Fahrbericht Neoplan Jetliner Gar nicht abgehoben

Neoplan Jetliner Foto: Karl-Heinz Augustin 12 Bilder

Der neue Neoplan Jetliner reiht sich gezielt zwischen Überland- und Reisebus ein. Doch auch wer Jetliner heißt, muss deshalb nicht gleich abheben.

Manche Fotos gleichen einem Suchbild. Siehe Neoplan Jetliner: Es ist kein Geheimnis, der neue Kombi für Ausflug und Überlandverkehr baut auf der Plattform des MAN-Überlandwagens Lion’s Regio auf. Die Frage also: Wie viel Neoplan steckt im Jetliner?

Der scharfe Blick des Hochbodenbusses ist ein klares Neoplan-Merkmal, ebenso die Chromspange zwischen den zusammengekniffenen Augen – der Cityliner lässt grüßen. Der rundliche Dachbuckel der Klimaanlage hinter der Frontscheibe ist wiederum Zeichen für MAN-Gene oder den Neoplan Tourliner, auch ein MAN-Ableger. Gerade Fenstersäulen und strenge Linienbus-Fallung der Seitenwand – typisch MAN.

Verschwunden ist aber die extrem niedrige Regio-Gürtellinie. Der schneidige Designerhaken über der B-Säule mit Fortsetzung ins Dach erinnert an den Tourliner. Ebenso Neoplan: die verchromte Seitenblende mit dem Markenschriftzug – hier trägt man gern etwas dicker auf und auch bei einfachen Bussen den Pelz nach außen.

Der wohlgeformte Rücken aus dem Fitnessstudio ist ebenfalls markentypisch, während die Heckleuchten eher an MAN erinnern. Der Neoplan Jetliner ist ein Komponentencocktail, aber geschickt und schmackhaft gemixt.

Den Kombi gibt es auch mit Toilette und Küche

Fein modellierte Details wie die Airbox mit ihrem Wabengrill als Luftansaugung auf der rechten Seite werten den Bus auf. Das Gitter hat den Gestaltern so gut gefallen, dass sie es ebenfalls auf der linken Seite verwenden, obwohl hier nur Attrappe.

Türen mit innen liegender Führung und dickem Gummirand à la Kollagen-Aufspritzung haben dagegen einen eher herben Linienbus-Charme. Doch innen liegende Bügel können außen nicht angefahren werden. Und gern betonen Verantwortliche, dass dicke Lippen besonders dicht schließen – geschenkt.

Der Fußboden des Jetliner liegt mit 1.070 Millimetern exakt 210 Millimeter höher als beim Regio, also müssen neue Treppen her. Ihre Stufen sind angenehm flach, vorn wie in der Mitte maximal 170 Millimeter hoch. An Tür eins empfiehlt sich als Extra der zurückversetzte Begleitersitz. Er verbreitert den Einstieg und kostet in den Sitzreihen auf der rechten Seite kaum Fußraum – die Zentimeter verteilen sich auf diverse Sitzreihen bis zur Mitteltür.

Sie gibt es in einfacher und doppelt breiter Ausführung, dann auch mit Wechselpodest gegenüber für den Linienverkehr. Die Flexibilität des Jetliner unterstreichen weitere Extras: Neoplan liefert den Kombi auf Wunsch mit Toilette und Küche (nur schmale Tür). Der Kühlschrank vorn ist ebenso serienmäßig wie Vorhänge und der Begleitersitz.

Der Jetliner will was Besseres sein

Der Hauslieferant für Fahrgastsitze heißt Kiel, verstellbare Rückenlehnen sind Serie. Die umfangreiche Ausstattung inklusive Klimaanlage und Servicesets macht deutlich: Der Jetliner will was Besseres sein.

Im Münchner Hauptquartier der Marke ist gar von „Premium“ die Rede. Mal davon abgesehen, dass dieser Begriff abgearbeitet ist wie ein Überlandbus nach zehn Jahren Schülerverkehr: Premium ist Neoplan Starliner, vielleicht Cityliner. Aber ein handfester Bus für 210.000 Euro? Bitte nicht auf den eigenen Ansprüchen ausrutschen.

Obwohl der neue Jet im Fahrgastraum Neoplan pur verkörpert: Da wäre die Kombination aus Walzenlüftern und LED-Leselampen oder die blaue Grundfarbe der Ausstattung – auch wenn die Innenausstatter das kühle Blau zurückdrängen und mit wohnlicheren sandfarbenen Details spielen.

Im Unterschied zum Lion’s Regio verkleiden freundliche Stoffbahnen die Unterseiten der Gepäckablagen. Typisch Neoplan sind ebenfalls metallisch schimmernde Luftkanäle. Die Luftführung wurde für den Jetliner verbessert – die Luft aus der vorn angesiedelten Klimaanlage muss bis zu den hinteren Reihen weite Wege zurücklegen, da wird’s im Heck schnell stickig.

Der Fahrgastraum erscheint etwas düster

Genaue Beobachter entdecken über den Fenstern unverkleidete Gerippeteile – beim Jetliner wird streng auf Kosten geachtet. Seine Stehhöhe liegt mit knapp zwei Metern auf Reisebus- statt Linienbusniveau. Entlang der nicht sehr üppigen Gepäckablagen strecken sich Handläufe mit integrierter Innenbeleuchtung und Haltewunschtasten, man kennt’s vom Regio.

In Neoplan-Bussen hellen gern gläserne Dachluken das Interieur auf, im Jetliner schaut man auf eine durchgehende, kuppelartig gewölbte Innendecke. Das viele Grau lässt den Fahrgastraum ein wenig düster erscheinen.

Das Cockpit kombiniert Stilelemente beider Marken. Da wäre der ovale Armaturenträger aus den MAN-Linienbussen, intern „Pille“ genannt. Die klar ablesbaren Uhren sind konzernweit identisch, doch der extravaganten Optik des Cockpits droht allmählich Abnutzung im Vergleich zu elegant geschwungenen Reisebus-Arbeitsplätzen.

Der Neoplan steuert mit einem zweifarbigen Cockpit dagegen. Die Tipptasten weisen auf die aktuelle Elektronikstruktur hin. Ein Lob verdient sich das Multifunktionslenkrad, spendable Käufer ordern es in Lederausführung. Eigenwillig wirkt die Ablage rechts vom Fahrersitz, in München despektierlich als „Töpfchen“ bezeichnet. Sicht und Bewegungsfreiheit sind hier vorne gut. Weit entfernt im Heck arbeitet die liegende Ausführung des MAN D20. Der Sechszylinder steht mit 265 kW (360 PS) und 294 kW (400 PS) zur Wahl.

Der Jetliner ist flexibel und komfortabel

Tipp: Optional gibt es den Jetliner mit Zweimassenschwungrad als Beruhigungsmittel. Wird der Bus nicht immer voll ausgereizt, sind Käufer bereits mit der unteren Leistungsstufe gut bedient, zumal in Verbindung mit den zwölf Gängen der ZF-AS-Tronic. Macht zusammen mit Reisebusübersetzung gut 1.300 Touren bei Tempo 100 im höchsten Gang. Alternativ gibt es den Neoplan mit Sechsgang-Schaltgetriebe oder der Wandlerautomatik ZF Ecolife.

Der Jetliner ist flexibel und komfortabel: Die Entwickler haben den Durchmesser des Stabilisators reduziert. Das verleiht dem Bus die gewisse Sanftheit des Fahrwerks, die einen Neoplan auszeichnet. Für alle Fälle ist ESP serienmäßig an Bord.

Zwischen den Achsen erstreckt sich ein ansehnlicher Gepäckraum. Je nach Tür- und Längenvariante sowie abhängig vom Toiletteneinbau oder Stehperron und Lift summiert sich das Volumen auf 5,0 bis 7,7 Kubikmeter. Auf der rechten Seite kostet das schwenkbare zentrale E-Fach ein wenig Platz, dafür finden Servicearbeiten im Pannenfall auf der Bürgersteigseite statt.

Abgehoben ist dieser Jet nicht

Von praktischem Denken zeugen auch der einfache Zugang zu den Scheinwerfern, die zentrale Unterbringung aller Wassertanks hinter der Klappe der Toilettenkabine, das Werkzeugfach und die Option für Skikoffer und Anhängerkupplung. Weniger angenehm ist der knappe Öffnungswinkel der Motorklappe.

Stichwort Klappe: MAN untersucht zurzeit Leichtbau-Gepäckraumklappen – beim anstehenden Schritt zu Euro 6 muss möglichst viel Gewicht raus, vor allem mit Blick auf die Ausführung mit 13 Meter Länge und zwei Achsen. Schon jetzt steht das Reserverad auf der Extra-Liste, auch wenn die Unterbringung im Bug vorbereitet ist.

Wäre doch schade, wenn der funkelnagelneue Jetliner bald wegen drohendem Übergewicht Fahrgastplätze verlieren sollte. Denn er entpuppt sich im Umgang als echter Neoplan – mit MAN-Genen. Und abgehoben ist dieser Jet überhaupt nicht. Von wegen Suchbild – gesucht und gefunden.

Download Informationskasten Neoplan Jetliner (PDF, 1,29 MByte) Kostenlos
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