Digitalisierung Viel Potenzial für die Lkw-Branche

Trend-Guide 2018 Digitalisierung Foto: chombosan-stock adobe/Fotolia 8 Bilder

Ob Navigation, Tourenplanung, Fahrzeugortung, Dokumentation der Standzeiten, Nachrichtenaustausch zwischen Disponent und Fahrer, Analysen des Kraftstoffverbrauchs, Wartungsmanagement, Fahrerassistenzsysteme und vieles mehr: Digitalisierung und Telematik im Zugfahrzeug wie im Trailer sind für den Fuhrpark eines Transportunternehmens zu unverzichtbaren elektronischen Helfern geworden. Optimal und konsequent angewandt, tragen sie in hohem Maße zur Wirtschaftlichkeit und Sicherheit der Flotte bei.

Ein Blick ins Internet, in die Tageszeitungen oder Fachblätter genügt, um festzustellen: Eines der großen Themen, mit dem sich die Nutzfahrzeugbranche bereits seit einiger Zeit intensiv beschäftigt, ist die zunehmende Digitalisierung des Straßengüterverkehrs – und das auf den verschie­densten Ebenen. Wie die in diesem Trend-Guide schon erwähnte Global Truck Study "Lkw-Märkte im Umbruch" der Unternehmensberatungs­gesellschaft Deloitte aufzeigt, suchen Flottenbetreiber unter steigendem Wettbewerbsdruck immer intensiver nach Effizienzsteigerungen und Kostensenkungen. Schon heute überwachen viele Unternehmen mithilfe von über 90 Performance-Indikatoren ihre Fahrzeuge, Fahrer und Fracht, um so die Abläufe zu optimieren. Weiteren Schub erhalten sie dabei von
Industrie-4.0-Konzepten, die den modernen Lkw auch informationstechnisch viel tiefer in die Wertschöpfungskette integrieren. Möglich wird diese Vernetzung mit der Transportkette und der Produktionslandschaft insbesondere durch neue Telematik-Lösungen. Im Ergebnis führen diese Entwicklungen dazu, dass gleich oder sogar höhere Transportleistungen mit weniger Lkw erbracht werden können.

Die Strategieberater der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Pricewaterhouse­Coopers gehen auf jeden Fall davon aus, dass der "digitale Lkw" die Logistikbranche in Zukunft komplett verändert. Laut ihrer Studie "The era of digitized trucking: Transforming the logistics value chain" wird der Wandel im Lkw-Transportwesen sowie in der Logistik innerhalb der nächsten zehn Jahre im Kern von folgenden technologischen Innovationen getrieben: der Kommunikation zwischen Fahrzeug und Infrastruktur, der Kommunikation zwischen verschiedenen Fahrzeugen, der Ferndiagnose bei technischen Problemen, dem autonomen Fahren sowie der integrierten Logistikkette mit voll automatisierten Frachtenbörsen in Echtzeit.

Sicherer und schneller mit 5G

Eine der Schlüsseltechnologien für die Transportlogistik der Zukunft wird der in den Startlöchern stehende nächste Mobilfunkstandard 5G sein. Der Nachfolger von LTE ist freilich keine gewöhnliche Weiterentwicklung, vielmehr geht es dabei um ganz neue Netzarchitekturen und -funktionali­täten. So bietet 5G beispielsweise Spitzendatenraten von 10 bis 20 Gigabit pro Sekunde und schafft die Voraussetzungen dafür, Daten in Echtzeit zu übermitteln. Auf dem Weg dorthin sind auch Expertenorganisationen wie Dekra mit an Bord. Etwa in der Form, dass sie Hersteller, Netzbetreiber und andere Organisationen bei der Einführung von 5G unterstützen. Und zwar so, dass die 5G-Nutzung sicher und zuverlässig funktioniert. So bietet Dekra zum Beispiel Test- und Zertifizierungsdienstleistungen an und überprüft Vorstufen künftiger 5G-Endgeräte auf sicherheitsrelevante, regulatorische oder technische Vorgaben. Darüber hinaus hat Dekra Ende 2017 im spanischen Málaga ein eigenes Testareal für das vernetzte Fahren eröffnet. In speziell entwickelten Szenarien werden dort unter anderem die Generierung und der Empfang von Signalen und Warnungen für zahlreiche so genannte Vehicle-to-everything-Technologien (V2X) getestet, ­beispielsweise Kreu­zungs­assis­ten­ten, Grüne-Welle-Geschwindigkeitsregler, Kollisions- oder Baustellenwarnsysteme. Andere Aktivitäten umfassen Tests von Interoperabilität, Leistung und Gebrauchstauglichkeit sowie Cyber-Security-Bewertungen für vernetztes Fahren. Die neue Testanlage ist Teil des internationalen Dekra-Testverbunds, zu dem unter anderem das Testoval des Dekra Technology Center in Klettwitz sowie der 2017 übernommene Lausitzring gehören, die als Teststrecken für die Prüfung von Fahrfunk­tionen und Gesamtsystemen sowie Infrastruktur ausgebaut werden.

Mehr Transparenz im Transportprozess

Grundsätzlich gilt: Die Transport- und Logistikwelt ist mittlerweile sehr fragmentiert und muss sich daher weitgehend neu vernetzen. Die gesamte Lieferkette hängt von Zulieferern ab, die wiederum selbst Subunternehmer einsetzen. Daher sieht Søren Danielsen, Head of Stategic Accounts & Business Development bei GateHouse Logistics, die größte Herausforderung der Digitalisierung darin, Transparenz und den Umgang mit der Datenhoheit umzusetzen. "Wem die zwischen Unternehmen und Spediteuren geflossenen Daten gehören und welches Recht besteht, diese Daten zu verteilen, muss streng ­kontrolliert werden."

Smartphones und Apps könnten hilfreiche Instrumente zur Digitalisierung der Transportbranche sein. "Aufgrund der Fragmentierung der Transport­welt ist es für einen Spediteur allerdings nicht realistisch, eine große Auswahl verschiedener Apps zu bewältigen, wenn er für verschiedene Logistikdienstleister fährt", erläutert Danielsen.

Angesichts der zunehmenden Anbieterfülle rund um die Telematik 4.0 betrachtet auch Jens Zeller, Geschäftsführer von idem telematics, Fragen der Transparenz im Transportprozess als wesentliche Herausforderungen. Das Problem besteht seiner Ansicht nach jedoch darin, dass die verbauten Telematik-Systeme unterschiedlicher Anbieter aus den einzelnen Fahrzeugkomponenten oftmals nicht miteinander kompatibel sind. "Die gesammelte Informationsfülle etwa über Position, Geschwindigkeit, Laufleistung, Lenkzeiten, Reifenluftdruck, Bremsbelagverschleiß oder Türaktivitäten dann zusammenzuführen, nimmt viel Zeit in Anspruch und liefert am Ende häufig nicht das gewünschte Ergebnis", sagt Zeller. Daher empfiehlt er One-Stop-Lösungen, die herstellerunabhängig arbeiten und heterogene Fahrzeug­flotten einheitlich in einem gemeinsamen System verwaltbar machen.

Offene Telematik-Plattformen

Vor diesem Hintergrund haben die Nutzfahrzeughersteller das Thema Telematik neu für sich entdeckt. Fleetboard von Daimler zum Beispiel erfasst heute bereits eine Vielzahl von Zustands-, Tour- sowie Positionsdaten der Fahrzeuge und überträgt diese mittels Mobilfunk an den jeweiligen Kunden. So können modular aufgebaute Dienste rund um das Auftrags-, Fahrer- und Fuhrparkmanagement angeboten werden – unabhängig von der
Fahrzeugmarke. Big Data, Internet of Things, künstliche Intelligenz, die Karten­dienste von HERE und die Cloudlösung Microsoft Azure bilden nun aber die Grundlage dafür, dass Fleetboard noch einen Schritt weitergeht: Künftig sollen sämtliche Abläufe und alle am Transport Beteiligten vernetzt werden – "seamless transportation" lautet das Ziel. Eine Reihe neuer Produkte, die zur Effizienzsteigerung der Kunden beitragen und zum Teil noch in der Pilotphase sind, wurde bereits vorgestellt. So etwa Fleetboard nxtload für das Vermeiden von Leerfahrten, die App Fleetboard Vehicle Lens für eine optimierte Abfahrtkontrolle oder das Fleetboard HoloDeck, in dessen dreidimensionaler Landschaft der Flottenmanager künftig die Fahrzeuge live beobachten, Informationen abrufen und mittels Gestik agieren kann. Als bewusst offen konzipierte Plattform präsentiert sich auch der Fleetboard Store für Apps. 

Die Konkurrenz schläft nicht: So bietet die Volks­wagen Truck & Bus Gruppe mit ihrer Digitalmarke RIO ebenfalls eine offene, cloudbasierte Lösung an. RIO bündelt digitale Services für das gesamte Transport- und Logistik-Ökosystem. Auf diese Weise sind alle Beteiligten der Lieferkette über ein einheitliches Informations- und Anwendungssystem mit Prognosefunk­tionalität miteinander vernetzt. Bislang war eine transparente Datennutzung innerhalb der Transportbranche oft nicht möglich, weil die Akteure unterschiedlichste Softwaresysteme verwenden, die Insellösungen darstellen. RIO ist unabhängig von der jeweiligen Fahrzeugmarke beziehungsweise dem jeweiligen Telematiksystem einsetzbar. Bestehende, als Einzellösung genutzte Systeme lassen sich auf RIO integrieren. Für alle Services auf der Plattform ist der digitale Marketplace das neue Zuhause. Erklärtes Ziel von RIO ist es, durch die Digitalisierung der Logistikkette den Arbeitsalltag von Speditionen, Disponenten und Fahrern zu erleichtern, Effizienzgewinne zu realisieren sowie Verkehrsströme flüssiger zu gestalten.

Effizientes Wartungsmanagement

Vernetzung und Digitalisierung gewinnen im Lkw auch dahingehend
immer mehr an Bedeutung, per datenbasierter Ferndiagnose die Reparatur- und Wartungskosten zu reduzieren. Wenn die Fahrzeuge anstehende Wartungsintervalle oder aktuelle technische Probleme direkt an die Zentrale kommunizieren, können die Servicemitarbeiter umgehend reagieren und damit unnötigen Zeitverlust vermeiden. Die Instandhaltung wird effizienter geplant, es gibt weniger Fahrzeugausfälle und die Lebensdauer der Fahrzeuge verlängert sich. Ein Systembeispiel hierfür ist Mercedes-Benz Uptime. Es basiert auf dem Konnektivitätsmodul Truck Data Center, das fortlaufend in Echtzeit den Status der Fahrzeugsysteme überprüft. 

Für die Kunden ist damit ein dreifacher Mehrwert verbunden: Erstens wird der Betreiber durch die kontinuierliche Auswertung der verfügbaren Daten des Lkw in Echtzeit aktiv kontaktiert, noch bevor ein Teiletausch oder eine andere Reparatur zwingend nötig ist. Dies reduziert das Risiko des Liegenbleibens und einen Zeitverlust für den Transporteur deutlich. Zweitens kann der Kunde durch intelligentes Terminmanagement notwendige Wartungen und Reparaturen ideal in seinen Auftragsplan integrieren und so Standzeiten besser planen. Drittens unterstützt Mercedes-Benz Uptime die Kunden bei jenen Instandsetzungsmaßnahmen, die sie selbst innerhalb ihrer firmeneigenen Fuhrpark- und Werkstattorganisation vornehmen. 

Echtzeitfahrzeugdaten, die via Telematik aus der Bordelektronik des Fahrzeugs gewonnen werden, sind übrigens auch die Grundlage der von Scania gebotenen Wartung mit flexiblen Plänen. Dahinter verbergen sich individuelle Servicepläne, die so abgestimmt sind, dass Standzeiten nur bei Bedarf erfolgen. Schließlich zeigt die Erfahrung immer wieder aufs Neue, dass die Fahrzeuge von Transportunternehmern und Spediteuren im
täglichen Business ganz unterschiedlichen Einsatzbedingungen und Fahrstrecken ausgesetzt sind. All dies wirkt sich erheblich auf den Verschleiß aus. Insofern macht es Sinn, die Wartung nicht an feste Intervalle zu binden, sondern sie vielmehr flexibel zu gestalten. Das sorgt bei den Kunden für maximale Produktivität und minimale Unterbrechung des Arbeitsalltags. Darüber hinaus können die Scania-Werkstätten durch die wöchentlich aktualisierten Wartungspläne ihre Kunden aktiv betreuen sowie die Werkstattplanung verbessern. Mehrwerte also für alle Beteiligten.          

"Smart Solutions" als Kostenkiller

Schmitz Cargobull Telematics hat mit dem SmartTrailer die nächste Generation der Trailer-Telematik vorgestellt. Das Konzept umfasst eine Vielzahl neuer vernetzter Funktionen für die Transport- und Logistikbranche. So ist zum Beispiel für temperaturgeführte Transporte im Telematik-Steuergerät ein Temperaturschreiber integriert. Optional lassen sich die Temperaturdaten über einen Drucker an der Stirnwand einfach auf Papier ausdrucken. Darüber hinaus ermittelt ein neuer Präzisionskilometerzähler mithilfe eines ABS-Sensors und GPS-gestützten Algorithmen eine präzise Laufleistung. Diese funktioniert auch bei nicht gestecktem EBS-Kabel. In Kombination mit einem Beschleunigungssensor im Telematik-Steuergerät können Fahrzeugbewegungen und Stillstand eindeutig identifiziert und dokumentiert werden.
Auch in der Überwachung von Rädern und Reifen setzt Schmitz Cargobull Telematics Maßstäbe. Neue Kontrollsensoren in der Felge messen Reifendruck sowie -temperatur und übertragen diese an einen im Telematik-Steuergerät integrierten Empfänger. Weitere Sensoren an den Bremsbelägen ermitteln den Verschleiß inklusive Angabe der Radposition am Fahrzeug. So können Pannen vermieden und Werkstattaufenthalte proaktiv geplant werden. Last, but not least ermöglicht ein verdecktes Schließsystem die robuste Verriegelung der Rückwandtüren. Alle Vorgänge werden dabei im Telematik-Portal protokolliert und sind jederzeit nachweisbar.

Sprit sparen durch fahren im Leerlauf

Jeder kennt diese optimalen Phasen, in denen es gelingt, im Leerlauf auszurollen, statt abrupt abbremsen zu müssen, oder im Verkehr mitzuschwimmen, statt immer wieder zu beschleunigen und abzubremsen. Continental nennt das EcoCoasting – es spart Sprit und senkt die Unfallgefahr. Durch die zusätzlichen Informationen, die der von Continental entwickelte dynamische eHorizon über die vorausliegende Strecke hat, wird vorausschauendes Fahren auf bis zu acht Kilometer möglich. Meldet der dynamische eHorizon beispielsweise ein noch mehrere Kilometer entferntes Stauende hinter einer Kurve, könnte das Fahrzeug sanft die Geschwindigkeit reduzieren, anstatt erst dann eine Vollbremsung einzuleiten, wenn der Fahrer oder die Sensoren das Hindernis erkennen. Darüber hinaus wird das System in der Endausbaustufe den Fahrer auch vor plötzlich eintretenden Ereignissen wie schlechtem Wetter oder Unfällen warnen. Vorausschauend und effizient fährt es sich in Zukunft mit dem dynamischen eHorizon auch im Stadtverkehr: Anhand von Daten zu den Ampelphasen kann das Fahrzeug die Fahrstrategie optimal steuern. Hierzu arbeitet Continental bereits intensiv mit Lkw-Herstellern, Forschungseinrichtungen und anderen Zulieferern zusammen. 

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