Vorwiegend sind es die Betreiber von Fernverkehrsflotten, die ihre Lkw mit allen verfügbaren Fahrerassistenzsystemen ausstatten. Beträchtliche Gefahren lauern aber auch im Stadtverkehr. Hier bergen besonders Rechtsabbiegen und Rangieren Tücken. Schon eine kurze Unaufmerksamkeit im dichten Stadtverkehr kann fatale Folgen haben. Das gilt insbesondere bei Kollisionen mit ungeschützten Verkehrsteilnehmern wie Radfahrern und Fußgängern. In den Städten sind neben Verteiler-Lkw vor allem Kommunalfahrzeuge zu Hause. Oft sind solche Fahrzeuge ausgewiesene Spezialisten und stehen im Vergleich zu Fernverkehrs-Lkw für deutlich kleinere Produktionszahlen, weswegen es eine ganze Weile dauerte, bis Fahrerassistenzsysteme dort den Weg in die Ausstattungslisten fanden.
Flotte von Suez im Landkreis Ludwigsburg eingesetzt
Nach und nach hat Mercedes Fahrerassistenzsysteme für den Niederflur-Lkw Econic eingeführt. So gehört der Active Brake Assist 3 seit 2015 zur Serienausstattung. Die dritte Generation des radargestützten Systems erkennt fahrende wie auch stehende Hindernisse und löst bei einer drohenden Kollision nach einer optischen und akustischen Warnung sowie einer Teilbremsung automatisch eine Vollbremsung aus. Hinzu kommt ein Abstandsregeltempomat, der seit April 2015 als Option für den Econic zu haben ist. Die Totwinkel-Kamera steht seit 2016 auf der Optionenliste, die Vorbereitung für den Rückfahrassistenten Tailguard ist gegen Aufpreis seit 2017 genauso wie der Abbiegeassistent zu haben. Seit Beginn dieses Jahres bietet Mercedes ein Gesamtpaket für den Econic zu einem Aufpreis von 5.500 Euro an. Darin sind Abstandstempomat, Abbiegeassistent und Totwinkel-Kamera enthalten.
Da die Assistenzsysteme zu unterschiedlichen Zeitpunkten in den Markt eingeführt wurden, fällt es dem Lkw-Hersteller nach eigenen Angaben schwer, eine Zahl an Econic zu nennen, die bereits damit ausgestattet sind. Patrick Gentner vom Großkundenmanagement Lkw bei Mercedes-Benz Lkw spricht von rund 400 Fahrzeugen in Europa, die mit dem Totwinkel-System ausgestattet sind, aber nur von 13 Econic, die zusätzlich noch Abbiegeassistent und Abstandsregeltempomat verbaut haben. Sechs dieser 13 Fahrzeuge gehören zur in Deutschland beheimateten Flotte von Suez und kommen seit Ende vergangenen Jahres im Landkreis Ludwigsburg zum Einsatz. Der Entsorgungsdienstleister hat sich für die umfassende Sicherheitsausstattung entschieden, da es in Auslandsgesellschaften von Suez bereits einzelne schwere Unfälle mit Müllfahrzeugen gegeben hat, berichtet Oliver Grimm, Geschäftsführer von Suez Süd. Insbesondere Kinder und Radfahrer seien bei Begegnungen mit Müllfahrzeugen unsicher und daher gefährdet.
Totwinkel-Kamera ermöglicht indirekte Rundumsicht
Suez engagiert sich umfassend für Verkehrssicherheit. Das fange bei der Fahrerausbildung in eigenen Fahrschulen an, reiche über Anschauungsunterricht an Schulen bis hin zu ebenjenen umfangreich ausgestatteten Econic. "Wir lassen unsere Fahrer nicht allein mit der Verantwortung", erklärt Grimm. Außerdem greift er auf die Erfahrungen seiner Fahrer zurück. Diese spielten beispielsweise zurück, dass der serienmäßige, obligatorische Rampenspiegel am Econic keine Hilfe ist, da er vom Sonnenrollo verdeckt wird. Ohne diesen ist die Sonneneinstrahlung über die Panorama-Frontscheibe des Econic in die Kabine aber zu stark. Abhilfe für dieses Dilemma schafft das Kamerasystem. Ein großes Display an der Mittelkonsole blendet die Bilder der vier Kameras ein – und zwar in Abhängigkeit von der Betätigung des Blinkers, von Lenkeinschlag, Gangwahl und Geschwindigkeit, sodass das Bild der geeigneten Kamera auf den Bildschirm projiziert wird.
An den A-Säulen findet sich das Warndreieck, mit dessen Hilfe der Abbiegeassistent Hindernisse wie Radfahrer und Fußgänger über die gesamte rechte Seite des Fahrzeugs signalisiert. Zusätzlich warnt das System vor Hindernissen in der Schleppkurve des Lkw. Eine Totwinkel-Kamera ermöglicht außerdem eine indirekte Rundumsicht. Zudem verfügt der Econic über eine Schnittstelle für eine Rückraum-Überwachung. Bei einer drohenden Kollision beim Rückwärtsfahren ist damit eine automatische Notbremsung möglich. Das System ist für den Suez-Econic vorbereitet und soll nach Unternehmensangaben in den nächsten Monaten nach und nach verbaut werden. Eine Suez-eigene Entwicklung ist der seitliche Unterfahrschutz, den Mercedes im Auftrag von Suez verbaut. Dieser soll insbesondere den ungeschützten Verkehrsteilnehmern Schutz bieten. Mit der umfassenden Ausrüstung beweist der Entsorgungsdienstleister, dass es auch im preissensiblen Ausschreibungsmarkt Möglichkeiten gibt, sich mit aufwendig ausgestatteten Fahrzeugen zu behaupten.