Fahrbericht Erste Ausfahrt im Renault Trucks T (2013)

Fahrbericht: Renault Trucks T Foto: Thomas Küppers 9 Bilder

Keine andere Lkw-Neuheit hat zuletzt so polarisiert wie der ­Renault Trucks T. Doch wie ist es abseits des eigenwilligen Designs um die inneren Qualitäten des großen Franzosen bestellt?

Mit einer komplett neuen Fahrzeug-Generation hat der französische Hersteller die Umstellung auf Euro 6 vollzogen. Nun sind die ersten Fahrzeuge fahrbereit. Start im Renault T mit High Sleeper Cab: Vor der Vorderachse gilt es vier Treppenstufen zu erklimmen, dann entert der Fahrer den flachbödigen Salon. Gut 90 Grad öffnet sich die Tür, das erleichtert die Sache, ebenso wie der zusätzliche Handgriff im obersten Tritt.

Eine passende Sitzposition hinter dem vertikal und axial verstellbaren Lenkrad ist schnell gefunden. Passend zum Leder der straffen Recaro-Sitze ist auch das Volant in trendiges braunes Leder eingeschlagen. Die Mittelkonsole glänzt in kupferfarbenem Carbon-Look – willkommen im Topmodell. „T 520 Comfort“ steht – in Aluminium gefräst – auf dem Typenschild. Die Spiegel lassen sich feinfühlig einstellen, sogar der rechte Weitwinkelspiegel ist motorisch von der Fensterkonsole ansprechbar. Der Knopf für die Spiegelheizung ist aber in der Mitte bei der Klimasteuerung zu suchen. Die Rundumsicht links und rechts der A-Säulen ist gut.

Navigation per Touchscreen

Ein Dreh am Zündschlüssel erweckt den 13 Liter großen Reihensechser sowie das Cockpit und das 18-Zentimeter-Display in der Mittelkonsole zum Leben. Letzteres dient der Navigation und lässt sich per Fingertipp bedienen. Etwas Besonderes haben sich die Ingenieure für das Zentraldisplay im Armaturenbrett ausgedacht: Auf der Unterseite des Lenkrads liegen links eine Wipptaste und rechts ein Rädchen, die durch die verschiedenen Einstellungen führen. Klingt ungewöhnlich, funktioniert aber recht gut. Es empfiehlt sich eine Trockenübung im Stand.

Nun aber los. Fuß auf die Bremse, den Ring am Lenkstockhebel auf „D“ und die elektronische Feststellbremse lösen. Geschmeidig gleitet der etwa 35 Tonnen schwere Sattelzug aus den Startblöcken. Das Getriebe schaltet auffallend flott und weich die Gänge hoch. Vor allem das „Umdenken“ vom vorausschauenden Heranrollen an einen der zahlreichen Kreisverkehre oder eine auf Grün schaltende Ampel funktioniert zielsicher und flink. Das fühlt sich mindestens ebenso gut an wie im schwedischen Konzernbruder ­Volvo FH. Mechanisch ist der Antriebsstrang verwandt, aber bei der elektronischen Ansteuerung kochen die Franzosen ihr eigenes Süppchen. Das scheint ziemlich gut abgeschmeckt.

Beschleunigung auf der Autobahn passt perfekt

Ein Beispiel liefert der Automat beim Beschleunigen auf die Autobahn. Bei der Auffahrt in eine Senke ist er mit viel Schwung flugs in der zwölften Stufe angekommen, um dann gleich noch einmal kurz den elften zu bemühen, als er die nachfolgende Steigung gewittert hat – passt perfekt. Das gedämpfte, aber kraftvolle Motorgeräusch zeugt vor allem unter Volllast vom Engagement der Maschine. Sonst ist der Renault eher eine ruhige Natur, ohne ein ausgemachter Leisetreter zu sein. Ruhig genug jedoch, um bei Marschgeschwindigkeit zart säuselnde Windgeräusche ans Fahrerohr zu lassen. Ob die jetzt dem Vorserienstatus der Testwagen oder der steifen Brise am Atlantik geschuldet sind? Schwer zu sagen, es stört aber auch nicht wirklich.

Auf den engen Landsträßchen rund um das ehemalige Saviem-Werk bei Caen, wo Renault  heute die Lkw-Kabinen fertigt, fällt die hohe Lenkpräzision der Zugmaschine auf. Jederzeit um gute Rückmeldung bemüht, gibt es auch um die Mittellage keine Spur von Laisser-faire. Der fahraktive Eindruck wird zudem von einer straffen, aber nicht unkomfortablen Fahrwerksabstimmung gestützt. Allenfalls böse Schlaglöcher quittiert der Gallier mit unwirschem Gepolter aus dem Keller. Sonstige Unebenheiten pariert er sehr geschmeidig.

Das Cockpit schillert sachlich silbergrau

Weiter geht es mit flacherem Dach und 20 Zentimeter hohem Motortunnel, statt Carbon-Look gibt es silbergraue Sachlichkeit im Cockpit. Auf dem Motortunnel können normal große Fahrer immer noch aufrecht stehen. Unterschiede gibt‘s beim Fahren. Die Kabinenaufhängung ist stahlgefedert, während der zuvor gefahrene Hochdachkollege den Piloten mit Luftpolstern verwöhnt. Auch das Fahrwerk selbst reicht hier spür- und hörbar mehr zum Fahrer durch als beim Flaggschiff.

Doch nicht alles ist puristischer, denn der zweite 520er wirkt beim Lenken noch agiler und er hat spürbar mehr Punch. Eine kürzere Hinterachse ist der Grund. Und diese sportive Kombination macht sich im kurvigen Gefilde mit zahlreichen engen Ortsdurchfahrten gar nicht schlecht. Und auch außerorts kann etwas Dampf nicht schaden. Eine längere Gerade und der Power-Modus per Kick-down reichen locker, um sehr zügig von Fahrradtempo auf 80 km/h zu ziehen. Es gilt, den versprengten Rest einer Tour-de-France-Mannschaft zu überholen. Mindestens 20 Radler in Rennkluft treten bei Nieselregen in die Pedale. Die vorderen drei gar nebeneinander. Ein typisch teutonischer Ordnungsruf per Hupe scheint angebracht. Doch das Drücken auf den Pralltopf bringt die Fanfare nicht zum Tönen. Bis das richtige Knöpfchen auf dem Blinkerhebel entdeckt ist, sind die Radler längst im Rückspiegel. Ein Stück französische Tradition in einem Lkw, der sich insgesamt absolut auf Augenhöhe mit dem Rest der europäischen Konkurrenz messen darf.

Sechs Fragen an Volvo-Gruppen-Vertriebschef Peter Karlsten

Was denken Sie über das Image Ihrer beiden Marken im Moment und wie könnte das in Zukunft aussehen?

Karlsten: Mit dem Markenimage von Volvo Trucks sind wir äußerst zufrieden, die Marke ist sehr stark, sie verheißt „Premium“. Renault Trucks hat eine starke Position in Südeuropa. In anderen europäischen Ländern ist die Wahrnehmung von Renault Trucks noch nicht stark genug entwickelt. Aber wir denken, dass sich das bald ändern wird. Momentan verbessern wir unser Angebotsportfolio für unsere Renault-Trucks-Kunden deutlich. Neben der komplett erneuerten Baureihe optimieren wir die Struktur unseres Vertriebs- und Werkstattnetzes, sodass wir unseren Kunden rundum einen viel besseren Service bieten können.

Wo sehen Sie die Stärken in der Zusammenarbeit zwischen Renault Trucks und Volvo Trucks?

Karlsten: Was Volvo einbringt, ist die finanzielle Stärke und die technische Kompetenz. Von beidem wird Renault Trucks profitieren.

Wie groß ist der Anteil von Volvo, der sich in den Renault-Fahrzeugen wiederfindet?

Karlsten: So denken wir nicht unbedingt.

Aber man sieht an manchen Dingen eine gewisse Verwandtschaft …

Karlsten: Alles, was wichtig für den Kunden ist, wird umgesetzt. Aber alles, was wichtig für die jeweilige Marke ist, bleibt ihr auch vorbehalten. Selbstverständlich können wir Komponenten, die nicht die Markenidentität tangieren, in beiden Marken verwenden.

Ist damit zu rechnen, dass Finessen wie I-See oder I-Torque auch im Renault T zu erhalten sind?

Karlsten: Renault-Trucks-Kunden haben sehr hohe Ansprüche. Sie sind extrem stark auf die Gesamtkosten über die Nutzungsdauer eines Fahrzeugs fokussiert. Und genau dafür sind die neuen Renault-Baureihen konstruiert worden. Ausstattungsmerkmale, die zu dieser Fokussierung nicht direkt beitragen, werden in einem Renault voraussichtlich nicht zu finden sein.

Das bedeutet also, dass etwa die optionale Einzelradaufhängung an der Vorderachse ein exklusives Merkmal des Volvo FH bleiben wird?

Karlsten: Ja, das wird erst einmal ein USP des Volvo bleiben.

Bei der Getriebeabstimmung haben die Renault-Techniker einen wirklich guten Job gemacht

Dieser Artikel stammt aus diesem Heft
Lao 11 2013 Titel
lastauto omnibus 11 / 2013
14. Oktober 2013
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