Daimler Trucks-Vorstand Martin Daum An der Spitze bleiben

Foto: Thomas Küppers

Welches sind seine Ziele und Erwartungen für die Truck-Sparte? Wie sieht er die Rolle von Daimler bei der Elektromobilität, und was tut sich beim Platooning? Der neue Vorstand von Daimler Trucks, Martin Daum, steht der Fachzeitschrift trans aktuell im Exklusiv-Interview Rede und Antwort.

trans aktuell: Herr Daum, Actros oder Freightliner Cascadia – welches ist der bessere Truck?

Daum: Das lässt sich so einfach nicht beantworten. Wie definiert man, wer der Bessere ist? Macht man es  an der Kraft­stoff­effi­zienz, an der Ertragsstärke oder an der Marktposition fest? Das ist, als müsste ich sagen, welches meiner drei Kinder mir das liebste wäre. In ihrer Unterschiedlichkeit sind mir alle gleich lieb. Genauso verhält es sich bei Daimler Trucks mit den Marken Mercedes-Benz, Freightliner und Fuso.

Wenn wir schon Vergleiche anstellen: Können europäische Spediteure etwas von ihren US-Kollegen lernen?

Aufgrund der Fuhrparkgrößen sind die US-Flotten sehr professionell organisiert. Wir haben es mit bis zu 12.000 Lkw zu tun. Es hat sich in den USA durchgesetzt, dass Speditionen ihre Frachteinnahmen und Kosten in Cent pro Meile berechnen. Dazwischen gibt es nur eine geringe Differenz. Daher sind die Unternehmen bestrebt, möglichst viele Meilen zu fahren – also die Auslastung zu optimieren. Die Margen sind so kalkuliert, dass es auch auf die zweite und dritte Kommastelle hinter dem Dollar ankommt.

Sie waren die vergangenen acht Jahre in den USA. Welche Erfahrungen sind für Ihre neue Funktion besonders wichtig?

Ich bin in meinem Berufsleben schon ein paarmal zwischen den USA und Deutschland hin- und hergesprungen. Was ich in den 1990ern in den USA als bereichernd empfand, war der ausgeprägte Kundenfokus. In den vergangenen Jahren habe ich gelernt, dass man nicht an Althergebrachtem hängen darf. Statt Verteidigungskämpfe zu führen, sollte man sich schnell an neue Anforderungen anpassen. In Deutschland tendiert man dazu, sich zu rechtfertigen, wenn man eine Kursänderung vornimmt.

Sie haben Ihre neue Funktion im März angetreten. Welche Dinge wollen Sie bei Daimler Trucks als Erstes anpacken?

Ich möchte meinen Teil dazu beitragen, dass wir weiterhin an der Spitze unserer Industrie stehen. Ich definiere das nicht durch Dominanz in Form von Größe. Es geht vielmehr darum, die Welt und die Zukunft des Gütertransports aktiv mitzugestalten, Lösungen für die Herausforderungen unserer Kunden zu entwickeln und natürlich auch attraktiv für Mitarbeiter zu sein.

Wie viel Freude macht ­Ihnen das Geschäft im Heimatmarkt Europa und besonders in Deutschland?

Westeuropa erweist sich dieses Jahr erneut als stabiler Markt. Wir merken das auch an der Auslastung im Werk Wörth, die im Moment sehr zufriedenstellend ist. Schauen wir uns die langfristigen Mittelwerte an, ist das eine überdurchschnittliche Zahl.

Würden Sie in Wörth gerne noch mehr Fahrzeuge fertigen?

Als ehemaliger Werkleiter kann ich sagen, dass immer noch mehr geht. Wir können in unseren Werken die Schichten verlängern, samstags arbeiten und vieles mehr. Grundsätzlich ist die Auslastung derzeit aber schon sehr erfreulich. Das könnte ein Nachhol- oder ein Vorzieh-Effekt sein. Wir beobachten die Marktentwicklung wie immer sehr genau, damit wir flexibel und schnell reagieren können.

Was die Rentabilität angeht, ist der Vorstand mit der Truck-Sparte noch nicht zufrieden. Wie kommen Sie mit Ihren Programmen zur Steigerung der Effizienz voran?

Es geht voran, und solche Programme sind etwas ganz Normales. Jedes Unternehmen – egal aus welcher Branche – muss kontinuierlich an seiner Effizienz arbeiten, Prozesse verschlanken und moderne Technologien nutzen. Wenn ich das ein oder zwei Jahre nicht mache, muss ich es nachholen. Das ist wie mit dem eigenen Körpergewicht: Achte ich nicht auf die Ernährung und vernachlässige ich meine Workouts, nehme ich zu. Bei Mercedes-Benz-Lkw müssen wir noch einige Pfunde abwerfen …

… um Ihren Renditezielen ­näher zu kommen …

Wir sind nicht da, wo wir hinwollen – eine Rendite von acht Prozent. Es darf in guten Zeiten, also bei einer guten internationalen Marktlage, aber auch etwas mehr sein. Wobei die Rendite kein Selbstzweck ist, sondern auch die Voraussetzungen dafür schafft, weiterhin kräftig zu investieren. Davon profitieren Kunden und Mitarbeiter gleichermaßen.

Werden Elektro-Lkw künftig die Profitabilität erhöhen?

Betrachten wir den Fernverkehr, gleicht das einem Blick in die Glaskugel. Es geht zum einen darum, was technisch möglich ist, und zum anderen, was der ­Kunde bereit ist zu bezahlen. Ab dem Moment, ab dem sich eine Investition lohnt, kann der Markt kippen.

Wovon hängt es ab?

Von vier Faktoren. Erstens: die technische Machbarkeit. Dabei hat sich die Leistungsfähigkeit der Batterien in den vergangenen drei Jahren schon radikal verändert. Zweitens: die Reichweite und Kosten der Batterie in Kombination mit ihrem Gewicht. Auch hier geht die Entwicklung rasant voran. Drittens: die Ladezeiten. Ich kann nicht einen ganzen Tag warten, bis die Akkus geladen sind. Viertens: die Langlebigkeit der Batterie. Ich muss mit einer Batterie so viele Ladezyklen hinbekommen, dass ich eine Million Kilometer fahren kann.

Neue Akteure wie Tesla und Nikola drängen auf den Markt. Wer wird das Rennen um den besten Elektro-Lkw gewinnen?

Ich bin überzeugt: Wer eine wirtschaftliche Elektrolösung entwickelt, dem gehört gerade in der Triade – also Europa, Nordamerika, Japan – der Markt der Zukunft. Es geht nun darum, die beste Kundenlösung zu finden und daraus ein praxistaugliches Konzept zu machen. Ob das die Brennstoffzelle sein wird, sei mal dahingestellt. Generell gilt für Start-ups wie für unsere etablierten Wettbewerber: Wir nehmen jeden ernst. Ich bin ein leidenschaftlicher Marktwirtschaftler. Nichts spornt mehr an, als Wettbewerber, die gute Ideen haben. Arroganz ist der erste Weg zum Niedergang.

Ist es nicht Ehrgeiz von Daimler, der Erste zu sein?

Wir wollen – wie erwähnt – die Branche von der Spitze weg gestalten. Und wir wollen der Beste sein, wenn es um die Serienproduktion geht. Prototypen zu produzieren, ist das eine. Aber eine erfolgreiche Serienfertigung ist das andere. Da trennt sich die Spreu vom Weizen. Es herrscht ein enormer Effizienz- und Qualitätsanspruch.

Schneller als im Fernverkehr geht es bei der Elektrifizierung der Branche ja im Verteilerverkehr voran. Sie haben angekündigt, noch dieses Jahr die ersten E-Lkw in die Praxiserprobung zu bringen. Wie weit sind Sie bisher gekommen?

Im Verteilerverkehr geht es schneller voran, da die Energiemengen kleiner und die Routen kürzer sind. Wir sind mit möglichen Betreibern im Gespräch. Jedes Fahrzeug wird in die Hände von Kunden kommen, bei denen die Nachhaltigkeit Teil des Geschäftsmodells ist. Je unterschiedlicher die Kunden aufgestellt sind, desto höher fällt der Erkenntnisgewinn aus.

Inwiefern helfen Ihnen mögliche Fahrverbote für konventionell betriebene Fahrzeuge, um Lkw mit E-Antrieb auf die Straße zu bringen?

Mit Blick auf Fahrverbote muss uns die große Bedeutung von Nutzfahrzeugen für unsere Wirtschaft und damit unseren Wohlstand bewusst sein: Wenn wir es Lkw beispielsweise untersagen, Schutt von der Baustelle zur Deponie zu bringen, müssten wir auf Schubkarren umstellen. Bei allen Chancen der E-Mobilität muss auch gesagt werden: Es bringt nichts, Anreize für Elektrofahrzeuge zu geben und gleichzeitig dafür Braunkohle zu verbrennen. Die gleiche Politik, die die Fahrzeugindustrie antreibt, muss auch die Versorger dazu bewegen, auf regenerative Energien umzustellen – nur dann macht es Sinn.

Welche Stellschrauben haben Sie eigentlich, um den konventionellen Antrieb noch effizienter zu gestalten?

Es gibt noch Potenziale im konventionellen Antrieb, aber es wird immer herausfordernder, diese zu heben. Und am Ende gilt der Lehrsatz: Man kann die Physik nicht schlagen. Wir kommen nun an die Grenzen des Machbaren. Bei jedem Einzelelement sind wir schon sehr weit. Nun geht es darum, das Zusammenspiel der Systeme zu perfektionieren. Hier kommt die Kombination von Elektronik und Vernetzung ins Spiel. Wir müssen Systeme entwickeln, durch die unsere Kunden den Lkw noch effizienter betreiben können.

Oder aber Systeme entwickeln, die es zum automatisierten Fahren braucht. Wie geht es denn beim Platooning weiter?

Dazu werden wir im Herbst noch etwas verkünden.

Können Sie schon sagen, wo die nächsten Tests stattfinden werden?

Wo wir lange Strecken ohne Staus vorfinden – also nicht unbedingt zwischen Stuttgart und Karlsruhe.

Zur Person

  • Martin Daum ist seit März 2017 Vorstandsmitglied bei Daimler und in dieser Funktion Leiter der Geschäftsfelder Daimler Trucks und Daimler Buses
  • seit 30 Jahren für Daimler tätig, darunter unterschiedlichste Führungs- und Management-Funktionen. Zuletzt seit 2009 verantwortlich für Daimler Trucks Nordamerika und zuvor seit 2006 Produktionschef von Mercedes-Benz-Lkw
  • 1959 in Karlsruhe geboren. Nach dem Abitur Ausbildung zum Bankkaufmann, anschließend BWL-Studium an der Universität Mannheim mit Abschluss Diplom-Kaufmann
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Harry Binhammer, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Harry Binhammer Fachanwalt für Arbeitsrecht
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