Montagabend, 19:00 Uhr. Ich sitze an einem kleinen Schreibtisch in einem zu klein geratenen Hotelzimmer. Ich habe keine Zeit mehr, mir lange darüber Gedanken zu machen, ob es ein Fehler war, das Hotel übers Internet zu buchen. Dieses hier ist auf jeden Fall ein Fehlgriff. Es ist nicht nur klein, alles fühlt sich obendrein speckig und abgenutzt an. Egal! Ich muss noch zwei Akten vorbereiten. Als Erstes eine, die ich in der Nähe von Berlin verhandele. Bei diesem Fall geht es um einen Abstandsverstoß von Reinhard*. Einen zweiten Fall verteidige ich dann am Mittag in der Nähe von Magdeburg. Dabei geht es um § 5, Absatz 2, StVO – "Zu langsames Überholen".
Beide Fälle haben nicht viel miteinander gemeinsam. Nur eines: Das Gericht fordert kurz vor dem Gerichtstermin auf, über eine Einspruchsrücknahme nachzudenken. Die Fälle hätten nach dem gegenwärtigen Stand der Akte nämlich keine Aussicht auf Erfolg.
Kein Urteil – keine Arbeit
Diese Formularschreiben der Gerichte nerven mich. Ich habe Verständnis dafür, dass das Gericht sich Arbeit ersparen will. Eine Einspruchsrücknahme ist dann das Eleganteste für die Justiz. Die Akte kann an die Behörde zurückgeschickt werden. Kein Urteil – keine Arbeit! Auf der anderen Seite gilt im Strafprozessrecht der Unmittelbarkeitsgrundsatz. Es gibt eine Hauptverhandlung. In dieser Hauptverhandlung muss vorgetragen und Beweis eingebracht werden. Diese Vorgehensweise der Gerichte, die Hauptverhandlung einzusparen, scheint mir strafprozessual ein Fehlgriff zu sein. Zudem setzt so ein Schreiben den nicht anwaltlich vertretenen Lkw-Fahrer unter Druck. Der wird sich nämlich überlegen, ob er den Einspruch zurücknimmt, weil er davon ausgeht, dass der Richter, der so eine Nachricht schickt, am Ende mit Sicherheit auch nicht positiv entscheiden wird.
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