Besuch im Daimler-Werk Düsseldorf Sprinter Tradition seit 1995

Foto: Daimler 4 Bilder

Vor 55 Jahren rollten im Daimler Werk in Düsseldorf die ersten Transporter vom Band. Seit 1995 fügen Mensch und Maschine dort den Sprinter zusammen.

Es zischt und kracht, wenn sich aus den Blechteilen im Werk Düsseldorf langsam der Umriss eines Transporters abzeichnet. In einer exakt festgeschriebenen Choreografie umtänzelt das Ballettkorps aus 500 orangefarbenen Roboterarmen die Rohkarossen, die später als Sprinter die Montagelinie verlassen. Einem Lindwurm gleich schiebt sich der Zug aus Fahrzeuggerippen immer weiter voran. Funken sprühen, während die Roboter ihre Schweißpunkte setzen und so die Einzelteile zu einer stabilen Karosserie verbinden. Im Durchschnitt sind dafür rund 7.500 einzelne Schweißpunkte nötig. Der Sprinter beginnt seinen Lebenszyklus in Düsseldorf als geformte Einzelteile. Das Werk hat keine eigene Gießerei, sondern arbeitet als reiner Montagestandort.

Der erste Eindruck täuscht allerdings. Tatsächlich sind nur in der Rohbauabteilung die Roboter derart in der Überzahl. Schließlich dominieren in diesem Produktionsstadium Arbeitsschritte, die einem Menschen zu viel Kraft abverlangen würden und gleichzeitig weniger Fingerspitzengefühl erfordern als beispielsweise der Innenausbau.

Sprinter durchlaufen viele Qualitätssicherungsschleifen

Auf dem restlichen Weg durchs Werk begleiten den Sprinter nach dem Rohbau nur noch 50 weitere Roboterhelfer. Speziell im Innenraum ist nach wie vor die Expertise der menschlichen Mitarbeiter gefragt. Dieser Schritt steht nach der Lackierung an. Das Werk liegt mitten in der Stadt, weshalb es unter einem gewissen Platzproblem leidet. Auch die Parkplatzsituation für die fertigen Fahrzeuge ist beengt: Gerade einmal eine Tagesproduktion findet Platz. Genauso schnell wie täglich 250 Lkw fast 3.000 Tonnen Teile anliefern, muss Daimler also die fertigen Sprinter – 725 Fahrzeuge pro Tag – in die Auslieferungszentren bewegen. In die Breite kann Daimler in Düsseldorf nicht expandieren. Darum arbeiten die Angestellten auf mehreren Ebenen. So legen auch die Karosserien auf ihrem Weg durch die Produktion einige Höhenmeter zurück, bis sie auf eigener Achse vom Band rollen.

An sogenannten C-Gehängen schweben die Karosserien von Station zu Station, wo nach und nach der Antriebsstrang, Innenverkleidungen, der separat zusammengefügte Armaturenträger und die Scheiben ihren Weg in den Transporter finden. Letztere werden fest mit der Karosserie verklebt und verstärken so bei Unfällen die Sicherheitszelle. Während des Montageprozesses durchlaufen die Fahrzeuge immer wieder Qualitätssicherungsschleifen, werden beispielsweise exakt vermessen. Falls die Maße der Rohkarosserie nicht mit dem Soll übereinstimmen, meldet die Elektronik dies. Ein Mitarbeiter muss dann im besten Fall mit sanften Hammerschlägen nachjustieren. Etwa ein Prozent der Karosserien durchläuft eine zusätzliche Ultraschallprüfung, bei der ein Kollege die Festigkeit testet. Am Ende, wenn der Sprinter auf seinen eigenen Rädern steht, folgt eine Testreihe auf den Prüfständen des Werks.

Seit 2014 arbeitet das Werk komplett papierlos

Die Produktionsfolge der einzelnen Fahrzeuge scheint auf den ersten Blick chaotisch. Kastenwagen und Kombis schieben sich scheinbar durcheinander durch die Produktionslinie. Damit weder Mensch noch Maschine den Überblick verlieren, hat jedes Fahrzeug seinen ureigenen Code. In der Vergangenheit haben die Mitarbeiter die Übersicht mit Papierformularen behalten. Seit 2014 arbeitet das Werk Düsseldorf als Vorreiter im Daimlerkonzern fast komplett papierlos. Basis der papierlosen Fabrik ist das sogenannte Manufacturing Executing System, kurz MES. Statt auf Papier stellt dieses den Mitarbeitern die relevanten Informationen auf Touchscreens zur Verfügung. Je nach Arbeitsschritt zeigt der Bildschirm genau die Informationen, die gerade nötig sind, also das nächste Bauteil oder die Montageanleitung, um das Teil korrekt einzubauen. Gleichzeitig stellt der Hersteller so sicher, dass keine veralteten Dokumente im Umlauf sind. Mitarbeiter registrieren sich bei jedem Arbeitsschritt mit einem RFID-Stift und sehen dann die Anweisungen und Informationen auf Tablets, die unter anderem an den C-Gehängen befestigt sind. Daimler hat in Düsseldorf etwa 600 dieser Tablets im Einsatz.

Natürlich will Daimler mit dem System auch die Effizienz in der Produktion ankurbeln. Dank des MES lässt sich der Status der Montagelinie in Echtzeit verfolgen. Mit dem Industrie-4.0-Ansatz geht aber noch ein weiterer Aspekt einher: Daimler spart eigenen Angaben zu Folge pro Jahr sieben Millionen Blatt Papier, was sich wiederum in 40.000 Kilogramm CO2 umrechnen lässt. Angefangen hat die Daimler-Ära in Düsseldorf 1962 ganz analog – ohne Tablets, elektronische Prüfanlagen und auch noch ohne Roboter – mit den Baureihen L 319 und O 319. Vor gut 20 Jahren rollten die ersten Sprinter vom Band. Heute sind am Standort Düsseldorf rund 6.500 Mitarbeiter im Drei-Schicht-Betrieb beschäftigt. Dazu kommen noch einmal 145 Azubis. Aktuell laufen die Vorbereitungen für die nächste Sprinter-Generation auf Hochtouren. Diese baut Daimler komplett in Eigenregie, nachdem die Partnerschaft mit Volkswagen seit der neuen Generation des Crafter ausgelaufen ist. Dann beginnt für den Hersteller das nächste Kapitel in der langen Geschichte des Traditionsstandortes.

Dieser Artikel stammt aus diesem Heft
lao 10 2017 Titel
lastauto omnibus 10 / 2017
9. September 2017
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