IAA-Preview von Mercedes Neuerungen der Motorenbaureihen

IAA Pressekonferenz Daimler Vorschau Foto: Daimler AG - Global Communications Commercial Vehicle 8 Bilder

Messevorschau: Unter Brüdern wird geteilt. So tritt die Motorenbaureihe OM 470 bald ebenfalls mit den spritsparenden Errungenschaften des großen Bruders OM 471 an. Hinzu kommen weitere Neuerungen bei den Heavy-Duty-Aggregaten von Mercedes.

Wenn’s ein größerer Bruder schon einmal vorgemacht hat, ist das immer gut. Für den OM 470 von Mercedes gilt dabei: So ziemlich alles, was der OM 471 vorexerziert hat, holt er jetzt nach. Eine der wenigen Ausnahmen: Für ihn bleibt es bei sieben Löchlein im Injektor, durch die der Diesel in den Brennraum schießt, während die Zahl beim OM 471 von sieben auf acht gewachsen ist. Mehr und mehr sind es eben solche Details, die zählen. Die Ziele der Techniker waren beim kleinen OM 470 die gleichen wie beim 12,8-Liter-Aggregat. Mehr Power zum Beispiel, vor allem bei niedrigen Drehzahlen, auf dass besonders lange Hinterachsübersetzungen, und somit ein möglichst niedriges Drehzahlniveau bei Teillast, noch besser helfen können, den Verbrauch zu senken.

Mehr Power ist aber auch in Sachen Nennleistung geboten, auf dass die Freunde hoher Nutzlast ohne Reue zu 11 statt 13 Liter Hubraum greifen können. Konkret heißt das: So wie der OM 471 vergangenes Jahr mit der neuen Leistungsstufe 530 PS schon den mildesten der 16-Liter-Motoren (OM 473 mit 516 PS) überflügelt hat, so stößt der OM 470 nun gleich doppelt ins Revier des OM 471 vor. Nicht mehr nur mit 430 PS wie bisher, sondern künftig eben auch mit 456 Pferdestärken.

OM 470 in Sachen Kraft ebenbürtig

Er ist damit dem unter dem Kürzel "45" gelisteten Volumenmodell der 12,8-Liter-Maschine bei der Nennleistung exakt 7 PS überlegen – und mit 2.200 Nm maximalem Drehmoment in Fragen der Kraft genau ebenbürtig. Auf 150 Kilogramm weniger Eigengewicht bringt er’s auch noch. Keine Frage: Wem diese drei Zentner wichtig sind, der braucht nicht lange zu überlegen. Wobei gilt: Was immer Daimler bei diesem brandneuen Elfliter-Kraftpaket an neuer Technik auffährt, das prägt nun auch die anderen Varianten des OM 470, die wie gehabt von 326 PS/1.700 Nm in vier Stufen bis hin zu 430 PS/2.100 Nm reichen. Nennleistung schon bei 1.600/min vorhanden und nahezu das maximale Drehmoment bis hinab auf 900 Touren zu haben: Das sind – ganz im Gleichklang mit dem neuen OM 471 – die auffälligsten Kennzeichen der neuen Technik im OM 470. Dahinter steckt, wiederum im Gleichschritt mit dem großen Bruder, zunächst einmal erhöhter Einspritzdruck. 2.700 statt 2.100 bar (1.160 statt 900 bar im Rail) liegen in den Düsen maximal an, durch die der Diesel in die nun mit einer omegaförmigen Mulde versehene Brennkammer stäubt.

Und die Verdichtung hat um 1,0 bar auf nun 18,5 bar zugelegt. Zudem haben die Techniker die Abgasrückführungsrate reduziert. All das führt laut Daimler zu einer weiteren Verbesserung des Wirkungsgrads im gesamten Motorkennfeld. Erhöhte NOx-Rohemissionen bedeuten allerdings auch, dass ein neuer SCR-Kat her muss und der Adblue-Verbrauch ein wenig in die Höhe geht. Ihn beziffert Daimler auf ungefähr fünf Prozent und somit auf der Höhe der früheren Euro-5-Motoren. Fügt aber an, dass sich die Sache dennoch rechnet. Denn mit dem Umbau des OM 470 soll der Spritverbrauch eben auch um bis zu fünf Prozent sinken.

Verlegte AGR-Klappe für eine reduzierte Abgasrückführungsrate

Hinter der reduzierten Abgasrückführungsrate steckt der gleiche technische Kunstgriff wie beim OM 471, der konstruktiv aus einer nach vorn verlegten AGR-Klappe besteht, die zudem für geringere Komplexität des gesamten Systems steht. Diese, jetzt sehr fein steuerbare Klappe erlaubt es erstmals, die Verteilung der Abgase zwischen Krümmer und Lader stufenlos und präzise zu regulieren. Genau das bewirkt, dass die AGR-Rate dank insgesamt besserem Thermomanagement niedriger ausfallen kann. Gewonnen ist damit zum einen, dass sich die AGR-Rate wie auch die Abgasflut zum Turbo sehr nach Gusto steuern lassen und die Erfassung der Abgasrückführung per Sensor sowie nachgelagerte AGR-Regelung entfallen können. Zum anderen bleibt es zwar bei der asymmetrischen Aufladung des Motors, die die Zylinder vier bis sechs umweglos dem Turbo zuweist, die Zylinder eins bis drei für die Abgasrückführung hernimmt. Doch ist der Spielraum weitaus größer als früher. Er wird mit dieser neuen, stufenlos steuerbaren Klappe so groß, dass je nach Bedarf die Abgase der drei ersten Zylinder ganz oder gar nicht der Verbrennung zugeführt werden können.

Im Extremfall, so sagt Daimler, könne die eingespritzte Menge für das erste Zylindertrio bis auf null fallen, während der Rest der Zylinder mit folgendem Resultat unter Volldampf stünden: "Diese Strategie verhindert eine unvollständige Verbrennung mit entsprechend hohem Anteil von Rußpartikeln im Abgas."Die AGR-Klappe steuert stufenlos somit zugleich den Strom der zurückgeführten Abgase sowie den weiterhin asymmetrisch konzipierten Turbolader, der nun auch wie beim OM 471 hauseigen gefertigt ist und weniger komplex antritt. Feste Turbinengeometrie, Verzicht auf Wastegate-Ventil und Ladedruckregelung benennt Daimler die Faktoren, die in dieser Hinsicht Komplexität aus dem System nehmen und dadurch mehr Zuverlässigkeit und Lebensdauer bringen sollen.

Senkung der Betriebskosten durch neue Lenkhilfpumpe

Was die Betriebskosten in der Praxis weiter senken soll, und zwar über alle schweren Motorbaureihen hinweg, das wäre bei allen Heavy-Duty- Maschinen von Mercedes beispiels- weise eine neue Lenkhilfpumpe, die im Zweifelsfall nur noch 70 statt 460 Watt wie bisher in Anspruch nimmt. Außerdem eine Lichtmaschine, die statt mit kontinuierlich 28,3 Volt die Batterie künftig flexibler speist und sich den Neigungssensor des Lkw zunutze macht, um ihren Einsatz effizienter denn je, also möglichst bei Talfahrt, zu takten.

Generell sollen obendrein neue Motorenöle mit abgesenkter Viskosität (speziell bei hohen Temperaturen) segensreich wirken. Und es gibt ein paar Optimierungen bei den Powershift-Zwölfganggetrieben. So geht bei den Schaltboxen jetzt auch noch die letzte verbliebene Synchronisation in Rente. Es handelt sich um die der Nachschaltgruppe. An ihre Stelle tritt eine per Zwischengas bediente Klauenkupplung, die der Schaltung zwischen den Gangstufen sechs und sieben mehr Zack verleiht, darüber hinaus das Gewicht der Aggregate reduziert. Robuster ausgeführt wird künftig auch das Getriebepilotlager zwischen Antriebs- und Hauptwelle, dessen Außenlauffläche Daimler einem zusätzlichen Honprozess unterzieht. Auch sollen die immer im Eingriff befindlichen Zahnräder der beiden Konstanten der Vorschaltgruppe per Superfinish-Fertigungsverfahren künftig dermaßen glatt gewienert sein, dass kaum noch Gleitreibung entsteht und Daimler den Wirkungsgrad auf nahezu 100 Prozent beziffert.

Neuerungen werden auf der IAA Premieren feiern

Weiter reduzieren soll die Reibung im Allgemeinen ein neues synthetisches Getriebeöl mit niedrigerer Viskosität. Um sogenannte Planschverluste zu minimieren, verringert Daimler die Füllmenge der Schaltboxen G211-12 und G281-12 zudem um jeweils drei Liter. Hand legen die Techniker auch an den GPS-Tempomaten PPC (Predictive Powertrain Control). Auf Basis besseren Kartenmaterials soll eine verfeinerte Schalt- und Eco-Roll-Strategie kommen.

Während all diese Neuerungen auf der IAA Premiere feiern und dann sukzessive in die Fertigung einfließen, tut sich beim knapp 16 Liter großen OM 473 mit Turbocompound-Technik erst mal nichts mehr. Denn ohne viel Aufhebens darum zu machen, hat Daimler dort den maximalen Einspritzdruck schon während des laufenden Jahres ebenfalls auf 2.700 bar erhöht, wobei aber Drehmoment- und Leistungskurven ebenso gleich geblieben sind wie Aufladung und Abgasrückführung. "Drei Prozent weniger Verbrauch", sagt Daimler, "sind mit dem höheren Einspritzdruck dennoch erreicht."

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Dieser Artikel stammt aus diesem Heft
Lao 08 2016 Titel
lastauto omnibus 08 / 2016
11. Juli 2016
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