abhole, bleibt mir überlassen. Es zählt, dass ich pünktlich in Braunschweig bin. Ich kann also meine Ruhezeit ideal auf dem Parkplatz einhalten. Vor oder nach dem Trailertausch.“ Parkst du noch oder lädst du schon? Die meisten Frachtführer tauschen lediglich vorgeladene Wechselbrücken oder Auflieger im sogenannten Pick-and-Drop-Verfahren.

Mitarbeiter der Security überprüfen die Fahrzeuge nach der Einfahrt auf ihre Verladefähigkeit. Checken also, ob ausreichend Steckbretter im Fahrzeug sind und die Plane keine Löcher hat. Jeder Fahrer bekommt ein grünes Yard-Ticket mit Lageplan. „Dort ist genau aufgezeichnet, auf welchem der rund 800 Stellplätze auf dem Gelände der beladene Trailer steht oder der leere abgestellt werden soll“, sagt Teamleiter Christian Chur. „Den internen Transport von und zu den 600 Rampen hat ein externer Dienstleister mit 16 Rangierfahrzeugen übernommen.“ Ein riesiges Auftragsvolumen – einfach abgewickelt.

„Das Geld für die Frauenparkplätze hätte man auch in eine Kantine für alle Fahrer investieren können.“

IKEA beliefert Einrichtungshäuser in ganz Europa mit kleinvolumigen Artikeln und dem Aktivitätensortiment – entsprechend kommt die Ware aus Europa und Übersee. „Bei den Warenausgangstransporten dominiert der durchgehende Lkw-Transport mit etwa 70 Prozent“, erläutert Geschäftsführer Wöhlbier. „Seit 2009 betreiben wir zusätzlich ein Containerterminal und konnten 2011 schon mehr als 21.000 Lkw-Fahrten zwischen dem Hafen Dortmund und IKEA auf die Schiene verlagern.“

Auch er vertritt die Philosophie des Hauses: „Wir wollen, dass sich alle Fahrer bei uns wohl fühlen.“ Und die Männer hinterm Lenkrad? Fühlen die sich plötzlich benachteiligt? Den meisten ist die markierte Parkfläche gar nicht aufgefallen, manche ignorieren schlicht das deutlich am Boden aufgetragene Symbol. „Grundsätzlich eine gute Idee“, lobt Marc Hamann. Wie Dirk Radunz glaubt er aber nicht daran, dass Fahrerinnen im Kreis der Kollegen auf einem Firmenparkplatz einer wirklichen Gefahr ausgesetzt sind. Sie sind halt jetzt nur schneller am Schalter und den Sanitäranlagen. So spricht Radunz den einzigen Wermutstropfen an: „Das Geld für die Frauenparkplätze hätte man auch in eine Kantine für alle Fahrer investieren können.“

Tatsächlich liegt ein externer Raum am Gatehouse brach. Der war wohl in der Tat auch einmal für einen gastronomischen Service gedacht, doch laut Wöhlbier findet sich offenbar kein Pächter. Weil die Fahrer anscheinend nicht den entsprechenden Umsatz garantieren würden. Vielleicht hilft eine weitere praktische Idee, den Wunsch vieler Fahrer zu finanzieren – zum Beispiel ein Verkaufsshop mit den Hits aus der Kleinartikelabteilung. Das lässt sicher nicht nur Frauenherzen höherschlagen.

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