Fahrbericht Lkw und Busse von MAN Latin America

Lkw und Busse von MAN Latin America Foto: Oliver Willms 15 Bilder

Mit einem Produktprogramm von 5 bis 63 Tonnen deckt der brasilianische Marktführer MAN Latin America die unterschiedlichen Anforderungen auf dem größten Transportmarkt Südamerikas ab. Wir sind die wichtigsten Bus- und Lkw-Modelle gefahren.

"Less you don’t want, more you don’t need!" – "Weniger wollen Sie nicht, mehr brauchen Sie nicht!", schmettert Roberto Cortes, Geschäftsführer des brasilianischen Marktführers MAN Latin America, seine Konzernphilosophie in die Runde. Was an eine Verkaufsparole des verblichenen real existierenden Sozialismus erinnert, bringt auf den Punkt, was auf brasilianischen Straßen benötigt wird: Lastenträger mit Nehmerqualitäten – nicht schick, dafür haltbar und gemacht für die Naturpisten, die das Straßennetz im größten Land Südamerikas bestimmen.

MAN Latin America erneut Marktführer in Brasilien

Mit diesem Konzept hat sich VW do Brasil, das 2009 von MAN übernommen wurde und seither MAN Latin America heißt, zum Marktführer hochgearbeitet. Dabei setzen die Ingenieure auf eine gut abgeschmeckte Mischung aus bewährten Zulieferkomponenten und eigenem Baukastenprogramm, das vom leichten Delivery bis zum Flaggschiff Constellation reicht.

Groß geworden ist VW do Brasil aber mit einem Komponenten-Truck, der von Meritor die Achsen, von MWM und Cummins die Motoren und von lokalen Stahlwerken die Chassis bezieht. Als Fahrerhaus kommt nach wie vor jene Rohbau­karosserie zum Einsatz, die in Europa mit dem glücklosen VW L80 längst in den Ruhestand gegangen ist. Das kompakte Fahrerhaus, das schon der erste VW LT trug, ist dann auch die einzige VW-eigene Entwicklung. Den Bauteile-Mix montieren die Zulieferer direkt am Band in Resende. Was qualitativ nicht passt, wird zurück zu den Zulieferteams geschickt. Dass die Arbeit vieler Hände sich in vergleichsweise guter Qualität niederschlägt, mag Europäer überraschen. Für die brasilianischen Qualitätsexperten ist es die Konsequenz aus jahrelanger Prozessoptimierung.

VW-MAN-Gemeinschaftsbaureihe G90

Und wie fährt sich das Kooperationsprodukt? Der Delivery ist ein braves Arbeitstier, dessen Äußeres trotz einiger kleinerer Eingriffe immer noch an die selige VW-MAN-Gemeinschaftsbaureihe G90 der 80er-Jahre erinnert. Die Optik bleibt aber die einzige Gemeinsamkeit mit dem deutschen Organspender. Von einem 110 kW (150 PS) starken MWM-Vierzylinder befeuert, reißt der Achttonner naturgemäß keine Bäume aus. Dafür muss sein Fahrer kräftig am Schalthebel reißen, um die einzelnen Fahrstufen des Eaton-Fünfganggetriebes einzulegen. Auch Kupplungspedal und Lenkung leisten mehr oder weniger großen Widerstand gegen die Bedienung. Die scharf zubeißenden Bremsen beenden die Reise in die Lkw-Vergangenheit der 80er-Jahre. Dafür freut sich der Delivery-Fahrer in der immer noch brauchbaren LT-Kabine an einem aufgefrischten Innenraum, der durchaus moderne Züge trägt.

Eine Leistungsklasse darüber siedelt der Worker. Mit seinem veritablen Schwer-Lkw-Chassis können dem "Arbeiter" bis zu 31 Tonnen Gesamtzuggewicht zugemutet werden. Für den Vortrieb des Worker sorgen MWM- und Cummins-Motoren bis 191 kW (260 PS), die seit Jahresbeginn in Brasilien dem Euro-5-Abgaslimit entsprechen müssen. Als Solofahrzeug mit 13 Tonnen Gesamtgewicht gibt der Worker eine deutlich professionellere Figur ab als der leichtere Delivery. Er lässt sich leichtfüßiger bewegen und das Eaton-Sechsganggetriebe arbeitet weniger abweisend als im kleinen Bruder. Bis 23 Tonnen Gesamtgewicht muss im Worker das Sechsganggetriebe ausreichen. Ebenso wenig verwöhnt werden die brasilianischen Camionistas bei der Motorleistung: Auch für schwere Einsätze müssen 191 kW genug sein.

Der VW Constellation ist 2006 in Bra­silien komplett Neuentwickelt

Eine Leistungs- und vor allem Komfortklasse über den eher altbacken wirkenden Traditionalisten rangiert der VW Constellation, der 2006 als komplette Neuentwicklung in Bra­silien entstanden ist. Das Produktspektrum reicht von 132 kW (180 PS) starken 13-Tonnern bis zum Topmodell 31.370. Man merkt dem Constellation deutlich sein für brasilianische Verhältnisse noch jugendliches Produktalter an. Wer sich das erste Mal an den Arbeitsplatz des ernsthaft dreinblickenden Constellation begibt, fühlt sich wie in einer Zeitreise in die Generation Golf befördert. Luftdüsen, Instrumente und Schalter tragen eindeutige VW-DNA in sich, was bei Bedienung und Übersichtlichkeit nicht von Nachteil ist. Lenkung, Pedalerie und Schaltung lassen sich stramm, aber präzise bedienen. Das Platzangebot in der schlanken Hochdach-Kabine fällt nicht üppig aus, genügt aber durchaus für Langstrecken. 

Im stärksten Constellation grummelt ein 270 kW (367 PS) starker Cummins-Sechszylinder unter der Kabine. Im Zusammenspiel mit den 16 Fahrstufen des ZF-Getriebes kann der Constellation als Double-W-Sattelzug mit zwei Aufliegern Gesamtgewichte von bis zu 63 Tonnen bewältigen. Für brasilianische Verhältnisse stellt die Leistung des 8,3 Liter großen Euro-5-Motors eine Oberklasse-Motorisierung dar. Als Double-W-Sattelzugmaschine mit Vollblattfederung fährt sich der Constellation straff, ohne unkomfortabel zu sein.

Rad- und Motorbremse halten die schwere Kombination im Zaum

Auch für verwöhnte europäische Fahrer kommen die 270 kW (367 PS) erstaunlich gut mit dem hohen Gesamtgewicht zurecht. Rad- und Motorbremse halten die schwere Kombination im Zaum. Natürlich darf man den Constellation nicht direkt mit einem Europäer vergleichen. Dafür muss er auf brasilianischen Pisten durchhalten, die einen Euro-­Fernverkehrstruck über kurz oder lang aufreiben würden. Der Constellation ist hart im Nehmen und zeigt das auch. Der grimmige Blick im Frontdesign ist den Wünschen der heimischen Lkw-Fahrer zu verdanken, die in der Macho-Nation Brasilien nach einem maskulinen Fahrerhausgesicht verlangen.

Einen rundum robusten Charakter kann man auch dem Volksbus attestieren, der – auf einem Lkw-Fahrgestell aufgebaut – als Überland-Linienbus eingesetzt wird. Das Frontmotorkonzept nötigt dem Fahrer eine gewisse Elastizität beim Erreichen des tief liegenden Fahrerplatzes ab. Auch die Fahrgäste müssen sich durch ein Gewirr von Stangen und Sperren am Schaffnerplatz vorbeischlängeln, bevor sie auf den Sitzplätzen in den Genuss der eher rustikal-schluckfreudigen Stahlfederung kommen. Immerhin hilft beim Mitteleingang eine elektrische Hubbühne gehbehinderten Fahrgästen beim Ein- und Aussteigen.

Der hochbeinige Bus mit Caio-Aufbau gehört in Brasilien zu den Bestsellern auf dem Regionalbus-Markt. Wegen der eher übersichtlichen Motorleistung des 7,2 Liter großen MWM-Motors mit 165 kW (225 PS) müssen sich die Mitfahrer im Volksbus sicher nicht festhalten. Eher schon wegen der rustikalen Schaltschläge, die das ZF-Sechsgang-Automatgetriebe bei jedem Gangwechsel austeilt. Aber das dürfte sowohl in den Mega-Staus rund um São Paulo genauso wie auf den endlosen Überlandpisten kein echtes Problem für die Brasilianer darstellen.

Ein Volk auf der Piste

Der Lkw dominiert mit einem Anteil von zwei Dritteln an allen Transportaufgaben den brasilianischen Güterverkehr. Mit ihm lassen sich auch entlegene Agrar- und Forstgebiete über das 1,7 Millionen Kilometer lange Straßennetz erreichen, von dem nur knapp 100.000 Kilometer asphaltiert sind. Mit einem Durchschnittsalter von 18 Jahren gilt der Bestand von 1,5 Millionen Lkw als stark überaltert.

Gemeinsam unter einem Dach

Kein Fahrzeughersteller hat die Idee vom Komponenten-Truck so konsequent umgesetzt wie MAN Latin America. Im modernen  Lkw- und Buswerk in Resende montieren sechs Zulieferfirmen in 51 Teams alle Fahrzeugkomponenten auf eigenen Produktionsstraßen. Erst nach der Qualitätskontrolle am Bandende übernimmt MAN das Fahrzeug und entlohnt die Partner. 30 Prozent der Produktion sind Spezialfahrzeuge, darunter auch ein dachloser Bus für Mekka-Pilger. Ab 2012 ergänzen MAN TGX und TGS das Produkt­programm des Lkw-Marktführers.

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